Ein Gartenrestaurant im Mittelland, ein schattiger Platz unter Bäumen. Eigentlich habe er mit der ganzen Sache abgeschlossen, sagt der Mann am Tisch. Alles Material vernichtet, den Ärger zu entsorgen versucht. Denn was da geschehe, das sei nicht sauber. Und hochgefährlich dazu.

Martin Tanner * ist Techniker und hat jahrzehntelang regelmässig im Atomkraftwerk Gösgen gearbeitet, das von der Alpiq betrieben wird. Er weiss viel – «zu viel», wie er sagt. Als 2016 bei einem Funktionstest eine Brandschutzklappe nicht richtig funktionierte, erstaunte ihn das nicht im Geringsten. «Das ist eine Riesengefahr.»

Selbst ein kleiner Brand kann in einem AKW schnell zur Katastrophe werden. Kabel können Feuer fangen, Rauch und Radioaktivität sich ausbreiten, Steuerungen ausfallen, und die Anlage kann ausser Kontrolle geraten. Um das zu verhindern, versucht man in AKWs Brände zu isolieren, indem man Zu- und Abluftkanäle mit Brandschutzklappen ausrüstet, die bei einem Feuer automatisch schliessen.

Wie gefährlich ein Brand in einem AKW werden kann, wenn die Abschottung nicht funktioniert, zeigte sich in Mühleberg AKW Mühleberg Bitte keine Fotos! . Bei der Inbetriebnahme 1971 brach im Maschinenraum ein Feuer aus, das sich wegen fehlender Abschottungen innert Minuten ausbreitete und nur mit viel Mühe unter Kontrolle gebracht werden konnte. Die Schweiz entging damals nur knapp einer Nuklearkatastrophe.

Die Methode bleibt geheim

In Gösgen verlangte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi nach dem fehlgeschlagenen Funktionstest von 2016 ein umfassendes Sanierungskonzept für alle rund 500 Brandschutzklappen. Die geplanten Arbeiten wurden vor kurzem bewilligt und können beginnen. Wie die brandgefährlichen Schwachstellen behoben werden, darf die Öffentlichkeit aber nicht erfahren. Man werde «erst nach Abschluss der Arbeiten zu den Brandschutzklappen ausführlich orientieren», erklärt Ensi-Sprecher Christoph Trösch. Erst 2024 will man sagen, was Sache ist.

Die Heimlichtuerei überrascht Martin Tanner nicht. Er lehnt sich im Stuhl zurück und sagt: «Diese Klappen kann man gar nicht sanieren, die muss man ersetzen. Und das ist eine riesige Übung. Wenn die ehrlich wären, würden sie das AKW einfach stilllegen.»

Tanner geht davon aus, dass alle Brandschutzklappen ersetzt werden müssen, damit die Sicherheit des AKWs Atomkraftwerke Laut Studie ungenügender Notfallschutz gewährleistet werden kann. Denn das Gesetz verlangt, dass die Anlage immer auf dem neusten Stand der Technik ist. Anders dürfte das Atomkraftwerk gar nicht betrieben werden.

Die vorhandenen Klappen jedoch stammen aus den siebziger Jahren und sind technisch veraltet. So werden die allermeisten Klappen in Gösgen immer noch durch ein Schmelzlot ausgelöst, das erst reagiert, wenn die Raumtemperatur auf über 70 Grad steigt. Moderne Brandschutzklappen reagieren dagegen auf Hitze, Rauch und Gas.

«Radioaktivität zu hoch»

Hinzu kommt ein ganz grundsätzliches Problem: Die alten Klappen lassen sich nicht einfach ausbauen und durch neue ersetzen. Die meisten sind fix in die Wände einbetoniert und müssen herausgefräst werden. «Die Wanddicke beträgt bei einigen Klappen einen Meter oder mehr», sagt Martin Tanner, «da muss man das ganze Werk abschalten.»

Der Aufwand für den Ein- und Ausbau sei riesig. An gewissen Orten dürfte der Ersatz der über 40 Jahre alten Brandschutzklappen nach Einschätzung von Tanner so gut wie unmöglich sein. Denn: «Im Reaktorgebäude ist die Radioaktivität an einigen Stellen schlicht zu hoch.»

