Solls ein gebrauchtes iPad für 200 Franken sein? Eine WC-Schüssel für 20 Franken? (Ja, Sie haben richtig gelesen.) Oder eine Lidschattenpalette für 10 Franken? Das Angebot bei Marketplace, dem Online-Flohmarkt von Facebook, ist gross. Das Risiko, das man dort als Verkäufer wie auch als Käufer trägt, allerdings auch.

Wer etwas verkaufen will, lädt ein Bild des Gegenstands hoch, dazu eine kurze Beschreibung und den Kaufpreis, den man sich vorstellt. Wer etwas kaufen will, kann beim Inserat direkt mit dem Verkäufer via Facebook-Nachricht Kontakt aufnehmen. So weit, so einfach – doch es gibt einen Haken.

Ob Käufer oder Verkäufer, man weiss nicht unbedingt, mit wem man es zu tun hat. Viele Informationen gibt Facebook beim Marketplace nämlich nicht preis. Einzig, wie lange der Nutzer schon registriert ist und ein Link zu seinem öffentlichen Profil. Wie glaubwürdig das Gegenüber ist? Schwierig einzuschätzen, wenn keine gemeinsamen Freunde vorhanden sind. Im schlimmsten Fall könnte es sich also gar um einen gefälschten Account handeln.

Nicht wie Ricardo & Co.

Das ist dann auch einer der Unterschiede zu anderen ähnlichen Plattformen wie Ricardo oder eBay. Dort müssen Nutzer bei der Registration ihre Identität nachweisen und anhand der Bewertungen lässt sich leicht vergewissern, ob es sich um eine seriöse Person handelt. Zudem kassieren die beiden Portale vom Verkäufer eine Einstellgebühr sowie eine Provision bei erfolgreichem Verkauf.

Bei Facebook ist das nicht der Fall, der Marketplace ist gratis. Dafür zahlt man mit der «Währung» des Netzwerks: mit den persönlichen Daten. Dank der angeklickten Inserate lernt Facebook das Verhalten der einzelnen Nutzer besser kennen – und kann noch effizienter Werbeanzeigen ausspielen. Diese bescherten dem Unternehmen im Jahr 2016 rund 2,5 Milliarden Dollar Einnahmen.

Und man bezahlt mit dem Risiko, dass man über den Tisch gezogen wird. Facebook unterzieht neue Beiträge auf dem Marketplace zwar einer «umfassenden Überprüfung», stellt ansonsten aber lediglich den Kontakt zwischen Verkäufer und Interessenten her. Diese regeln anschliessend die Modalitäten untereinander. Springt der Käufer ab oder liefert der Verkäufer nicht, bietet Facebook einzig die Möglichkeit, den fehlbaren Nutzer zu melden. Beobachter-Expertin Nicole Müller rät: «Handeln Sie bei Facebook Marketplace nur mit Geldbeträgen, deren Verlust sie verschmerzen könnten.»

6 Fragen an Beobachter-Expertin Nicole Müller: «Die klassische Variante ist die sicherste»

Beobachter: Ist ein Kauf verbindlich, der lediglich über Facebook-Nachrichten vereinbart wird?
Nicole Müller: Ja. Es kommt ein gültiger Vertrag zustande, wenn sich Verkäufer und Käufer auf alle wesentlichen Punkte geeinigt haben - das heisst insbesondere über Kaufgegenstand und Preis. Eine Unterschrift ist nicht nötig.

Beobachter: Wer muss für die Versandkosten aufkommen?
Müller: Der Käufer, sofern es nicht anders abgemacht wurde.

Beobachter: Wie vermeide ich, dass ich schon geliefert oder bezahlt habe, und mich der andere dann sitzen lässt?
Müller: Am sichersten ist die klassische Variante – die Übergabe von Geld gegen Ware vor Ort. 

Beobachter: Was, wenn der Käufer wieder abspringt?
Müller: Das kann er nicht. Er hat kein Rücktrittsrecht, wenn es nicht vertraglich abgemacht ist. Der Verkäufer kann folglich auf dem Geld beharren. Doch wenn sich der Käufer weigert, wird es aus praktischen Gründen schwierig: Der Verkäufer müsste betreiben oder klagen. Das ist mit Kosten verbunden und lohnt sich bei kleinen Beträgen kaum.

Beobachter: Wie kann sich der Verkäufer sonst vor insolventen Käufern schützen?
Müller: Gewissheit gibt nur ein Betreibungsregisterauszug. Wem das zu mühsam ist, kann wenigstens im Telefonbuch nachschauen, ob in der Region jemanden mit dem Namen des Käufers wohnt – dann kennt er den Betreibungsort. Aber am besten handelt man nur mit Geldbeträgen, deren Verlust man verschmerzen kann.

Beobachter: Was sollten Verkäufer sonst noch beachten? 
Müller: Bei gebrauchten Produkten ist es sinnvoll, die Garantie vertraglich auszuschliessen. Es genügt, wenn der Verkäufer im Chat schreibt «jegliche Garantie ist ausgeschlossen» und der Käufer dies bestätigt. Der Verkäufer sollte sodann dem Käufer die ihm bekannten Mängel mitteilen.

Die Angebotspalette wächst und wächst

Dass Facebook seit diesem Sommer den Marketplace anbietet, ist nicht erstaunlich. Kauf-/Verkauf- und Tauschgruppen erfreuen sich auf der Social-Media-Plattform seit Jahren an riesiger Beliebtheit. Allein in der Schweiz sind mehrere zehntausend Nutzer Mitglied solcher Facebook-Gruppen.

In Amerika, Grossbritannien und Australien sollen laut Angaben von Facebook rund 550 Millionen User pro Monat den Marketplace nutzen. Deshalb hat Facebook seinen Flohmarkt in den USA bereits erweitert: Dort werden über den Marketplace inzwischen auch Gebrauchtwagen und Mietwohnungen angeboten.

Das rät Facebook zur Nutzung des Marketplace

Verkäufer:

  • Versenden Sie den Artikel erst, nachdem er vollständig bezahlt worden ist.
  • Teilen Sie dem Käufer die Lieferdauer, das Transportunternehmen und Tracking-Infos eindeutig mit.
  • Verwenden Sie gegebenenfalls eine «Zahlungsoption mit Einkaufsschutz».

 

Käufer:

  • Informieren Sie sich über den Verkäufer.
  • Vergewissern Sie sich, dass Sie den Zustand des Artikels genau kennen. Bitten Sie ansonsten den Verkäufer um weitere Informationen oder Bilder. Stellen Sie Fragen.
  • Recherchieren Sie, was der Artikel normalerweise kostet. Bietet der Verkäufer das Produkt zu günstig an, hat es wohl einen Grund.