Mild scheint die Herbstsonne auf blumengeschmückte Bauernhäuser und prächtige Apfelbäume. Grunzend suchen Schweine nach Fallobst. Ein Hahn stolziert über den Hof, die Hennen scharren im Sand.

Die Welt ist heil auf dem Ballenberg, dem Freilichtmuseum über dem Brienzersee. Hier ist ein bäuerliches Leben konserviert, das es so heute nicht mehr gibt. Der Dichter Jeremias Gotthelf (1797–1854) ist allgegenwärtig – Erinnerungen an Szenen aus Filmen der fünfziger Jahre sind präsent: Vreneli auf der Hofstatt, Ueli der Pächter beim Melken einer «glücklichen» Kuh.

Für unsere Nutztiere sieht die Realität anders aus. Die Kuh von heute hat keinen Namen mehr. Sie ist eine Produktionseinheit, eine Nummer, im Zuchtbuch eingetragen als CH 460.0182.6294.8 beispielsweise. Sie ist eine von 720'000 Schweizer Kühen und als Nutztier auf Ertrag getrimmt.

Weltweit hat sich der Fleischkonsum zwischen 1990 und 2007 nahezu verdoppelt. Auch hierzulande ist die Lust auf Fleisch weiterhin gross: Statistisch gerechnet, verzehrt der Durchschnittsschweizer im Laufe seines Lebens acht Rinder, 33 Schweine, sechs Schafe, zwei Ziegen, ein halbes Pferd, 25 Kaninchen, 720 Hühner und etwa 390 Fische. Auch die Produktion von Milch und Milchprodukten ist enorm. 2007 hat die Schweizer Landwirtschaft 3,4 Millionen Tonnen Milch produziert, rund eine halbe Tonne pro Einwohner.

Solche Dimensionen sind mit Methoden à la Gotthelf schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu bewältigen. Um die riesige Nachfrage zu befriedigen, muss immer mehr, immer schneller und immer billiger produziert werden. Ökonomen nennen das Optimierung – unbesehen, ob man Autos oder Lebensmittel herstellt. Entsprechend hat auch die Nutztierindustrie Abläufe und «Material» ständig verbessert – im Sinn des Ertrags, nicht des Tiers.

Das Rind (klicken Sie auf das Bild für die Infos als PDF-Dokument)

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Hightech im Stall

So steht Kuh CH 460.0182.6294.8 in einem automatisierten Stall und wird von einem Roboter gemolken. Die Hightech-Anlage analysiert während der Milchentnahme das Produkt auf Fettgehalt, Milchfluss, Milchmenge, elektrische Leitfähigkeit und eventuelle Blutbeimengungen. Der Bauer geht derweil seinem Zweiterwerb als Forstarbeiter oder Lastwagenfahrer nach.

Knapp 6000 Liter Milch liefert heute die Schweizer Kuh im Schnitt. Von einer Hochleistungskuh darf der Bauer gar 10'000 Liter Milch erwarten – rund doppelt so viel, wie ihre Vorläuferin vor 30 Jahren lieferte. Dafür verabreicht der Produzent seinen Tieren ausgewähltes Futter, in dem auch Zusatzprodukte eine Rolle spielen, zum Beispiel das «pansenstabile Fett Bewi-Spray – 99 FA zur Optimierung des Energiehaushalts». Streng nach Plan machtCH 460.0182.6294.8 ihren Weg, von der Zeugung bis zum Schlachthaus.

Tiere ab Fliessband, Lebensmittelproduktion mit Hightech-Methoden: Bei vielen Konsumenten regen sich ungute Gefühle, vor allem, wenn es um die Fleischproduktion geht. Wohl nimmt das Verlangen nach natürlicheren Lebensmitteln zu, doch nur zu gerne vertraut man der Werbung, die idyllische Zustände in Schweizer Ställen suggeriert. Zwar wächst der Biomarkt, macht aber gerade mal 0,7 Prozent des gesamten Schweizer Lebensmittelmarkts aus. Und für das Gros der Tiere ändert auch Bio nicht viel.

