Zum Fremdschämen waren die Dinger schon immer. Jedenfalls wenn ein Erwachsener damit unterwegs war. Trottinette, diese bevorzugten Verkehrsmittel sämtlicher Start-up-Gründer bis zum Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Später sah man nur noch Kinder und Junkies auf Scootern durch die City flitzen. Und das war gut so.

Seit gut einem Jahr wähnt man sich nun aber in einem schlechten Zombiefilm: Die Plagegeister kehren zurück, zahlreicher als je zuvor – mit einem Elektromotor ausgerüstet. Sei es in Zürich oder in Basel: E-Scooter fahren Slalom um Passanten, verbarrikadieren Trottoirs, enden in Sommernächten im Fluss.

Losgetreten wurde der Hype an der US-Westküste, im Silicon Valley, wo jede Bieridee einen Business-Angel findet, der Millionen investiert, solange disruptive Technologie darin verbaut ist. E-Scooter, sagen die Managertypen und App-Programmierer, würden den Stadtverkehr revolutionieren E-Trottinette, E-Bikes & Co. «Wir müssen den Platz auf der Strasse neu verteilen» , dabei wertvolle Daten generieren, die Umwelt retten.

Notbremse in San Francisco

Der Trend schwappte schnell nach Europa über. Immer mehr Anbieter fluteten den Markt mit ihren Vehikeln, nächtens ausgelegt wie knallbunte Köder für Influencer. Mittlerweile gibt es die E-Scooter in vielen Grossstädten des alten Kontinents. Praktisch sind sie ja: Man lädt eine Software aufs Handy, hinterlegt eine Kreditkarte als Zahlungsmittel – los gehts. Wären da nur nicht die Probleme, der Ärger Strassenverkehr E-Trottinette ärgern Fussgänger-Lobby , die Unfälle.

Ausgerechnet in San Francisco, dem Ursprungsort der E-Scooter-Manie, passierte vor einem Jahr Erstaunliches. Die Behörden traten auf die Notbremse. Denn die Trotti-Ausleiher fuhren auf dem Trottoir statt auf dem Veloweg, stellten ihre Vehikel illegal ab und gefährdeten andere Verkehrsteilnehmer. Kurz: Es herrschte Chaos. Bird und Lime mussten ihre Scooter aus dem Verkehr ziehen, die Stadt formulierte Auflagen. Weniger Gefährte, erschwingliche Preise für Menschen, die nicht bei Google oder Facebook angestellt sind. Seit letztem Herbst sind in San Francisco nur noch zwei Anbieter zugelassen. Die Nutzerinnen und Nutzer aber sind immer noch die alten: Sie halten sich an keine Regel.

Tödlicher Unfall

Es ist wie mit dem Koch, der seine eigene Suppe verschmäht. Wenn die Kalifornier zurückbuchstabieren, sollten die Schweizer Verdacht schöpfen. Doch passiert hierzulande ebenso Erstaunliches: nämlich nichts. Ausgerechnet bei uns, wo alles tipptopp geregelt ist, schaut man jetzt erst mal zu. Oder, wie es das Basler Verkehrsdepartement gegenüber dem Nachrichtenportal «Watson» formuliert: lässt den Markt spielen. Hardcore-Liberale, die hinter jeder Regulierung die nächste Rezession befürchten, malen ein Schweizer Kreuz an die Decke. Fussgängervereine malen schwarz.

In Zürich sind mittlerweile über 1600 E-Scooter registriert, in Basel 800. Anders als der Spuk um die gelben Velos von O-Bike, der Zürich vor zwei Jahren heimsuchte, scheinen die E-Tretroller gekommen, um zu bleiben. Deshalb täten die Behörden gut daran, Lösungen zu finden. Damit sich die ohnehin oft gehässigen Konflikte auf dem Trottoir Kampf um Platz Velofahrer gegen Fussgänger gegen Autofahrer nicht noch weiter verschärfen.

In Frankreich geht man mit E-Trottinett-Anbietern weniger grosszügig um als in der Schweiz. Paris hat vor einigen Tagen ein komplettes Fahrverbot für E-Scooter auf Trottoirs erlassen. Bei Zuwiderhandeln wird eine saftige Busse fällig. Zuvor war es zu einem tödlichen Unfall gekommen, bei dem ein junger Mann mit seinem Roller in einen Lastwagen knallte.

Damit nicht genug. Eine Studie kommt zum Schluss, dass E-Scooter-Nutzer ihre Vehikel mehrheitlich für Strecken ausleihen, die sie sonst zu Fuss zurückgelegt hätten. Die Trottis, die die Revolution hätten bringen sollen, sorgen nicht für weniger Autoverkehr Verstopfte Strassen und überfüllte Züge Der Verkehrskollaps droht . Sondern derzeit vor allem für eins: weniger Sicherheit.

Mehr zu Verkehrsregeln bei Guider

Zu Verkehrsregeln existieren viele Mythen bei Fahrzeuglenkern. Guider räumt mit Unsicherheiten auf: Beobachter-Abonnenten informieren sich hier nicht nur über aktuelle Änderungen im Strassenverkehrsrecht, sondern sehen zum Beispiel auch im Bussenkatalog, wie hoch die Geldstrafe je nach Geschwindigkeitsüberschreitung ist.

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Peter Aeschlimann, Redaktor
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