Waren Sie erstaunt, als Sie im Schnee Mikroplastik Endlich verständlich Was man über Mikroplastik wissen muss fanden?
Jürg Trachsel: Nach der gängigen Vorstellung sind Schnee und Regen sehr sauber. Mit unserer Studie konnten wir dieses Jahr erstmals belegen, dass tatsächlich auf der ganzen Welt Mikroplastik im Schnee vorhanden ist. Wir wissen zwar schon lange, dass zum Beispiel Saharastaub auch über sehr weite Strecken transportiert werden kann – und dann auch im Schnee nachweisbar ist. Dasselbe gilt für Kunststoffpartikel. Sie werden wohl ebenfalls über den Luftweg verbreitet.


Mikroplastik rieselt mit dem Schnee hinab?
Ja, ganz feine Teilchen des Plastiks sind wohl in der Atmosphäre vorhanden, und Schneeflocken bringen sie aus den Wolken wie ein Schwamm wieder auf den Boden.


Das heisst: Wir atmen Plastik ein. Welche Folgen hat das?
Es gibt erste Laborstudien mit Muscheln und Wattwürmern, die einer höheren Konzentration von Mikroplastik ausgesetzt wurden. Dabei zeigten sich negative Auswirkungen. Die Muscheln hatten mehr Entzündungen, die Wattwürmer wuchsen langsamer und vermehrten sich weniger schnell.


Könnten sich diese Effekte auch beim Menschen zeigen?
Das ist möglich und vielleicht ein grösseres Problem. Aber im Moment weiss man noch zu wenig darüber. Es ist nicht klar, inwieweit die Laborergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Das muss aber unbedingt genauer untersucht werden.


Wie viel Plastik hat es in der Luft?
An sehr abgelegenen Orten, etwa in der Arktis oder in den Alpen, fanden wir in einem Liter Wasser bis zu 14000 Partikel. An einer Landstrasse in Bayern aber mehr als das Zehnfache, was schon ziemlich viel ist. Das erklären wir uns auch mit dem Reifenabrieb der Autos.


Welche Massnahmen braucht es?
Was mich sehr umtreibt: Wo, woraus, wie und in welcher Menge entsteht Mikroplastik? Wie gelangt es in die Luft, in den Nahrungskreislauf? Grundsätzlich müssen wir den Konsum von Plastik so weit wie möglich vermeiden und den nicht rezyklierbaren Teil besser entsorgen Kunststoffabfall Schweiz verbrennt viel zu viel Plastik .


Eine Ursache ist der Abrieb von Autopneus. Braucht es bessere Reifen?
Das wäre ein Optimalfall. Der Winterpneu besteht aber immer aus einer harten Gummimischung, die zwar mehr Reibung bietet, sich gleichzeitig aber stärker abnutzt. Sie zu optimieren, ist anspruchsvoll. Trotzdem sollte man dem Problem des Abriebs mehr Beachtung schenken.


Was muss sonst noch passieren?
Wir müssen überdenken, wie wir in Zukunft Schnee räumen. Heute wird der gesammelte Schnee oft ungereinigt in offene Gewässer gekippt, so gelangen Mikroplastikpartikel direkt in den Wasserkreislauf. Eigentlich bräuchte es in Kläranlagen spezielle Absenkbecken, in denen das Schmelzwasser gereinigt werden kann. Unsere Anlagen sind dafür noch nicht eingerichtet. Nötig wäre das ohnehin: Auch mit dem Waschen von Kleidern gelangen Mikropartikel in den Wasserkreislauf.

Zur Person

Jürg Trachsel mit Skibrille

Jürg Trachsel, 33, ist Lawinenprognostiker am Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung Lawinenbeobachtung Gefahr im Schnee (SLF) in Davos. Er hat an der Studie des Alfred-Wegener-Instituts über Mikroplastik im Schnee mitgearbeitet.

Quelle: Privat
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Birthe Homann, Redaktorin
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