Worum geht es beim Klima-Gesetz?

Am 18. Juni 2023 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über das sogenannte Klima- und Innovationsgesetz (KIG) ab. Das Hauptziel ist, Fördermassnahmen für die Reduktion von Treibhausgasen zu ergreifen. Denn die Schweiz soll bis 2050 klimaneutral werden.

Konkret will der Bund mit dem KIG den Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen mit zwei Milliarden Franken unterstützen. Auch Industrie und Gewerbe sollen profitieren: Für den Umstieg auf klimaschonende Technologien stehen 1,2 Milliarden Franken bereit. Daneben werden konkrete Zwischenziele für die Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 definiert und Massnahmen für die Anpassungen zum Schutz vor dem Klimawandel ergriffen – zum Beispiel im Hochwasserschutz oder zur Bewältigung von Trockenheit in der Landwirtschaft.

Gegen das KIG wurde das Referendum ergriffen, weshalb es an die Urne kommt.

Ist das Klima-Gesetz nicht das Gleiche wie die Gletscherinitiative?

Nein, aber die beiden sind eng miteinander verwandt und verwoben. Denn das KIG ist der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Diese wurde Ende 2019 mit über 113'000 Unterschriften eingereicht. Die Initiative wollte unter anderem fossile Brennstoffe wie Öl, Benzin, Diesel und Erdgas ab 2050 verbieten. Der Hintergrund: 2017 hat sich die Schweiz gemeinsam mit 194 Staaten im Pariser Klimaabkommen verpflichtet, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren. Die globale Erderwärmung soll gestoppt werden, so dass sie – wenn möglich – nicht mehr als 1,5° Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau liegt.

Gemäss dem Initiativkomitee braucht es ein «ambitioniertes Handeln», um dieses Ziel zu erreichen. Es rechnet vor, dass sich der Treibhausgasausstoss in der Schweiz pro Jahr um drei Prozent reduzieren müsste. Dieses Ziel wird bisher deutlich verfehlt: 2021 stiegen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr sogar um knapp drei Prozent.

Aus Sicht von Bundesrat und Parlament geht jedoch ein Verbot von fossilen Brennstoffen zu weit. Nach dem Volks-Nein zum CO2-Gesetz im Sommer 2021 (siehe unten) arbeiteten sie deshalb diesen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative aus. Mit dem Klima- und Innovationsgesetz will nun das Parlament die Energieversorgung sicherstellen, die Abhängigkeit von Energieimporten reduzieren und den Klimaschutz stärken.

Der Gegenvorschlag war offenbar griffig genug: Am 5. Oktober 2022 erklärte das Initiativkomitee der Gletscherinitiative, dass es seine Initiative bedingt zurückziehe – sofern das Gesetz an der Urne angenommen wird. Mit dem KIG sei ein «wirksamer und rascher Klimaschutz in der Schweiz möglich».

Zur gleichen Zeit ergriff die SVP gegen das Gesetz das Referendum.

Wer unterstützt das Klima-Gesetz?

Im Parlament wurde das KIG deutlich angenommen. Mit Ausnahme der SVP unterstützen alle im Parlament vertretenen Parteien den Vorschlag: SP, Grüne, Mitte, GLP und FDP. Auch verschiedene Verbände und Umweltorganisationen sind für das Klima-Gesetz: Nebst WWF, Greenpeace oder Pro Natura, unter anderem der grösste Schweizer Wirtschaftsverband Economiesuisse, die IG-Detailhandel – in der Coop, Migros und Denner vertreten sind – und der Schweizer Tourismus-Verband. Die Landwirtschaftskammer – das Parlament des Schweizer Bauernverbands – hat sich ebenfalls für das Gesetz ausgesprochen.

Das Ja-Komitee für das Klimaschutzgesetz argumentiert, dass der Klimaschutz «ein Gebot der Stunde» sei. «Je länger wir warten, desto schlimmer und teurer werden die Schäden durch den Klimawandel. Wenn wir aber heute in den Klimaschutz investieren, sparen wir zukünftig viel Geld.»

Die Befürworterinnen versprechen sich vom Gesetz auch Impulse für die Wirtschaft. «Das Gewerbe profitiert von Planungssicherheit und langfristig vollen Auftragsbüchern». Der Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen würde zudem den Energieverbrauch und damit die Kosten auch für Mieterinnen und Mieter sinken.

Wer bekämpft das Klima-Gesetz?

Als einzige grosse Partei wehrt sich die SVP gegen das Klimaschutzgesetz und bezeichnet es als «Stromfresser-Gesetz». Würde es angenommen, befürchtet die Partei einen Anstieg des Stromverbrauchs in der Schweiz, was negative Folgen hätte: Der Strommangel verschärfe sich, die Landschaft würde mit Solaranlagen und Windkraftwerken «verschandelt» und die Versorgungssicherheit sei in Gefahr.

Obwohl im Gesetz explizit keine Verbote vorgesehen sind, behauptet die SVP auf der Abstimmungswebseite: «Das extreme Gesetz führt zum Verbot der fossilen Energieträger wie Heizöl, Benzin, Diesel und Gas – obwohl kein Plan vorliegt, wie genug bezahlbarer Strom für die elektrischen Autos, Wärmepumpen etc. produziert werden soll.»

