Am 1. Oktober 2016 hat die Schweiz die sogenannte beweissichere Atem-Alkoholkontrolle eingeführt. Die seit dann eingesetzten Atem-Alkoholmessgeräte können den Alkoholgehalt der Atemluft so genau und zuverlässig messen, dass das Resultat vor Gericht als beweissicher gilt. Damit entfällt in der Regel die Blutkontrolle in einem Spital. Diese musste bis dahin bei Atem-Testwerten über 0,5 Promille durchgeführt werden, weil die herkömmlichen «Röhrchen» als Beweis vor Gericht nicht zulässig sind.

Nun zeigt aber ein Bericht der SonntagsZeitung, dass in etlichen Kantonen die Polizei die neuen Geräte nur selten oder gar nicht erst einsetzt – weil sie zu gross für den Transport in Patrouillenfahrzeugen sind. Ist bei einer Kontrolle also ein beweissicherer Atem-Alkoholtest notwendig, müssen angetrunkene Lenker zuerst zu den in Polizeistützpunkten platzierten Messgeräten gefahren werden.

Wie funktionieren die 2016 eingeführten Messgeräte?

Die Atem-Alkoholmessgeräte führen innerhalb von wenigen Sekunden zwei unabhängige Messungen mit der gleichen Atemprobe durch. Messfehler können dabei ausgeschlossen werden. Denn: Nur wenn beide Messungen den gleichen Wert anzeigen, wird ein gültiges Resultat angezeigt. Wichtig zu wissen: «Die Polizei muss bei den Alkoholkontrollen darauf hinweisen, dass man auf eine Blutprobe bestehen kann, wenn man dem Ergebnis der Atemmessung trotzdem nicht traut», erklärt Beobachter-Experte Daniel Leiser.

In der Kritik stehen zudem die angepassten Richtwerte. Zeigten die früheren Geräte noch Promillewerte an (Gramm Alkohol pro Gramm Blut), weisen die moderneren die Menge Alkohol pro Liter Atemluft (mg/l) aus. Die Messwerte wurden deshalb neu berechnet – und zwar indem die Zahlen halbiert wurden: 0,8 Promille entsprechen 0,4 Milligramm pro Liter. 0,5 Promille Blutalkohol sind 0,25 Milligramm pro Liter Atemluft.

Diese einfache Umrechnung geht allerdings nicht auf. Eine im Herbst 2016 veröffentlichte Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern ergab, dass 87 Prozent der getesteten Lenker mit dem neuen Atemlufttest erheblich besser wegkommen. Es verglich die Proben von 1049 Personen, von denen sowohl eine Atemluft- als auch eine Blutprobe vorlag. Ergebnis: Bei einem Lenker mit 1,6 Promille zeigt das neue Messgerät einen Wert von 0,68 mg/l an. Basierend auf der Berechnung der neuen Richtwerte hätte dieser jedoch 0,80 mg/l betragen müssen. Ein Unterschied von 17,6 Prozent zugunsten des alkoholisierten Fahrers.

Aus diesem Grund plädierte die Studie für tiefere Richtwerte. Davon will das Bundesamt für Strassen (Astra) aber nichts wissen. Die Werte seien vom Parlament bewusst gewählt worden, damit niemand mit der Atem-Alkoholprobe strenger bestraft werde.

Ungenaues Gespür für Medikamente und Drogen

Kritik kommt nicht nur aus Bern, sondern auch vom Institut für Rechtsmedizin aus Zürich. Da die beweissicheren Atemmessgeräte nicht in der Lage sind, die Einnahme von Drogen oder Medikamenten nachzuweisen, müssen Kontrolleure vor Ort selbst entscheiden, ob eine Blutprobe veranlasst wird. Dieses Gespür lässt sie jedoch regelmässig im Stich. So zeigen neuere Studien des Zürcher Instituts, dass weder ein Polizist noch ein Arzt unterscheiden konnten, ob ein Lenker nur Alkohol konsumiert hat oder auch unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss steht. In über einem Viertel der geprüften Fälle wurde dies deshalb übersehen, stellte Thomas Kraemer, Leiter Forensische Pharmakologie & Toxikologie des Instituts, im Jahresbericht 2016 der Staatsanwaltschaft Zürich fest und prognostizierte «eher eine Verschlechterung der Sicherheit» durch die neuen Alkoholmesskontrollen.

Diese Tendenz dementiert das Astra. Im ersten Halbjahr 2017 habe es deutlich weniger Schwerverletzte wegen Alkoholeinfluss (124) gegeben als noch im Vorjahr (171). Und auch grundsätzlich stossen die neuen Messkontrollen laut Polizeiangaben nicht nur bei den Lenkern auf grosse Akzeptanz. Sie vereinfachen das Kontrollverfahren, innert wenigen Minuten liegt das Resultat vor und sie sind zudem um Einiges billiger als eine Blutentnahme im Spital.

So läuft eine Alkoholkontrolle ab

Wer in eine Kontrolle kommt, muss wie früher in der Regel zuerst in ein kleines Testgerät («Röhrchen») blasen.

  • Liegt der Wert unter 0,25mg/l (= 0,5 Promille), kann der Getestete weiterfahren. (Ausnahme: Personen, die dem Alkoholverbot unterstehen wie z.B. Neulenker oder Berufschauffeure, bei denen ein Wert von mehr als 0,05mg/l festgestellt wurde)
     
  • Liegt der Wert zwischen 0,25mg/l und 0,39mg/l (= zwischen 0,5 und 0,79 Promille), kann das Resultat vom Fahrzeuglenker – ohne weitere Messung – mit Unterschrift anerkannt werden. Tut er das nicht, kommt die beweissichere Kontrolle mit dem neuen Messgerät ins Spiel – statt wie früher die Blutentnahme im Spital.
     
  • Liegt der Wert bei 0,4mg/l oder mehr (= mehr als 0,8 Promille) wird eine beweissichere Atem-Alkoholprobe durchgeführt – statt wie bisher die Blutentnahme im Spital.
Wann kommt trotzdem die Blutprobe zum Einsatz?

Die Polizei kann weiterhin eine Blutkontrolle anordnen, wenn Verdacht auf Betäubungsmittel- oder Medikamentenkonsum besteht oder ein Lenker aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, in das Messgerät zu blasen – z.B. wegen einer Atemwegserkrankung oder nach einem Unfall. Dasselbe gilt beim sogenannten Nachtrunk.

Mehr zu Fahren in angetrunkenem Zustand bei Guider

Bei Alkohol am Steuer gibt es so gut wie keine Entschuldigung, weshalb strikte Grenzwerte gelten. Abonnenten des Beobachters erfahren mithilfe eines Merkblatts, wie hoch sich die Bussen je nach Promillegehalt belaufen, wann der Fahrausweis weg ist und weshalb schon eine tiefe Alkoholkonzentration als Fahren im angetrunkenen Zustand (FiaZ) angesehen werden kann.