Massenproduktion von Fleisch ist ohne Massentierhaltung nicht zu haben. So stammen die meisten Schweizer Poulets aus Mastbetrieben mit 5000 bis 12'000 Hühnern. Selbst Biohöfe dürfen bis 2000 Legehennen oder 4000 Masthühner in einer einzigen Halle halten – was in der Welt der industriellen Geflügelmast als klein gilt. Ungarische Hühner teilen sich ihr Revier mit bis zu 100'000 Artgenossen.

Auch Schweine leben oft in Hundertschaften. Grossmästereien füttern bis zu 500 Tiere in einem Stall gleichzeitig zur Schlachtreife – auf engstem Raum: Einem 110 Kilogramm schweren Mastschwein stehen laut Gesetz 0,9 Quadratmeter zu. Auf 90 Quadratmetern, der Fläche einer durchschnittlichen Vierzimmerwohnung, finden – gesetzeskonform – rund 100 Tiere Platz. Betriebe, in denen Schweine artgerecht gehalten werden, sind selten.

Am geringsten lastet der Produktionsdruck auf den knapp 450'000 Schweizer Schafen, was ihnen ein einigermassen natürliches Leben ermöglicht. Auf der Beliebtheitsskala der Schweizer Konsumenten rangiert Schaffleisch weit unten. Nur drei von hundert Kilogramm konsumiertem Fleisch stammen vom Lamm.

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Handfeste Eingriffe in die Natur

Am geringsten lastet der Produktionsdruck auf den knapp 450'000 Schweizer Schafen. Sie leben ein relativ natürliches Leben. Auf der Beliebtheitsskala der Schweizer Konsumenten rangiert Schaffleisch weit un-ten. Nur gerade drei von hundert Kilogramm konsumiertem Fleisch stammen vom Lamm – und davon wird lediglich die Hälfte in der Schweiz produziert. Doch wo die Nachfrage grösser ist, herrscht Enge in Ställen und Hallen – was handfeste Eingriffe in die Natur nötig macht.

Schweinen kappte man bis 2008 die Ringelschwänzchen, um dem sogenannten Schwanzkannibalismus entgegenzuwirken. Das ist nach der jüngsten Revision der Tierschutzverordnung verboten. Hühnern in Massenhaltung wurde vielfach mit einer Zange der Schnabel kupiert. Auch diese Praxis ist mittlerweile illegal – so wird den Tieren heute die Schnabelspitze auf einem heissen Eisen oder an einem Spannungsbogen zwischen zwei Elektroden quasi geschmolzen und geplättet.

Wo Lebewesen zu nah aufeinander hocken, gibt es Konflikte. Das ist in Ställen nicht anders als in den New Yorker Ghettos, den Banlieues von Paris oder in den Slums von São Paulo. Auch Tiere führen Kämpfe um Revier und Rangordnung. Bei Kühen geschieht dies paradoxerweise ausgerechnet in den Freilaufställen. Was als Befreiung von den Ketten, mit denen sie früher im Stall festgebunden waren, gedacht war, kann Stress und Aggressionen auslösen – zu klein sind oft die Freilaufflächen, zu eng die Verhältnisse an den Futterplätzen. Um Verletzungen zu verhindern, müssen die Kühe ihre Hörner lassen. Sie werden abgesägt, die Höhlen ausgebrannt, eine brachiale Prozedur. Die Alternative, grössere Ställe mit weniger Konfliktzonen, wäre zu teuer.

Unter dem Diktat der Wirtschaftlichkeit schwindet auch die Lebensdauer der Nutztiere. Sie ist viel kürzer, als die Natur es vorgesehen hat. Eine Milchkuh ist nach gut sechs Jahren «ausgelaugt» und hat ihre Existenzberechtigung verspielt. Drastische Verhältnisse herrschen im Hühnerstall. Nach einem Jahr Legezeit produzieren die Hennen nicht mehr rentabel. In der einmonatigen Mauser (Austausch des Federkleids), der jährlichen Legepause, sind sie nur unnütze Fresser. Zudem nehmen mit zunehmendem Alter der Hennen Legeleistung und Schalenqualität ab, die Eier werden grösser – und passen nicht mehr in die normierten Eierkartons.