Bei den Klappen, die ausgewechselt werden können, gibt es ein weiteres Hindernis: die exorbitanten Kosten für die Prüfung. Da es sich in vielen Fällen um Sonderanfertigungen handelt, muss jede einzelne Klappe von einer zertifizierten Firma geprüft werden. Die Prüfung dürfte allein gegen 170'000 Franken kosten, schätzt Martin Tanner, dazu mehrere Zehntausend Franken für den Papierkram – pro Klappe, wohlgemerkt. Eine Klappe zu ersetzen, könnte damit gut und gerne eine halbe Million Franken kosten. Der Ersatz aller 500 Stück würde sich damit auf eine Viertelmilliarde summieren.

«Stilllegen wäre die einfachste Lösung», sagt Martin Tanner noch einmal.

Brandschutzklappen enthalten Asbest

Überprüfen lassen sich seine Angaben nicht. Die Medienstellen des AKWs Gösgen und der Aufsichtsbehörde Ensi geben sich zugeknöpft: «Im Rahmen des Alterungsmanagements werden etwa 500 Brandschutzklappen ausgetauscht und fachgerecht entsorgt», erklärt Sprecherin Barbara Kreyenbühl lediglich. Die Frage nach den Kosten ignoriert sie. Ihr einziger Kommentar: Die nötigten Mittel seien «vom Verwaltungsrat freigegeben».

Die schwierigen und teuren Arbeiten, um die alten Brandschutzklappen zu ersetzen, sind nicht das einzige Problem, das im AKW Gösgen Sorgen bereitet. Als Erschwernis kommt das Material hinzu, aus dem die Klappen und deren Dichtungen gefertigt sind: Asbest.

Beim Bau des AKWs in den siebziger Jahren war Asbest wegen seiner feuerhemmenden Wirkung ein beliebter Baustoff. Über die Gefährlichkeit war nur wenig bekannt, und wenn, dann gewichtete man die Vorteile höher als die Nachteile. Erschwerend ist, dass in Brandschutzklappen schwach gebundener Asbest verbaut wurde, der einen besonders hohen Anteil der gefährlichen Fasern aufweist.
 

«Wenn die ehrlich wären, würden sie das AKW einfach stilllegen.»

Martin Tanner*


Der krebserregende Stoff ist auch in den 500 Brandschutzklappen im AKW Gösgen verbaut – und die Gefahr entsteht nicht erst, wenn die Teile ausgebaut werden. «Bei solchen Klappen können jedes Mal, wenn das Klappenblatt fällt, Asbestfasern freigesetzt werden», sagt der Experte Sven Bünger vom Baustoffberatungszentrum Rheinland.

Auf das AKW Gösgen bezogen heisst das: Bei jedem Funktionstest droht die Gefahr, dass sich Asbestfasern von den mittlerweile über 40-jährigen Brandschutzklappen und den ebenfalls asbesthaltigen Dichtungen lösen und in Raumluft gelangen. Und weil in einem Atomkraftwerk ein Unterdruck herrscht, bleiben die Fasern dort – als tödliche Gefahr für die Mitarbeitenden Asbest Das Geld fliesst nur zäh .

«Schlicht nicht wahr»

Im AKW Gösgen spielt man die Gefahr herunter. Die betreffenden Brandschutzklappen würden «keine freiliegenden Asbestteile» aufweisen, sagt Sprecherin Kreyenbühl. «Das Klappenblatt besteht aus einem blechummantelten Asbestkern, und die Brandschutzklappen haben keine asbesthaltigen Dichtungen.» Folglich seien auch keine Asbestsanierungen notwendig Asbestopfer-Entschädigung «Es braucht weitere Zugeständnisse» . Das sei «schlicht nicht wahr», sagt Informant Martin Tanner. «Ich war selber dabei, als man freiliegende Asbestteile feststellte.»

Auch Asbestspezialist Sven Bünger zweifelt, obwohl er die Anlage selber nicht kennt: «Die Wahrscheinlichkeit, dass die Dichtungen asbesthaltig sind, ist meiner Meinung nach hoch.»

Unabhängig davon, wo und wie viel Asbest in Gösgen verbaut ist: Der neuste Aufsichtsbericht des Ensi über die Sicherheit der Schweizer Atomanlagen bringt weitere Fehlfunktionen von Brandschutzklappen im AKW Gösgen zum Vorschein. Bei Tests im Jahr 2018 haben 9 von 137 untersuchten Brandschutzklappen bei der ersten Prüfung nicht vollständig funktioniert, heisst es dort. «Nach einer Wartung erfüllten sie die Anforderungen.» Fragt sich bloss, wie hoch sie waren.


* Name geändert

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Thomas Angeli, Redaktor
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