Ein freudiger Moment: Johanna Karo nimmt den nigelnagelneuen Golf Variant in Empfang. Mit ihrem alten VW Golf, liebevoll «Chrüppi» genannt, hat sie 17 Jahre lang die besten Erfahrungen gemacht und rund 220'000 Kilometer zurückgelegt. Bewusst hat sie sich wieder für die gleiche Marke entschieden und stellt sich auf eine lange Zeit mit dem neuen VW ein.

Nur ein halbes Jahr später ist es «fertig mit der Freude an diesem Fahrzeug», schreibt Johanna Karo in ihrer Mängelrüge an die Amag. Die Zentralverriegelung und das Radio funktionieren nicht richtig, die Gangschaltung harzt. Dreimal war das Auto in der Garage, ohne dass die Mängel behoben werden konnten.

Bei der vierten Reparatur werden das Radio und das Getriebe ersetzt. Eine neue Zentralverriegelung gibts bei einem weiteren Werkstattaufenthalt. Kurze Zeit später hat das Abblendlicht einen Wackelkontakt.

Am liebsten hätte Johanna Karo den Kauf rückgängig gemacht. Doch was bei der streikenden Kaffeemaschine oder dem abfärbenden Pulli funktioniert, läuft bei Neuwagen anders. Warum?

Bei vielen Einkäufen wechseln Ware und Geld ohne weitere Abmachungen die Hand. Erweist sich das Produkt als mangelhaft, gibt das Gesetz der Käuferin drei Möglichkeiten:

  • Sie kann die Mangelware zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen (Wandelung),
  • sie kann bei geringfügigem Mangel eine Reduktion des Kaufpreises verlangen (Minderung) oder
  • sie kann Ersatz fordern.


Nicht so in der Autobranche. Die Kaufverträge enthalten in der Regel anstelle der gesetzlichen Sachgewährleistung eine Fabrikgarantie, auch Werk- oder Herstellergarantie genannt. Diese sieht bei Fehlern lediglich ein Nachbesserungsrecht vor. Das heisst, wenn ein Mangel auftritt, wird repariert. Die Möglichkeit, das Mängelauto zurückzugeben oder einen Ersatz zu verlangen, ist ausgeschlossen.

Die Garantiebestimmungen vieler Autoanbieter schliessen nicht nur diese wichtigen Käuferrechte aus, sondern enthalten weitere Einschränkungen.

Zum Beispiel erlischt der Garantieanspruch, wenn man Reparaturen nicht durch die offiziellen Markenvertretungen durchführen lässt oder sich nicht an die vorgeschriebenen Wartungsintervalle hält.

Auch von der Garantie ausgeschlossen sind unter anderem Verschleissteile oder Einstellungsarbeiten.

Einziger Pluspunkt im Vergleich zum Gesetz: Statt zwei Jahren werden oft drei und mehr Jahre Garantie gewährt, manchmal sogar ohne Kilometerbeschränkung.

Viele Rückrufe von Neuwagen

Funktioniert das neue Auto, spielen diese Einschränkungen keine Rolle. Macht der Neuwagen aber immer wieder Probleme, steht man im Regen.

Wie Johanna Karo. Zwar reparierte die Amag den VW immer wieder «zuvorkommend und zu meiner Zufriedenheit», wie sie in einem ihrer vielen Briefe an die Amag schreibt. Doch die Firma schaffte es nicht, den Wurm im Auto zu beseitigen. Trotzdem nahm sie den Wagen nicht zurück.

«Die Garantiebestimmungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrags und können nicht abgeändert werden», begründet die Amag ihre Haltung in einer Stellungnahme gegenüber dem Beobachter.

Ihr Vorschlag nach etwa einem Jahr: Eintausch des mangelhaften VW gegen einen neuen Golf, aber mit einem Aufpreis von 11'000 Franken. Aus Sicht der Amag ein «faires Angebot», sei bei der neuen Offerte doch die Nutzungsentschädigung für die 56'000 gefahrenen Kilometer weit grosszügiger ausgefallen als in der Gerichtspraxis üblich.

