Kaum war Stefanie Pirris Sohn 2015 geboren, holte ein Kurier die Stammzellen ab, die aus dem Blut der Nabelschnur stammen. In Stickstoff gekühlt, bei –196 Grad, brachte er sie zur Firma Cryo-Save nach Pfäffikon SZ. Dort sollten sie für mindestens 25 Jahre gelagert werden. Stammzellen aus Nabelschnurblut sind wertvoll. Stefanie Pirri wusste das. Deshalb liess sie auch die Stammzellen ihrer Zwillinge einfrieren, die letztes Jahr zur Welt kamen.

Ihre Hoffnung war gross. Sollte ein Familienmitglied einmal an einer schweren Krankheit wie Blutkrebs leiden, könnten die Zellen zur Behandlung eingesetzt werden. Eine Investition in die Zukunft, in die Gesundheitsvorsorge also – für fast 10'000 Franken. Doch Cryo-Save gibt es nicht mehr. Die Firma ging pleite. Die Büros sind geräumt, der Eintrag im Handelsregister seit September gelöscht. Die Proben mit den Stammzellen sind wahrscheinlich in Polen.

Eltern wie die Pirris sind machtlos. Es dürfte Hunderttausende Betroffene geben, in Italien, Spanien, Luxemburg, Belgien und weiteren Ländern. In der Schweiz haben sich über 270 Familien in einer Facebook-Gruppe zusammengeschlossen. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Offiziell erhielten sie erst im September von Cryo-Save die Nachricht, wo sich ihre Proben befinden sollen. «Wir beschaffen uns alle Informationen selbst und tauschen uns gegenseitig aus», sagt Maya Pecelj, die Cryo-Save ebenfalls die Stammzellen von zwei ihrer Kinder anvertraute. «Wir sind in Kontakt mit Behörden und Politikern. Doch in der Schweiz fühlt sich niemand verantwortlich.»

Heimlicher Umzug, Bewilligung entzogen

Wahrscheinlich liess Cryo-Save die gefrorenen Stammzellen nach Warschau zu der Firma Famicord verfrachten – ohne die Familien zuvor zu informieren. Bereits im Frühling sollen die beiden Firmen einen Vertrag darüber abgeschlossen haben. Cryo-Save informierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Swissmedic nur darüber, dass ein Umzug nach Polen geplant werde. Im Sommer dann der Hammer: Die eingefrorenen Proben seien bereits dort. Kontaktversuche von BAG und Swissmedic blieben danach erfolglos. Deshalb entzogen sie Cryo-Save die Bewilligung. «Wir haben dieser Firma vertraut, weil das BAG und Swissmedic dahinterstanden», sagt Stefanie Pirri. «Die Zellen sind unser Eigentum. Dafür haben wir bezahlt.»
 

«Es gab Proben, die wir an einem anderen Ort gefunden haben, als sie gemäss Datenbank sein müssten.»

Famicord


Die polnische Firma Famicord bestätigte auf Anfrage, dass der grösste Teil der Stammzellen bei ihr gelagert sei, in 60 Tanks mit jeweils mehreren Tausend Proben. Eine Rückführung in das Herkunftsland werde aber nicht gratis sein. «Dafür müssen wir Gebühren erheben», erklärte Famicord. Sie hätten zwar Zugriff auf die Datenbank von Cryo-Save, aber: «Es gibt Widersprüche zwischen der Datenbank und dem Inventar in Polen. Es gab Proben, die wir an einem anderen Ort gefunden haben, als sie gemäss Datenbank sein müssten.» Es werde Monate dauern, bis die Abklärungen abgeschlossen sind.

Bisher erhielten nur einzelne Familien ein Bestätigungsmail von Famicord – mit Vertrags- und Probenummer. «Das sind die Angaben, die wir machen mussten, als wir aufgefordert worden waren, uns auf der Famicord-Homepage zu registrieren», sagt Maya Pecelj. «Wir wissen nicht, wie zuverlässig diese Bestätigung ist.»

Mehr noch, sie und Stefanie Pirri vermuten, dass es sich um Standardantworten in einer Massenmail handelt. Vielleicht sogar eine Taktik, um besorgte Eltern zu beruhigen. «Ein Vater aus Italien bekam eine Mail mit falschen persönlichen Angaben und einer falschen Probenummer», sagt Maya Pecelj. Chaos scheint programmiert.

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Dominique Strebel, Chefredaktor
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