Die alte Henne hat ausgedient. Und so werden in der Schweiz jährlich gegen zwei Millionen Legehennen im Alter von meist eineinhalb, selten zweieinhalb Jahren getötet. Und die Kadaver landen grösstenteils nicht im Suppentopf, ja nicht einmal im Tierfutter, sondern in der Biogasanlage. Die Weiterverarbeitung wäre nicht rentabel. Noch kürzer sind die Lebensperspektiven der männliche Küken der Legerassen. Eier legen können sie nicht, als Mastvögel sind sie untauglich, da ihre Rasse nicht auf Gewicht getrimmt ist. So werden sie gleich nach dem Schlüpfen vergast. 2008 waren das hierzulande rund 2,3 Millionen Stück.

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Alles begann im nahen Osten

Historisch betrachtet, erfolgte der Sündenfall bereits vor einigen tausend Jahren. Nicht zufällig stammt der Satz, den sich die westliche Welt im Umgang mit der Natur zum Leitmotiv erkoren hat, aus dem Nahen Osten. «Macht euch die Erde untertan», heisst es in der Bibel, ganz am Anfang. Das Gebot ist ein Zeugnis der wirtschaftlichen Veränderungen, die dort ihren Anfang genommen haben. Der sogenannte Fruchtbare Halbmond biegt sich vom Westen Irans über das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris (heute Irak), die Levante, Palästina bis in die Sinai-Halbinsel.

Hier entstanden vor gut 10'000 Jahren die ersten sesshaften Gesellschaften. Ihre Bauern lernten, Tiere zu domestizieren und als Nutztiere zu halten. Seit damals sind Tiere Produktionsmittel. Und über die Jahrtausende entfernten menschliche Eingriffe die Tiere immer weiter weg von ihrer eigentlichen Natur.

Den Erfahrungsschatz der Ahnen, wie Tiere durch Kreuzung und Selektion «verbessert» werden, hat Mitte des 19. Jahrhunderts der Augustinermönch Gregor Mendel (1822–1884) wissenschaftlich in Worte gefasst. Seine Erbsenversuche zeigten erstmals die Gesetzmässigkeiten bei der Vererbung von Merkmalen.

Zur moralischen Frage ist das Züchten erst im späten 20. Jahrhundert geworden. Eine verhängnisvolle Trias von Massenkonsum, steigendem Wohlstand und wissenschaftlichem Fortschritt hatte in Ställen und Zuchtbetrieben, in Schlachthöfen und Tierfabriken zu empörenden Zuständen geführt. Das Bewusstsein, dass Tiere keine Dinge, sondern Lebewesen mit Gefühlen und Schmerzempfinden sind, nahm zu – was sich nebst anderem in schärferen Tierschutzgesetzen niederschlug.

Doch das beste Gesetz hinkt der Wirklichkeit immer hinterher. Der Lebensplan für Kuh & Co. steht fest.

Schon die Fortpflanzung steht im Dienst der industriellen Produktion. In der Rinderwirtschaft ist der natürliche Weg längst die Ausnahme. Rund 90 Prozent der Schweizer Kühe werden künstlich besamt. Nicht nur, um Kuh und Bauer den Gang zum Stier zu ersparen – mit Samen «ab Katalog» lässt sich auch die Genkombination beim Nachwuchs optimieren. Noch weiter geht der Embryotransfer, in der Schweiz seit rund zehn Jahren praktiziert: Hormongaben regen im Muttertier einen Mehrfacheisprung an. Die gereiften Eizellen werden mit genetisch passendem Bullensamen befruchtet, kurz bevor sie sich einnisten, der Gebärmutter entnommen und schliesslich andern Kühen zum Austragen eingepflanzt.

Historisch betrachtet, erfolgte der Sündenfall bereits vor einigen tausend Jahren. Nicht zufällig stammt der Satz, den sich die westliche Welt im Umgang mit der Natur zum Leitmotiv erkoren hat, aus dem nahen Osten. «Macht euch die Erde untertan», heisst es in der Bibel, ganz am Anfang.

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Kein Natursprung für Truthäne

19'800 Kühe in Schweizer Ställen haben ihr Leben so begonnen. Die Methode ermöglicht dem Züchter, aus einer «Paarung» auch mal acht oder mehr Kälber abzugreifen. Selbst der Tod muss diesem ökonomischen Treiben kein Ende setzen – der Samen von Turbostieren wartet tiefgefroren auf weitere postmortale Zeugungsakte.

