Herr Muff, als Ombudsmann der Schweizer Reisebranche sind Sie Vermittler zwischen Konsumentinnen und Konsumenten und der Schweizer Reisebranche. Letztere bezahlt Ihren Lohn. Kann man da wirklich neutral sein?
Ombudsstellen sind generell von den Branchen bezahlt, was natürlich stutzig machen kann. Aber bei Ombudsstellen müssen zwingend Leute arbeiten, die gute Kenntnisse von der Branche und den Problemen haben, die auftreten können. Bei jedem Fall setze ich mir drei verschiedene Hüte auf: jenen der Reisenden, jenen des Veranstalters oder des Reisebüros und jenen des Schiedsrichters. Ich versuche dann, das Problem unter Berücksichtigung der rechtlichen Situation so neutral als möglich zu betrachten. Mein Herz schlägt also weder für die Konsumenten noch für die Branche.


Welche Fälle beschäftigen Sie ganz persönlich besonders?
Wenn Leute bleibende Schäden erleiden oder ungerechte Behandlung erfahren haben, geht mir das immer nahe. So sind es denn auch diese Fälle, die mich hartnäckig und auch unerbittlich machen. Umso mehr freut es mich dann, wenn ich eine Lösung herbeiführen kann.

Gibt es ein Beispiel für einen solchen Fall?
Ich erinnere mich an einen Fall, in dem aus meiner Sicht Rassismus eine Rolle spielte. Es ging um eine dunkelhäutige Frau, die mit ihrer Tochter nach Afrika reiste. Die Mutter hatte Übergepäck, und das Bezahlprozedere dauerte so lange, dass sie in Genf den Abflug verpasste. Die Airline buchte sie und ihre Tochter auf den nächsten Tag um, jedoch musste die Mutter das Ticket für die Tochter selber zahlen und wollte dafür das Geld zurück. Die Fluggesellschaft stellte sich quer. Mit sehr viel Arbeit ist es mir schliesslich gelungen, für die Antragstellerin den vollen Betrag erstattet zu bekommen.

Franco Muff ist Ombudsmann der Schweizer Reisebranche. Sein Rat für unbeschwerte Ferien: im Reisebüro buchen und gelassen bleiben.

Der Auftrag des Ombudsmanns: Franco Muff berät seit bald zehn Jahren Konsumentinnen und Konsumenten bei Unstimmigkeiten mit Vertretern der Schweizer Reisebranche und unterstützt sie in rechtlichen Fragen. Als neutraler Vermittler strebt er eine ausgewogene Lösung an. www.ombudsman-touristik.ch

Quelle: Privat

Mit welcher Art Reklamationen haben Sie derzeit am meisten zu tun?
Zurzeit beschäftigen uns am häufigsten Fragen um die Fliegerei. Dabei geht es um Flugplanänderungen, fehlendes Gepäck und noch immer um ausbleibende Rückzahlungen der Airlines. Es sind Altlasten aus der «Hochsaison» der Pandemie. Solche Altlasten haben wir auch im Zusammenhang mit abgesagten Pauschalreisen und Kreuzfahrten.
 

Bei Pauschalreisen haftet der Veranstalter. Wieso braucht es den Ombudsmann trotzdem?
In gewissen Fällen muss geklärt werden, ob die Versicherung oder das Reiseunternehmen für die Kosten aufkommt. Ein Fall stammt aus der Zeit, als beim Auftauchen von Omikron in Südafrika das BAG etwas hysterisch reagierte und veröffentlichte, dass man aus Südafrika nur noch individuell – was auch immer das heissen sollte – in die Schweiz einreisen könne. Nach einer Woche zog das BAG den Entscheid zurück, in der Zwischenzeit wollten Kunden aber ihre Reise nach Südafrika stornieren. Der Veranstalter stellte sich immer auf den Standpunkt, dass die Reise durchführbar gewesen wäre, selbst wenn die anfängliche Bestimmung des BAG gültig geblieben wäre.
 

