Die Schweiz muss jetzt dringend für eine sichere, eigenständige und umwelt- und klimaschonende Stromversorgung sorgen»: Das fordern die Initiantinnen und Initianten der Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)», für die zurzeit Unterschriften gesammelt werden. Hinter der Initiative stehen Personen aus dem Umfeld des Energie-Clubs, eines erst vor wenigen Jahren gegründeten, aber finanziell gut gestellten Vereins der Atomlobby (siehe Info Box «Die Atomlobby spielt Verstecken»).

Das Initiativkomitee wirbt auf sozialen Medien intensiv um Stimmen. In den letzten Wochen postete das Komitee auf Facebook, Instagram und Twitter jedoch nicht nur eigene Inhalte, sondern nutzte auch kurze Ausschnitte aus der Satiresendung «Deville» von SRF vom 19. März 2023. Diese Posts wurden auch auf Facebook und Instagram beworben. Allein zwischen Mitte März und Mitte April gab das Initiativkomitee auf den beiden Plattformen zusammen knapp 3200 Franken für Werbung aus.

Aus dem Zusammenhang gerissen

In den verwendeten Ausschnitten wird der Eindruck erweckt, dass Moderator Dominic Deville über ein Revival der Atomkraft berichtet und die Initiative befürwortet. So ist unter anderem zu sehen, wie er auf eine Umfrage des Instituts Sotomo verweist, wonach Jugendliche wieder vermehrt Atomkraft befürworten. Am Schluss wird denn auch die Website von «Blackout stoppen» eingeblendet.

Die Atomlobby spielt Verstecken

Im Initiativkomitee von «Blackout stoppen» sitzen Nationalräte wie Christian Imark (SVP, SO) und Marcel Dobler (FDP, SG), Ständerat Peter Hegglin (Mitte, ZG) und der ehemalige stellvertretende Direktor der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA, Bruno Pellaud. 

Mit von der Partie ist auch Daniel Aegerter: Der Investor, dessen Vermögen von der «Bilanz» auf 500 bis 600 Millionen Franken geschätzt wird, hat sich unter anderem dafür starkgemacht, dass die EU die Atomenergie als umweltfreundlich einstufte

Hinter der Initiative steckt laut Website eine «Stiftung für eine sichere Stromversorgung». Diese ist jedoch nicht wie vorgeschrieben im Handelsregister eingetragen, sondern gibt an, eine Unterstiftung der in Zürich beheimateten Fondation des Fondateurs zu sein. Über die Mitglieder des Stiftungsrats schweigt sich «Blackout stoppen» aus. Es handle sich um Mitglieder des Energie-Clubs Schweiz, schreibt dessen Präsidentin Vanessa Meury auf Anfrage: «Aus Datenschutzgründen verzichten wir auf die Zustellung einer Mitgliederliste.»

Die Adresse des Initiativkomitees lautet auf das Postfach 1408 in 8021 Zürich. Unter dieser Adresse operierte 2021 auch das Wirtschaftskomitee der Öl-, Gas- und Automobilbranche, das sich – unter anderem mit dem heutigen Energieminister Albert Rösti als prominentem Gesicht – gegen das CO2-Gesetz starkmachte. 

Im vergangenen Februar deckte die «Rundschau» auf, dass das Initiativkomitee allein im Dezember 2022 für 10 000 Unterschriften rund 75 000 Franken an eine auf Unterschriftensammlung spezialisierte Firma bezahlt hatte.

Die zitierten Passagen sind aus dem Zusammenhang gerissen. Tatsächlich macht sich Deville nur Sekunden später über die «Atomjugend» lustig: «Ihr macht euch Sorgen um die radikale Klimajugend oder Neonazis wie die ‹Neue Tat› und ‹Eisenjugend›?», fragt er: «Das ist alles Pipifax. Jetzt kommt die Atomjugend!»

Es dürfte eine Aussage sein, die den Initiantinnen und Initianten von «Blackout stoppen» deutlich weniger in den Kram passt. Entsprechend wird sie in den Facebook- und Instagram-Posts des Komitees nicht gezeigt.

Deville und SRF findens nicht lustig

Dominic Deville hat die Posts von «Blackout stoppen» gesehen. Sie brächten ihn «nicht unbedingt zum Strahlen», sagt er: «Letztlich stehen hinter der Initiative genau diejenigen Kreise, die mir immer wieder vorwerfen, dass ich als Satiriker alles aus dem Kontext reisse. Und jetzt machen sie genau dies.»

Auch SRF ist nicht amüsiert, dass das Initiativkomitee Ausschnitte aus «Deville» verwendet. Die Unabhängigkeit gehöre zu den zentralen Werten journalistischer Arbeit, sagt Mediensprecher Florian Ott. SRF erlaube deshalb grundsätzlich keine Nutzung seiner Inhalte für politische oder kommerzielle Werbung: «SRF prüft nun rechtliche Schritte.»

Der Energie-Club Schweiz gibt sich gelassen. Man sei davon ausgegangen, dass «die Verwendung des Materials kein Problem darstellt», schreibt Präsidentin Vanessa Meury auf Anfrage: «Die Vertreter unseres Komitees wurden von SRF auch nicht gefragt, ob die in der Sendung eingeblendeten Porträtbilder und Materialien verwendet werden dürfen.» Falls die Verwendung des Materials ein Problem darstelle, könnten die Verantwortlichen von SRF «gern gutschweizerisch mit dem Initiativkomitee Kontakt aufnehmen».