Selbst Truthähne sind vom Natursprung weit entfernt. Die überzüchteten Tiere sind schlicht zu schwer für eine natürliche Paarung. Darum greifen die Züchter auf künstliche Besamung zurück. Die Gewinnung des Samens erfolgt durch den Menschen – manuell.

Die Schafe blieben bislang von solchen Fortpflanzungsmethoden verschont – sieht man davon ab, dass mit Dolly 1996 ein Schaf als erstes geklontes Tier der Welt in die Schlagzeilen kam. Da Schafe ihre Sommer auf der Weide verbringen, müssen sie robust sein, ihre Fortpflanzung selbst regulieren und problemlos ablammen. Zuchtziele zu verfolgen, die diese Eigenschaften gefährden, wäre kontraproduktiv.

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Mehr auf den Rippen

Bei Schweinen liegt das Verhältnis von Natursprung zu künstlicher Besamung bei etwa 30 zu 70 Prozent. Zusätzlich gehört zum Fruchtbarkeitsmanagement der gezielte Einsatz von nachwuchsfördernden Futterzusätzen wie etwa «Ufa Top Pig» – einem «Hochenergie- und Abferkelkonzentrat, das mehr Ferkel und fruchtbare Sauen» verspricht.

Warfen Säue vor 250 Jahren im Schnitt zwölf Ferkel jährlich, sind es heute 26 und mehr. Ausserdem lässt sich als Zuchterfolg verbuchen, dass Schweine heute ihr Schlachtgewicht dreimal schneller erreichen als ihre Vorfahren – und es ist erst noch doppelt so hoch wie früher. Trugen sie früher zwölf Rippen zum Metzger, sind es heute 16, das Rückenfett dagegen wurde von bis 40 auf zwei Zentimeter abgespeckt.

Derartige Zuchterfolge mögen dem Verkauf dienlich sein, doch die Erfahrung zeigt, dass dem Werk der Optimierer ein Grundübel unterliegt. Zu oft tun sie des Guten zu viel und schaffen wohl Nutzen, aber auch neue Probleme. Die genetisch abgespeckten Schweine waren krankheitsanfällig und deshalb auf Medikamente und gut geheizte Ställe angewiesen. Erst die spätere Einkreuzung von Wildschweingenen hat wieder «wetterfestere» Sorten hervorgebracht. Hühner und Truten wiederum werden noch heute vor allem im Ausland teilweise so sehr auf Fleischmasse getrimmt, dass ihnen die Beinknochen unter der Last aus den Gelenken kugeln oder gar brechen.

Für das Wohlsein der Schweine empfiehlt der bayerische Schweineexperte Gerhard Schwarting L-förmige Stellwände, hinter denen die Tiere unbeobachtet ihre Notdurft verrichten können. Und die Fressgeschirre sollen in Blau oder Weiss, den Lieblingsfarben der Schweine, gehalten sein.

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Gezielt Gendefekte weitergeben

Mitunter gehen die Züchter auch so weit, dass sie absichtlich einen Gendefekt weitertragen, an dem die betroffene Rasse ohne Einmischung des Menschen früher oder später aussterben würde. Die Belgian-Blue-Rinder etwa produzieren, genetisch bedingt, rund ein Drittel mehr Fleisch als andere Rassen. Ihnen fehlt das Hormon Myostatin, welches das Muskelwachstum reguliert. Schon beim ungeborenen Kalb ist die Schulterpartie darum extrem ausgeprägt – eine natürliche Geburt ist wegen der Muskelpakete oft nicht mehr möglich.

Die Muttertiere dieser Rasse werden in Züchterkreisen «Reissverschlusskühe» genannt. Denn mit jedem Kaiserschnitt wird der Leib an einer neuen Stelle geöffnet und wieder zugenäht. Im Lauf der Jahre reiht sich Naht an Naht. Allerdings ist die Chance, in der Schweiz eine «Reissverschlusskuh» zu sehen, klein. Sie bietet sich höchs-tens auf Viehschauen mit internationaler Beteiligung – glücklicherweise.