Wie können Reisende bei der Buchung Ärger vermeiden?
Die Buchung einer Pauschalreise in einem Reisebüro, das über eine Kundengeldabsicherung wie den Garantiefonds verfügt, bietet den besten Schutz. Fallen Änderungen oder Unkosten an, ist die Verkaufsstelle in der Pflicht. Stellt man sich die Reise auf Online-Portalen wie Edreams, Opodo, Kiwi, Bravofly oder Cheaptickets zusammen, trägt man das ganze Risiko.
 

Wie kann man sich auf Airbnb am besten schützen?
Es gibt leider Gauner, die Häuser und Wohnungen anbieten, die es gar nicht gibt. Vorsicht ist auch geboten, wenn man Geld nicht an Airbnb, sondern direkt an den Vermieter überweisen soll.
 

Was halten Sie von Vergleichsportalen wie Trivago?
Ob jemand solche Portale benutzen will, ist jedem selbst überlassen. Der Ombudsmann selbst hegt an der Neutralität dieser Portale gewisse Zweifel.
 

Und worauf sollte man während der Reise achten?
Wer reist, sollte sich ein erhöhtes Mass an Gelassenheit antrainieren. Es ist sinnlos, sich über alles aufzuregen. Viele Probleme wie Mängel im Hotelzimmer oder wenn die im Zimmerbeschrieb aufgeführte Meersicht fehlt, lassen sich mit Gesprächen vor Ort lösen. Bei einer Pauschalreise sollte man keine Entscheide treffen, ohne vorher mit dem Veranstalter gesprochen zu haben.
 

Reiseversicherungen sollen Schutz vor Betrügereien und Schäden bieten. Wie sinnvoll sind sie?
Das unterscheidet sich je nach Reise. Für einen Flug à 400 Franken ist eine Versicherung vielleicht nicht nötig, weil man den Verlust tragen kann. Handelt es sich um eine längere, grössere und vor allem teure Reise, raten wir auf jeden Fall zu einer Annullationsversicherung mit Assistance. Bei Automieten sollte immer der Selbstbehalt ausgeschlossen werden. Ohne gute Absicherungen können sich Schäden im Zusammenhang mit Automieten als Fass ohne Boden erweisen.
 

Gibt es Fälle, bei denen Sie eine Vermittlung ablehnen?
Ja, in der Regel solche, die mit ausländischen Anbietern im Internet wie Airbnb zu tun haben. Denn es fehlt der Bezug zu einem Reiseunternehmen in der Schweiz. Ganz selten nehmen wir solche Anfragen gegen Vergütung unseres Aufwands an. Bei Direktbuchungen von Fluggesellschaften helfen wir manchmal, aber nur, wenn sie in einem Reisebüro oder direkt auf der Website der Airline getätigt wurden.
 

Mit welchen Branchenplayern sind Ihre Verhandlungen überdurchschnittlich zäh?
Gewisse Airlines sind sehr mühsam in der Zusammenarbeit und wollen die Klärung bewusst erschweren. Dazu gehören unter anderem Ryanair, Royal Air Maroc, Lufthansa, Iberia, ITA Airways und auch Swiss. Fairerweise muss ich sagen, dass sich die Zusammenarbeit mit Swiss nach anfänglich gröberen Schwierigkeiten stark verbessert hat. Selbstverständlich gibt es auch Reisebüros oder Veranstalter, die uns gelegentlich Steine in den Weg legen oder unsere Sicht der Dinge partout nicht teilen wollen. Bei Reedereien zu reklamieren, ist ebenfalls schwierig. Denn die meisten sind enorm träge und wollen als Vergütung nur Gutscheine sprechen.
 

Und mit welcher Art von Reisenden tun Sie sich schwer?
Wenn jemand die Haltung zeigt, unfehlbar oder unbelehrbar zu sein, wird es für uns schwierig. Es ist unsere Pflicht, immer beide Seiten anzuhören, damit wir uns ein genaues Bild zum Sachverhalt machen können. Eine Schlichtung geht nur mit Menschen, die sich geistig beweglich zeigen.