Post von der Post: «Sie probieren ein Produkt lieber aus, als nur Informationen darüber zu erhalten? Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit dazu», heisst es im Schreiben vom 29. August, das an Haushalte in den Städten Lausanne, Genf, Bern, Liestal, Luzern, Zürich geschickt wurde. Von September bis Dezember will das Unternehmen Müsterchen von Fleckenentfernern, Crackern, Kräutersalz und Schokolade verteilen. Der Haken: Warenproben gelten als Werbesendungen. Die Post darf Müsterchen also nur zustellen, wenn Interessierte zuerst den «Bitte keine Werbung»-Kleber von ihrem Briefkasten entfernen. Ist dieser erst einmal weg, steht Reklame künftig der Weg offen.

Mit dem Aufkleber am Briefkasten deklarieren Haushalte, dass sie keine Werbe- und Massensendungen erhalten möchten (siehe Box: «Stopp Werbung»: Trotzdem ist einiges erlaubt). Diese Kleber sind der Post ein Dorn im Auge, da das Unternehmen an unadressierten Werbesendungen verdient. Sprich: Die Firmen bezahlen die Post für das Vertreiben ihrer Müsterchen.

Finanzielle Verluste wegen Stopp-Klebern

«Nach einem Wachstum in den Jahren 2012 bis 2014 ist die Menge der unadressierten Sendungen in den vergangenen zwei Jahren etwas zurückgegangen», erklärt Jacqueline Bühlmann, Mediensprecherin der Post. Um wieder mehr potenzielle Kunden erreichen zu können, legt die Post ihrem Schreiben «Werbung-OK»-Aufkleber bei. Bei der aktuellen Aktion handelt es sich nicht um die erste dieser Art. Bereits in den letzten Jahren warb das Unternehmen mit Warenmustern, um deren Akzeptanz zu testen. «Die in den vergangenen Jahren durchgeführten Sampling-Aktionen zeigten, dass Warenmuster bei den Empfängerinnen und Empfängern im Allgemeinen gut ankommen», so Jacqueline Bühlmann. Diese würden nicht nur Informationen auf Papier, sondern die Produkte direkt ausprobieren wollen.

«Eine unfaire Methode»

Am Ende der Mitteilung schreibt die Post, dass der «Bitte keine Werbung»-Vermerk zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgeklebt werden könne. Ob dies getan wird, weiss Jacqueline Bühlmann nicht. Beobachter-Expertin Nicole Müller erklärt: «Das ist zwar ein etwas widersprüchliches Vorgehen, aus juristischer Sicht aber nicht zu beanstanden. Die Post verletzt das Abkommen zum Schutz vor unadressierter Werbung nicht, welches sie mit Konsumentenorganisationen und privaten Verträgerfirmen geschlossen hat.»

Obwohl juristisch nichts zu bemängeln ist, handelt es sich laut der Stiftung für Konsumentenschutz um eine unfaire Methode, die das stockende Geschäft mit dem Werbeversand wieder anzukurbeln soll: «Dass der Kunde mit dem Entfernen des ‹Stopp Werbung›-Klebers gleichzeitig Tür und Tor öffnet für die grosse Flut unadressierter Werbesendungen, diese Tatsache wird den Leuten verschwiegen.»

«Stopp Werbung»: Trotzdem kommt einiges durch

Bei der Zustellung unadressierter Sendungen unterscheidet die Post zwischen «kommerziellen» Sendungen und sogenannten offiziellen Sendungen. Erstere werden nicht zugestellt, wenn Briefkästen mit «Bitte keine Werbung» vermerkt sind, alle anderen dagegen schon.

Als offizielle Sendungen gelten:

  • Briefe von Behörden und Verwaltungen von Bund, Kanton und Gemeinden
  • Informationen von öffentlichen Unternehmen von Bund, Kanton und Gemeinden; Beispiel: SBB informiert über ein Bauvorhaben
  • Amtliche Anzeiger und Printmedien; Beispiel: Quartierzeitung
  • Sendungen von politischen Parteien und Organisationen, wenn sie «dem Informationsbedürfnis einer breiten Öffentlichkeit» entsprechen; Beispiel: Abstimmungszeitung einer Partei
  • Nicht kommerzielle Sendungen von gemeinnützigen Organisationen, wenn sie «dem Informationsbedürfnis einer breiten Öffentlichkeit» entsprechen; Beispiel: Spendenaufrufe wie jene der Demenz-Forschung Schweiz, die zuletzt in zahlreichen Schweizer Briefkästen gelandet sind