Martin Sellner, österreichischer Rechtsextremist, soll am 16. März im aargauischen Tegerfelden einen Vortrag zu Remigration halten. Doch dazu kommt es nicht. Die Aargauer Kantonspolizei führt den 35-Jährigen vorher ab und löst die Veranstaltung mit rund 100 Anwesenden auf.

Der Fall zeigt ein Dilemma auf – nämlich, wie der Rechtsstaat mit unpopulären Meinungen umgehen soll. Markus Schefer, Professor an der Uni Basel, bringt es auf den Punkt: «Nirgends ist die Meinungsfreiheit wichtiger als bei unpopulären Meinungen.»

Denn: Links- oder rechtsextrem sein ist in der Schweiz nicht illegal. «Zustimmung zur Meinung und Schutz der Meinung muss man klar trennen», so Schefer.

Öffentliche Sicherheit dient als Massstab

Das heisst im Umkehrschluss nicht, dass alles durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist. Wer zum Beispiel öffentlich zu Hass und Gewalt gegen bestimmte Personen aufruft, kann angezeigt und verurteilt werden. Das Strafrecht kann also Diskriminierungen ahnden, die bereits passiert sind.

Was aber, wenn jemand – wie Sellner – noch kein Wort gesagt hat? Darf der Staat einen rechtsextremistischen Vortrag oder eine linksautonome Demo präventiv verbieten? Ja, er kann. Aber die Hürden sind hoch. Sehr hoch. Der Massstab ist die öffentliche Sicherheit.

Wenn die Polizei davon ausgehen muss, dass es bei einer Veranstaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Gewalttätigkeiten kommt, kann sie einen Vortrag oder eine Demo unter Umständen im Vorfeld verbieten – und damit die Meinungsfreiheit aushebeln.

Das ist etwa der Fall, wenn das grosse Risiko besteht, dass wütende Teilnehmer randalierend durch die Strassen ziehen, Menschen bedrohen und Eigentum zerstören.

Schwaches Argument ins Feld geführt

Auf das Argument, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet gewesen sei, stützt sich im vorliegenden Fall die Kantonspolizei Aargau. Zusätzlich habe Sie eine Konfrontation mit Personen der Gegenseite verhindern wollen. Letzteres ist allerdings ein schwaches Argument. Die Meinungsäusserungsfreiheit darf laut Schefer nicht beschränkt werden, weil die andere Seite gewalttätig ist. «Sonst gibt man gerade der Gegenseite ein Vetorecht, wer reden darf und wer nicht.»

Auch das Bundesgericht sieht das so. Wo eine gewalttätige Gegendemo drohte, hat es schon entschieden, dass Veranstaltungen nicht hätten verboten werden dürfen, sondern dass die Polizei hätte genügend Personal aufbieten müssen, um Gewaltexzesse zu verhindern.

Für den Rechtsstaat ist Extremismus – jeglicher Art und Schattierung – ein Härtetest.