Es war ein üppiges Mahl, das Hans Suter (Name geändert) und seine Begleitung im Restaurant Raten genossen haben. Zur Vorspeise eine Kürbissuppe, als Hauptspeise das Entrecôte, dazu Wein. Fürs Dessert war dann fast kein Platz mehr im Magen, doch die Vermicelles klangen einfach zu verlockend. Man entschied sich, die Nachspeise zu teilen – wie man das heute halt so macht.

Nach dem Kaffee verlangte Suter die Rechnung: Fr. 167.40. Ein fairer Preis für ein feines Nachtessen. Was den Rentner aber stutzig machte, waren die Fr. 2.50, die ganz unten auf der Quittung aufgeführt waren: «1x 2. Löffel». Diese Kreativität, sagt Suter, sei verblüffend und «irgendwie auch befremdend».

Auf der Speisekarte heisst es: «Neu erlauben wir uns, am weiss gedeckten Tisch einen Couvertpreis für Brot und Gedeck von 3 Franken pro Person zu verrechnen. Dieser entfällt bei einer Mindestkonsumation von 80 Franken pro Person.» Suter und Begleitung tafelten für Fr. 167.40 (ohne Trinkgeld) – warum also trotzdem diese Löffelgebühr?

Der Grund findet sich in der Dessertkarte. Dort steht klein geschrieben: «2. Löffel 2.50 CHF». Für Beobachter-Konsumexpertin Nicole Müller ist der Fall klar: «Wenn in der Karte steht, dass der zweite Löffel etwas kostet, gibt es zwar eine vertragliche Grundlage für die Kosten.» Der Gast kann aber argumentieren, dass er diese nicht gesehen habe und darum nicht zahlen muss. Abgesehen vom Juristischen, sei die Praxis ganz bestimmt nicht kundenfreundlich, so Müller.

In der Schweiz unüblich

Ähnlich sieht das Sara Stalder, die Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz: «Dass solche Kosten überwälzt werden, ist in der Schweiz unüblich.» Die Verrechnung des zweiten Löffels fürs Dessert stehe dem Restaurant jedoch frei, wenn die Kosten korrekt deklariert würden. «Wäre dies nicht der Fall, müsste die Gebühr nicht bezahlt werden.»

«Raten»-Wirt Iwan Iten sieht in der Löffelgebühr kein Problem: «Wir zwingen niemanden, zu uns zu kommen.» Die Rechnung sei eigentlich ganz einfach, und für Gastronomen stimme sie schon lange nicht mehr. Während der Preis für einen Coupe Dänemark seit den Fünfzigerjahren bloss um das Zweieinhalbfache gestiegen sei, zahle er heute fünfmal so viel Lohn wie noch sein Vater.

«Wer ein Dessert teilt, belegt zwei Stühle», sagt Gastgeber Iwan Iten. Er habe Verständnis für Kunden, die über eine Löffelgebühr staunten. Aber es gehe ihm nicht ums Geld. «Wir wollen ein Bewusstsein schaffen.» Wenn ein Paar für den zweiten Löffel nicht bezahlen wolle, könne es die Vermicelles ja mit demselben Löffel essen.

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Peter Aeschlimann, Redaktor
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