Aufgezeichnet von Birthe Homann:

Wir Patrouilleure sichern die rund 300 Pistenkilometer von Jakobshorn, Parsenn, Gotschna und Pischa. Und von Januar bis März auch die Flüelapassstrasse, wo Autosicherheitstrainings durchgeführt werden.

Neuerdings nur noch mit Elektroautos – seither ist es wieder viel ruhiger auf dem Pass. Auch gibt es weniger Proteste von Tourenfahrerinnen und -fahrern. Gut so!

Als Rettungschef lasse ich es mir nicht nehmen, ab und an einzuspringen und selber Hand- oder Helisprengungen vorzunehmen. Wir machen etwa 2000 bis 3000 Sprengungen pro Saison und verbrauchen dabei drei bis zehn Tonnen Sprengstoff.

Am häufigsten sind die sogenannten terrestrischen Sprengungen, also Handwurfladungen, die man im Rucksack über den Grat transportiert.

«Die ­Ladung wird in den Hang geworfen – und dann nichts wie weg.»

Vali Meier, Rettungschef

Die Lunte wird gezündet, die Ladung von einem sicheren Standort in den Hang geworfen – und dann nichts wie weg auf den Skiern. Nach 90 Sekunden knallt es.

Die Ohren muss man sich schon zuhalten. Am häufigsten verwenden wir 1,5-Kilo-Sprengladungen, eine kostet 25 Franken. Die Rohstoffpreise sind extrem hochgegangen, das spüren auch wir.

1000 Rettungen pro Saison

Die Zahl der Sprengungen hat zugenommen, weil Haftungsfragen immer wichtiger geworden sind. Wenn ein Variantenfahrer eine Lawine auslöst Viel Neuschnee Ende März Wer haftet bei einem Lawinenniedergang? , die dann eine Piste verschüttet, wird nicht nur der Fahrer wegen «Störung des öffentlichen Verkehrs» angeklagt, sondern auch die Bergbahn und damit ihr Patrouillenteam, das für die Pistensicherung zuständig ist. Diese Verantwortung macht uns zu schaffen.

Für uns heisst das: Wir müssen das ganze Einzugsgebiet so sichern, dass es begehbar ist. Also auch Hänge ausserhalb der eigentlichen Skigebiete. Mit der steigenden Zahl der Variantenfahrerinnen wird das immer wichtiger.

Grundsätzlich sind die Leute aber heute besser ausgerüstet als früher. Sie haben meist Verschüttetensuchgeräte und eine Notfallausrüstung dabei. Insgesamt rund 1000 Rettungen machen wir pro Saison – die Zahl ist stabil geblieben in den letzten Jahren.

Ich bin seit 31 Jahren Patrouilleur, das Sprengen ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich gebe seit über zwei Jahrzehnten Kurse zur Lawinensprengung und bin extrem stolz, dass bei uns noch nie etwas passiert ist.

Ein Unfall prägt sich ein

Ich liebe den Rauch von Lunten, ich brauche das. Wie ein Cowboy. Am liebsten habe ich mit dem Rakrohr gesprengt, aber leider ist das seit kurzem verboten.

Rakrohre werden in der Armee zur Panzerabwehr verwendet. Aber auch zur Lawinensicherung waren sie prima geeignet, weil sie eine grosse Reichweite haben und dort eingesetzt werden konnten, wo man aus Sicherheitsgründen nicht nah genug hinkam. Aber ein Soldat hatte vor zwei Jahren einen schlimmen Unfall mit einem Minenwerfer, daraufhin wurden alle Armeewaffen für den zivilen Abschuss von Lawinen verboten. 

Immer häufiger gibt es seither Fernsprenganlagen, mit denen man von der Rettungsstation aus per Handy oder Computer eine Zündung auslösen kann. Auch nachts. Wir haben bei uns 15 solche Anlagen gebaut, sie sind aber sehr teuer, eine kostet rund 120'000 Franken. In Ischgl Samnaun stehen über 100!   

Es gibt Unfälle Skiunfälle Vorbeugung – so machen Sie es richtig , die einem bleiben. Eingeprägt hat sich mir der eines jungen Bauern aus dem Züribiet. Er wollte mitten im Skigebiet Jakobshorn nur schnell austreten und bislen.

Beim Verlassen der Piste löste er beim Brämabüel eine Lawine aus. Sie sah aus wie das Engelsbild, das Kinder machen, wenn sie sich in den Schnee legen und Arme und Beine hoch- und runterbewegen.

Augenzeuge Vali Meier, Davos Jakobshorn, Rettungschef, im Tiefschnee, mit Lawinenhündin Naira

Vali Meier im Tiefschnee mit Lawinenhündin Naira.

Quelle: Nik Hunger

Wir rückten sofort mit den Lawinenhunden aus, suchten mit den Sonden und fanden ihn nach einer Stunde. Er steckte zwei Meter tief im Schnee und war schon ganz blau und ohne Bewusstsein. Aber zum Glück waren seine Atemwege frei geblieben.

Er hat überlebt und kommt nun jedes Jahr am Stephanstag zu uns nach Davos. Er feiert hier seinen zweiten Geburtstag, wie er das nennt. Als Dank für seine Bergung hat er damals alle Beteiligten zu einem Brunch auf seinen Hof eingeladen.

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