Die Frau am Pikett-Telefon des Beobachters war aufgewühlt und empört: «Ich muss es einfach jemandem erzählen. So etwas geht doch nicht!» Was war passiert? Die Rentnerin aus Kehrsatz BE hatte in ihrem Briefkasten einen «Dringenden Appell zum Schutz unserer AHV» vorgefunden, adressiert an ihren Mann. Doch dieser ist vor drei Jahren gestorben. 

So wie ihr ist es in den vergangenen Tagen zahlreichen Rentnerinnen und Rentnern gegangen. Der «Appell» ging an verstorbene Ehepartner, Nachbarinnen oder Bekannte. Betroffene wandten sich verärgert an die Redaktionen, etwa auch an den «Tages-Anzeiger», um ihren Unmut kundzutun. Viele fragten sich: Wie kommt so was?

Es sind professionelle Adresshändler, die personalisierte Werbeanschreiben möglich machen. Bei ihnen erhält man gegen Bezahlung Datensätze von Personengruppen mit bestimmten Merkmalen wie etwa Wohnort, Sprache oder Alter. Einen solchen Datensatz hat sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse bei der Firma Künzler Bachmann Directmarketing besorgt. Diese wollte zu den Fragen des Beobachters keine Stellung nehmen.

Der Wirtschaftsdachverband verschickte anschliessend an mehrere Hunderttausend Haushalte besagten «Appell». Unterzeichnet war das Schreiben von den drei alt Bundesräten Adolf Ogi (SVP), Doris Leuthard (CVP) und Johann N. Schneider-Amman (FDP). Sie empfehlen, die Initiative für eine 13. AHV-Rente abzulehnen. Zur Allianz «Nein zur 13. AHV-Rente» gehören neben Economiesuisse auch FDP, Die Mitte, GLP und SVP.  

Alt Bundesräte mit 230’000 Franken Rente

In den Kommentarspalten und auf Leserbriefseiten kam die Aktion grösstenteils nicht gut an. Viele beklagen nicht nur die unerwünschte «persönliche» Sendung. Sie stören sich auch am Umstand, dass alt Bundesräte, die eine höhere AHV bekämpfen, selbst Anrecht haben auf eine lebenslange Rente, die 50 Prozent ihres früheren Einkommens beträgt – rund 230’000 Franken.«Dass die Aktion bei manchen Personen auf Unmut stösst, ist zwar bedauerlich, aber nicht ungewöhnlich», sagt ein Economiesuisse-Sprecher dazu. Die alt Bundesräte engagierten sich gegen die Initiative, weil diese «unser wichtigstes Sozialwerk in milliardenhohe Defizite» stürze.

Solchen Anschreiben ist man nicht einfach ausgeliefert. Man kann sich wehren (siehe unten).

So erhalten Sie keine unerwünschten Werbeschreiben
  • Geben Sie auf Formularen nur die nötigsten Daten an.
  • Notieren Sie beim Hinterlassen Ihrer Adresse «Weitergabe an Dritte nicht gestattet».
  • Lassen Sie Ihre Daten bei der Einwohnerkontrolle sperren, wenn Sie keine Weitergabe wünschen.
  • Lassen Sie sich kostenlos auf die Robinsonliste setzen, die Werbesperrliste gegen unerwünschte adressierte Werbepost. 
  • Streichen Sie Ihre Adresse auf dem Kuvert, notieren Sie «Refusé – bitte meine Adresse aus der Kartei streichen» und werfen Sie es unfrankiert in den gelben Postbriefkasten.

Weitere Infos finden Sie bei Guider – der digitalen Rechtsberatung des Beobachters.