Zum Glück auch hat die Lebensmittelproduktion auf jene utopisch anmutende Technik verzichtet, die seinerzeit Dolly zu Ruhm verholfen hat: das Klonen. Die Methode hat bisher nur kränkliche oder nicht überlebensfähige Tiere erzeugt. Sie spielt in der Massenproduktion kaum eine Rolle – sie ist nicht rentabel.

Anders die sogenannte genome Selektion. Schon im pränatalen Stadium werden Gensequenzen der Tiere auf wichtige Eigenschaften untersucht. So lassen sich beispielsweise bei einem Kalb bereits Rückschlüsse auf die künftige Milchleistung ziehen, lange bevor es einen Tropfen Milch gegeben hat. Stellt sich heraus, dass das Kalb ein «Underperformer» wird, läuft es Gefahr, aus Kostengründen gleich in den Schlachthof geschickt zu werden. Wer unter der geforderten Leistung bleibt, schafft es selten bis ins Erwachsenendasein.

Das Schwein (klicken Sie auf das Bild für die Infos als PDF-Dokument)

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Umgekehrt könnte der Zwang zur Wirtschaftlichkeit auch positive Auswirkungen auf die Perspektiven der mehr als 12,2 Millionen Schweizer Nutztiere haben. Die Züchter kommen nicht nur von kritischen Konsumenten und Tierschützern unter Beschuss, auch die ausländische Billigkon-kurrenz setzt sie unter Druck.

Notgedrungen räumen sie dem Tierwohl einen höheren Stellenwert ein. Denn nervöse und kranke Tiere erbringen weniger Leistung – also weniger Umsatz. So suchen Nutztierforscher wie Temple Grandin (siehe Artikel zum Thema «Dr. Temple Grandin: Mit der Kuh auf Du und Du») auch im Interesse von Produzenten und Verarbeitern nach Verbesserungen der Lebenshaltungs- und sogar der Schlachtbedingungen in der Tierindustrie.

Dass Tierwohl und Ökonomie durchaus vereinbar sind, hat auch Gerhard Schwarting nachgewiesen. Während fünf Jahren untersuchte der bayerische Schweinespezialist 50 Höfe, auf denen gesamthaft rund 300'000 Schweine gehalten werden, und gelangte dabei zu eindeutigen Erkenntnissen: Schweine, die sich wohl fühlen, fressen lieber als unglückliche Artgenossen und nehmen deshalb schneller zu. Die Aufzuchtdauer liess sich von zehn auf acht Wochen verkürzen, die Kosten sanken um mehr als 20 Prozent.

Schwarting scheut sich auch nicht vor ausgefallenen Vorschlägen. Damit es den Tieren wohl ist, empfiehlt er beispielsweise L-förmige Stellwände, hinter denen die Schweine unbeobachtet ihre Notdurft verrichten können. Die Fressgeschirre sollen in Blau oder Weiss, den Lieblingsfarben der Schweine, gehalten sein. Auch Spielzeug fordert er, und getrennte Schlafplätze.

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Quelle: Andreas Eggenberger
Schnitzel aus der Petrischale

Mitunter treibt die Vorstellung von einer tiergerechteren Produktion aber auch seltsame Blüten: Geradezu monströs mutet die Idee des US-Amerikaners Adam Shriver an. Der Philosoph an der Washington University in St. Louis (Missouri) postuliert das schmerzfreie Tier als ultimative Lösung. Der Gedanke ist nicht aus der Luft gegriffen: Mäuse, denen das für das Schmerzempfinden zuständige Gen Nav1.7 fehlt, sind weniger empfindlich gegenüber Hitze und Druck als normale Nager. Dieses Gen könnte auch bei Nutztieren unterdrückt werden.

Um einiges harmloser erscheint dagegen das Laborexperiment des Zellbiologen Bernard Roelen von der Universität von Utrecht. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt gelang es ihm, Schweinefleisch in Zellkulturen zu züchten.

Das Schnitzel aus der Petrischale – und damit der Fleischgenuss ohne Reue – rückt in greifbare Nähe. Ob wir solches Fleisch mit demselben Appetit wie heute verzehren werden, sei dahingestellt. Und selbst wenn sich das schlechte Gewissen gewissermassen «wegmendeln» liesse – die gute alte Ballenberg-Idylle bleibt für alle Zeiten verloren.