Vor allem wäre das geplante Gesetz mit grossen Mehrkosten für die Bevölkerung verbunden, schreibt das Nein-Komitee und warnt vor 6600 Franken Zusatzkosten pro Person und Jahr. Um das zu unterstreichen, verweisen die Gegner der Vorlage auf zwei Papiere: eine Studie der Schweizer Bankiervereinigung und eine Vergleichsrechnung des EPFL-Professors Andreas Züttel. Ob diese beiden Studien aber als Belege taugen, ist umstritten. Sie untersuchen zwar die Konsequenzen einer klimaneutralen Schweiz im Allgemeinen – sei es hinsichtlich der nötigen Investitionen oder der benötigten Energiequellen. Doch die Studien beziehen sich nicht auf die Auswirkungen des zur Abstimmung stehenden KIG. Die Zahlen der SVP hätten «keinen Realitätsbezug», kritisiert Reto Knutti, Klimaexperte und Professor an der ETH Zürich. Im Gegenteil: Die Ergebnisse der Studien würden von der SVP aus dem Kontext gerissen. Die Partei ziehe falsche Schlussfolgerungen, wehrt sich die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), an der Andreas Züttel forscht.

Ebenfalls gegen das Gesetz ist der Hauseigentümerverband der Schweiz (HEV). Obwohl insbesondere Hauseigentümerinnen vom Gesetz durch Fördermassnahmen profitieren würden, bemängelt der HEV die «überregulierenden Zwischenziele» zur Reduktion von Treibhausgasen. Zudem würden «vor allem auch ältere Wohneigentümer, die meist auch in entsprechend älteren Bauten leben, unter einen massiven gesetzlichen Vollzugsdruck geraten».

Zu ambitionierte Absenkpfade in der Kritik
Netto Null schrittweise bis 2050

Welche Massnahmen sind im Klima-Gesetz enthalten? Und wer bezahlt das?

Im Zentrum des KIG stehen zwei Fördergefässe. Zum einen werden alle Hauseigentümerinnen, die ihre Öl-, Gas- oder Elektroheizungen durch eine klimaschonende Alternative ersetzen, pro Jahr mit 200 Millionen Franken unterstützt. Und das während den nächsten zehn Jahren. Das ist keine komplett neue Fördermassnahme für Energieeffizienz in der Schweiz. Bereits heute fliessen rund 520 Millionen Franken pro Jahr über die Rückverteilung der CO2-Abgabe in energetische Gebäudesanierungen. Daran ändert sich nichts.

Zum anderen bekommen mit dem KIG Industrie und Gewerbe bis zu 200 Millionen Franken Unterstützung pro Jahr, wenn sie in innovative klimaschonende Technologien investieren. Dies aber nur während sechs Jahren.

Mit dem KIG werden zudem Massnahmen zum Schutz von Natur und Mensch gegen die Folgen der Klimaerwärmung ergriffen – sogenannte Adaptionsmassnahmen. Denn die Schweiz ist aufgrund der Klimaerwärmung bereits heute durch Murgänge, Hochwasser, Starkniederschläge, Hitzewellen und Bergstürzen bedroht.

All dies soll aus dem allgemeinen Bundesbudget finanziert werden – ohne dass neue Steuern, Gebühren und Abgaben erhoben werden.

Wir haben vor zwei Jahren über das CO2-Gesetz abgestimmt. Was ist jetzt anders?

Das CO2-Gesetz Abstimmung vom 13. Juni 2021 Was Sie über das CO2-Gesetz wissen müssen  von damals hatte ähnliche Ziele wie das KIG, sah jedoch nebst einem Klimafonds mit Fördermassnahmen auch Vorschriften und Verbote vor: Darunter eine höhere CO2-Abgabe, eine Flugticketabgabe, eine Kompensationspflicht für Treibstoffimporteure sowie Vorgaben für Gebäude und effizientere Fahrzeuge.

Mit diesem Paket konnte das Parlament das Stimmvolk nicht überzeugen. An der Urne scheiterte das Gesetz knapp mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen. Bereits damals engagierte sich die SVP als Gegnerin des Gesetzes. Andere – wie der Wirtschaftsverband economiesuisse oder die Swiss – waren 2021 gegen das CO2-Gesetz und unterstützen heute das KIG.

Was passiert bei einem Nein zum Klima-Gesetz?

Das KIG umfasst die wichtigsten Instrumente für den Schweizer Klimaschutz. Es definiert Absenkpfade und Verpflichtungen des Bundes. Und es stellt Geld bereit, um schnell klimaschonende Massnahmen zu ergreifen. Wird es an der Urne abgelehnt, hat die Schweiz weiterhin keinen konkreten Plan, wie sie das Pariser Klimaabkommen einhalten und die nötigen Schritte gegen die Klimaerwärmung einleiten will.

Die Gletscherinitiative wurde zudem nur bedingt zurückgezogen. Das heisst: Wird das KIG abgelehnt, käme die Initiative wieder auf den Tisch und wir würden im Jahr 2024 über die entsprechende Verfassungsänderung abstimmen.

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