Der Trick ist uralt und jedem geläufig, der schon einmal ein paar Stunden in einem Ratssaal verbracht und einer politischen Debatte zugehört hat: Wenn man einen Vorschlag eines politischen Gegenspielers auf keinen Fall in einem Gesetz haben will, lobt man in einer ersten Phase das Bemühen des Initianten und betont, wie wichtig die Vorlage sei. In Phase 2 zerpflückt man das Vorhaben Punkt für Punkt und erklärt, warum die Vorlage eben gerade nicht zum Ziel führt. Und schliesslich bringt man in Phase 3 einen Gegenvorschlag ein, der dermassen absurd ist und die Sache ins Gegenteil verkehrt, dass sich Gegnerinnen und Befürworter der ursprünglichen Formulierung zusammenschliessen und die Sache mit einer satten Mehrheit beerdigen.

In der Debatte über einen indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative hat die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat wieder einmal ein Lehrbuch-Beispiel eines derartigen Ränkespiels an den Tag gelegt.

Transparenz preisen, aber nicht leben

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Die von linksgrünen Kreisen unter Führung der SP eingereichte Transparenzinitiative verlangt, dass Zuwendungen an Parteien und Politikerinnen für Wahl- und Abstimmungskampagnen, die 10 000 Franken übersteigen, offengelegt und der Name des Spenders genannt werden muss. Dies gilt jedoch nur, wenn die Kampagne mehr als 100 000 Franken kostet.

Der Volksinitiative setzte der Ständerat – und hier sind wir bei Phase 2 – einen indirekten Gegenvorschlag mit deutlich höheren Limiten gegenüber. Nach dem Willen der kleinen Kammer sollten die Limiten bei 25'000 und 250'000 Franken liegen. Selbstverständlich vergass man schon damals nicht zu betonen, wie wichtig Transparenz eigentlich sei, nur schiesse die Initiative leider übers Ziel hinaus und überhaupt.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit platzierten die Damen und Herren Ständeräte dabei eine Ausnahmeklausel im Gesetz: Weil ihre Wahl eine kantonale und nicht eine nationale Angelegenheit sei, seien sie selbst von den Bestimmungen ausgenommen, befanden Ständerätinnen und -räte damals.

Absurde Argumentation

Wie viel die bürgerliche Mehrheit im Parlament von einer Offenlegung ihrer Finanzen bei Wahlen und Abstimmungen hält – nämlich gar nichts –, trat aber erst bei der Debatte im Nationalrat so richtig zutage. Nicht nur verwässerte die vorberatende Kommission die Vorlage weiter, indem sie effektive Kontrollen und Sanktionen beim Nichteinhalten der Bestimmungen kurzerhand abschaffen wollte. Sie schlug auch gleich noch vor, dass man die Herkunft der Gelder gar nicht offenlegen müsse – und zog damit dem Vorschlag auch noch den letzten Zahn.

Die dafür vorgebrachten Argumente: ziemlich absurd. Die Initiative laufe auf eine staatliche Parteienfinanzierung hinaus, behauptete etwa Marianne Binder-Keller (CVP), ohne dies auch nur ansatzweise zu erklären. Gregor Rutz (SVP) wiederum warnte vor einem Angriff auf die «Grundwerte» der Schweiz, nämlich Privatsphäre und politische Freiheit. Und FDP-Mann Andri Silberschmidt sah durch die Initiative nicht weniger als das Milizprinzip in Frage gestellt und beschwor die «Tradition von Datenschutz und privater Parteienfinanzierung.» Dass mittlerweile sechs Kantone entsprechende Gesetze kennen und dabei weder die Revolution ausgebrochen noch die politische Landschaft umgepflügt wurde, war kaum ein Wort wert.

Damit war Phase 3 endgültig erreicht und das Gesetz derart zahnlos, dass sich Gegnerinnen und Befürworter von mehr Transparenz bei den Parteifinanzen getrost verbünden und in der Schlussabstimmung den Gesetzesentwurf hochkant ablehnen konnten. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat. Die Hoffnung, dass dieser Einsicht zeigt und ein Transparenzgesetz präsentiert, das den Namen verdient, ist allerdings äusserst gering.


Beobachter-Redaktor Thomas Angeli ist Co-Präsident der Transparenzplattform Lobbywatch.

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