Wer ohne Halbtax-Abo mit dem öffentlichen Verkehr fahren will, muss dafür tief in die Tasche greifen. Zu tief, findet Christian Laesser, Professor für Tourismus und Dienstleistungsmanagement an der Universität St. Gallen: «Die Billette zum Normaltarif sind zu teuer.» Ähnlich äussert sich Ueli Stückelberger. «Die Schwelle, den öffentlichen Verkehr zu benützen, ist für Kunden ohne Abonnement zu hoch», so der Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) zu 20 Minuten.

Ein Lösungsansatz erhielt kürzlich erstmals Zuspruch von prominenter Seite: das Halbtax-Abo abschaffen und den Normaltarif halbieren. «Man könnte es sich überlegen», sagte Toni Häne, der neue Leiter Personenverkehr bei der SBB, in einem Interview mit der NZZ. Dafür wäre aber die Zustimmung der ganzen ÖV-Branche notwendig.

Wie könnte die Rechnung aufgehen?

Und es bräuchte dazu zuallererst einen Plan, wie man die wegfallenden Erträge kompensieren könnte. Vergangenes Jahr bescherten die verkauften Halbtax-Abos dem öffentlichen Verkehr Einnahmen in der Höhe von 385 Millionen Franken. Zwar wären auch keine Ausgaben mehr nötig für Administration und Vermarktung der Halbtax-Abos. Dies allein würde aber nicht ausreichen. Die restliche Differenz müsste über die Ticketpreise ausgeglichen werden. Der Normaltarif würde ergo nicht ganz halbiert, die neuen Billette kämen die heutigen Halbtax-Abo-Besitzer teurer zu stehen.

Für Christian Laesser wäre eine Option, den Fehlbetrag auf das Generalabonnement abzuwälzen: «Man bestraft dann nicht die Halbtax-Kunden, sondern die GA-Abonnenten, die eh schon zu günstig unterwegs sind.» Für die derzeit 480'000 GA-Besitzer könnte das eine Preiserhöhung von etwa 800 Franken zur Folge haben.

Dass die Preise für pendelnde GA-Abonnenten zu tief sind, kritisierte im Frühjahr 2016 bereits der damalige SBB-Verwaltungsratspräsident Ulrich Gygi. Seither steht das GA immer mal wieder im Zentrum von Diskussionen.

Skepsis und keine Pläne

Die Herausgeberin der Halbtax- und Generalabonnemente und Geschäftsstelle des Direkten Verkehrs Schweiz, ch-direct, will sich auf Anfrage «an solchen Spekulationen nicht beteiligen». Entscheide wie dieser müssten von der ganzen Branche gemeinsam getroffen werden, die 250 Transportunternehmen umfasst.

Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Beim Zürcher Verkehrsverbund steht man einer Abschaffung des Halbtax-Abos und Laessers Vorschlag skeptisch gegenüber. «Die Auswirkungen wären äusserst umfangreich und so komplex, dass man das Ausmass zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht erfassen könnte», sagt Sprecher Thomas Kellenberger. Noch deutlicher äussert sich die Medienstelle der SBB, die die Aussagen ihres Personenverkehrsleiters relativiert: «Bei uns gibt es keine Pläne, am bewährten und beliebten Halbtax-Abo etwas zu ändern.»