Bis zum Alter von etwa 50 Jahren habe ich die Klagen von Kolleginnen eher belächelt und mich an die Theorie gehalten, dass eine Frau mit einem erfüllten Leben den Wechseljahrbeschwerden nicht ausgesetzt sein muss», sagt Waltraut Bellwald. «Doch ich wurde eines Schlechteren belehrt. Die Menopause kann ziemlich unangenehm sein und hat meine Lebensqualität stark beeinträchtigt.»

Die Hitzewellen überrollten die 60-jährige Universitätsdozentin in den unpassendsten Momenten. Weil sie wegen der Wallungen zu leicht angezogen war, litt sie dauernd an Erkältungen. Versuche mit der Homöopathie blieben wirkungslos. Dank Hormontabletten und einem täglichen Spaziergang fühlt sie sich nun wohler.

Körper im Ausnahmezustand

Das Ausbleiben der Menstruation nehmen viele Frauen weit weniger gelassen, als sie es sich wünschten. Zwischen dem 40. und dem 50. Lebensjahr kann sich die Veränderung des weiblichen Körpers mit nächtlichen Schweissausbrüchen, depressiver Verstimmung, Nervosität und Kopfschmerzen ankünden.

Bereits sieben Jahre vor der Menopause, wenn die Menstruation endgültig ausbleibt, können sich erste Symptome zeigen. Denn wenn die weiblichen Eierstöcke nach rund 30 Jahren Fruchtbarkeit aufhören, Eizellen heranreifen zu lassen, muss sich der Hormonspiegel neu einpendeln.

Frauen erleben diesen Wandel sehr unterschiedlich. Etwa ein Drittel bleibt von den negativen Begleiterscheinungen weitgehend verschont. So erinnert sich etwa eine Grossmutter, wie sie mit 50 ihre letzte Menstruation bekam: «Sie kam ungewohnt kräftig, und dann war Schluss. Plötzlich war ich eine Frau, die nicht mehr verhüten musste, dafür Falten bekam.»

Etwa 30 Prozent aller Frauen finden die Beschwerden erträglich. Dank Naturheilmitteln, Vitaminen, Mineralstoffen und mehr Ruhe und Zeit für sich selbst kommen sie gut durch die Jahre. Ein weiteres Drittel der Frauen nimmt Hormone, weil Herzrasen, Schlafstörungen, Wallungen, und Trockenheit der Schleimhäute sie stark belasten.

Die 49-jährige Irene Zach will von einer Hormontherapie nichts wissen. Die Mutter von drei Teenagern bekommt seit einigen Wochen Hitzeausbrüche. Zur Erheiterung der Familie nennt sie sich «eine schlecht funktionierende Heizung». «Um gut alt zu werden, ist es wichtig, dass ich die inneren und äusseren Veränderungen bewusst erlebe», sagt sie. Positiv empfindet Irene Zach, dass die Menopause sie gelassener gemacht hat. «Ich bin nicht mehr so stark von der äusseren Wertschätzung abhängig.»

Gleichzeitig mit dem biologischen Geschehen geht für die Frauen – und ihre Männer – meist auch die «Familienphase» zu Ende. Es gilt definitiv Abschied zu nehmen von Jugendlichkeit und Attraktivität. Das ist nicht immer einfach.

Selbstvertrauen ist wichtig

Auch im beruflichen Umfeld braucht es ein gehöriges Stück Selbstvertrauen, um zu den körperlichen Veränderungen stehen zu können und zum Beispiel plötzlich die Fenster aufzureissen, wenn die innere Hitze unerträglich wird. Denn solche Aktionen werden von den Arbeitskolleginnen und -kollegen oft mit verständnislosen Blicken quittiert.

Für eine 52-jährige Redaktorin wurden die Beschwerden zur Qual. Sie fühlte sich fremd im eigenen Körper und litt unter Konzentrationsstörungen. Dank einem Hormon-Gel, das sie täglich auf die Haut aufträgt, ist sie heute ausgeglichener – und den beruflichen Anforderungen wieder gewachsen. Trotzdem helfen ihr die Wechseljahre beim seelischen Reifeprozess: Sie löst sich von Vergangenem, kehrt ihre Aufmerk- samkeit nach innen und konzentriert sich auf ihre ureigenen Prioritäten. Dazu gehört auch, die eigene Vergänglichkeit zu akzeptieren.

Neue Freiheiten nutzen

Die Psychologin Julia Onken beschreibt in ihrem Buch «Feuerzeichen» die Wechseljahre als Krise, die eine Umorientierung erfordert. «Mit dem vermeintlichen Verlust ihrer Attraktivität wird die Frau vermehrt auf sich selbst zurückgeworfen», sagt Julia Onken.

Durch den Abbau der weiblichen Hormone erhöhen sich die männlichen Hormonanteile. Diese sind nicht nur dafür verantwortlich, dass die Gesichtsbehaarung männlicher wird, sondern wirken sich auch auf die Psyche aus.

Die eher als männlich empfundene Zunahme der Aggressivität sollte ausgelebt werden, rät Julia Onken. «Die Frau jenseits der Lebensmitte muss nicht mehr pflegeleicht sein oder den Idealen der Männerwelt entsprechen, was als wunderbar befreiende Dimension empfunden wird.»

Viele Frauen nutzen die Chance und entwickeln im «Lebensherbst» viel Kraft. Sie entdecken, dass diese Zeit nicht nur Falten, graue Haare und ein erschlafftes Bindegewebe bedeutet, sondern auch neue Perspektiven eröffnet. Körperlich und seelisch gilt es nun, den individuellen Weg zu finden. Wer über den natürlichen Vorgang spricht, die anders erlebte Sexualität nicht verheimlicht und sich kreativ mit der Gestaltung der Zukunft befasst, erlebt das Klimakterium nicht als Verlust.

Sanfte Medizin wirkt oft Wunder

Auch die körperlichen Beschwerden lassen sich in den Griff bekommen. Es muss nicht immer Chemie sein: Frauen, die sich über Methoden aus der Naturheilkunde informieren, finden möglicherweise auch eine alternativmedizinische Alternative zu Hormontherapien.

So ermuntert etwa die Winterthurer Gynäkologin Verena Hollenstein ihre Patientinnen, sich im Bereich der «sanften Medizin» kundig zu machen, denn Mönchspfeffer, Johanniskraut und viele andere Heilkräuter können die Beschwerden lindern helfen. Als Medizinerin fühlt sie sich zudem verpflichtet, bei gewissen Risiken wie Knochenschwund oder Herz- und Kreislauferkrankungen auf ein Hormonersatzmittel hinzuweisen.

Nebst dem persönlichen Austausch helfen Informationsveranstaltungen, Kurse sowie eine ganze Reihe hilfreicher Bücher den Frauen, dem Tabuthema Wechseljahre mit Selbstbewusstsein und Offenheit zu begegnen. Wie schreibt Julia Onken? «Es gilt Abschied zu nehmen – dafür jedoch neue Freiheiten zu erlangen.»