Die Garantieeinschränkungen bei Autokäufen sind nicht zuletzt angesichts der immer zahlreicheren Rückrufe von schadhaften Neuwagen problematisch. «Es kommen Modelle in den Handel, die noch nicht fertig entwickelt wurden», schreibt der Touring-Club Schweiz (TCS) in seiner aktuellen Übersicht über «Rückrufe von Personenwagen».

Allein in den letzten sieben Monaten zählte er über 80 Rückrufe: Start- und Airbagprobleme, Motoraussetzer, Verlust der Lenkbarkeit, verminderte Bremswirkung bei Nässe – all diese Defekte sind quer durch alle Marken bei Neuwagen aufgetaucht.

Genaues Protokoll erstellen

Solange ein Mangel mit einer Reparatur behoben werden kann, ist die Nachbesserung akzeptabel. Mühsam aber wird es, wenn das Auto immer wieder in die Werkstatt muss, weil es nicht gelingt, den Defekt endgültig zu reparieren.

Die Umtriebe – Zeit für die Garagenbesuche, Mietkosten für allfällige Ersatzautos – bleiben am Autobesitzer hängen. Denn meist schliessen die Autogarantien durch Mängel verursachte Folgekosten aus. «Wenigstens gibt es viele Garagisten, die ihrer Kundschaft gratis ein Auto zur Verfügung stellen», sagt Heiner Lehmann vom Autogewerbeverband Schweiz.

«Beginnt eine unerfreuliche Mängelgeschichte, sollte man sie von Anfang an detailliert protokollieren», rät Beat Wyrsch vom TCS. Tritt immer wieder der gleiche Mangel auf, sollte man sich umhören – beim Garagisten oder bei Leuten, die das gleiche Auto fahren. Auch die Rückruflisten des TCS oder der Autoimporteure können nützliche Hinweise geben.

Verläuft der Kontakt mit dem Garagisten unbefriedigend oder gelingt es ihm nicht, den Mangel zu beheben, ist es sinnvoll, den Autoimporteur beizuziehen. Dabei muss man sich aber bewusst sein, dass für die Garantieleistungen immer jene Garage Ansprechpartnerin ist, bei der man das Auto gekauft hat.

«Eine andere Garage mit der Garantiereparatur zu beauftragen ist nicht empfehlenswert», meint Beat Wyrsch. «Allzu leicht kann dann der Fehler zwischen den Garagisten hin und her geschoben werden, und der Kunde fällt zwischen Stuhl und Bank.» Der Autobesitzer sollte deshalb darauf beharren, dass der Verkäufer das Problem löst.

Dabei muss er sich nicht endlos mit erfolglosen Reparaturen herumschlagen. «Höchstens dreimal ist zumutbar», sagt TCS-Experte Wyrsch. Nachher sollte der Besitzer des mangelhaften Neuwagens einen definitiven Entscheid anstreben, indem er eine endgültige Reparatur, eine Preisminderung oder eine Garantieverlängerung verlangt. Gelingt das nicht, lebt – ungeachtet der vertraglichen Formulierung – das Recht auf Wandelung wieder auf. Dabei gilt es, die Frist im Auge zu behalten. Denn dieses Recht besteht nur während der Garantiezeit. Ist sie abgelaufen, hat man keine juristische Handhabe mehr und ist auf das Entgegenkommen des Anbieters angewiesen.

Johanna Karo wollte in keiner Weise mehr auf die Amag angewiesen sein. Nach Ablauf der Garantie wandte sie sich an ihren alten Garagisten, der das Getriebe erneut ersetzte. Das kostete rund 4000 Franken. Seither funktioniert der Golf leidlich. Aber einen Kosenamen wie der unermüdliche «Chrüppi» wird er nie bekommen.