Seit Jahren wird Immobilienbesitzern versprochen, dass der Eigenmietwert nun definitiv abgeschafft wird. Also die fiktiven Einnahmen, die sie versteuern müssen, weil sie keine Miete zahlen. Die Steuerlogik dahinter: Mietfreies Wohnen ist eine Art Vermögensertrag und muss deshalb – wie Zinsen oder Dividenden auch – als Einkommen versteuert werden. 

«Strafsteuer» nennt das der Hauseigentümerverband, und auch viele Betroffene finden sie ungerecht. Deshalb diskutiert das Parlament schon lange über einen Systemwechsel. Konsequenterweise müssten dabei neben dem Eigenmietwert auch die Abzüge, die im Gegenzug möglich sind, gestrichen werden. Das erklärte Ziel ist, dass dieser Systemwechsel Wohneigentum Der Eigenmietwert auf der Kippe – einmal mehr möglichst haushaltsneutral sein soll, der Staat also im langjährigen Mittel keine Steuern verliert. Damit könnte wohl auch die Linke leben. Im Prinzip hat solch ein konsequenter Systemwechsel viele Freunde.

 

Selbst dem Hauseigentümerverband geht es zu weit

Vermutlich sind einige davon falsche Freunde. Das zeigte sich auch Ende September im Nationalrat. FDP und SVP wollten über eine Vorlage der Wirtschaftskommission beraten, die zwar den Eigenmietwert abschaffen, aber die Unterhaltsabzüge weiter zulassen würde. Ausserdem wäre ein grosszügiger Abzug der Schuldzinsen möglich. Auch Energiesparmassnahmen sollten weiter abzugsfähig sein. Selbst der Hauseigentümerverband hatte zuvor kritisiert, diese Vorlage sei vor dem Volk chancenlos. Auch die kantonalen Finanzdirektoren lehnten sie wegen der Steuerausfälle ab – laut Bundesverwaltung würden sie bei einem Hypozinsniveau von 1,5 Prozent 3,8 Milliarden Franken pro Jahr betragen. Am Ende beschlossen SP, Grüne, Mitte und Grünliberale, dass die Kommission eine realistische Vorlage erarbeiten soll. Ob sie dazu plötzlich in der Lage ist, kann man bezweifeln. Bisher schien der bürgerlichen Kommissionsmehrheit nicht viel an einem konsequenten Systemwechsel zu liegen.

Der gescheiterte Vorschlag war wohl eine Maximalvariante, die noch Verhandlungsmasse für die Differenzbereinigung mit dem Ständerat enthielt. Dieser hatte letztes Jahr einen ebenfalls nicht konsequenten, aber für den Fiskus weniger teuren Systemwechsel beschlossen. Der Hauseigentümerverband hätte mit dieser Variante gut leben können. Entsprechend sauer reagierte er, als nun wieder nichts beschlossen wurde. 

 

Rentner sind die Hauptverlierer

Wenn die Abschaffung solche Schwierigkeiten bereitet: Soll man dann besser alles lassen, wie es ist? Nein. Denn das jetzige System belohnt das Schuldenmachen – wer hohe Schulden hat, kann mehr Hypozinsen abziehen. Im internationalen Vergleich sind Schweizer Haushalte stärker verschuldet als praktisch alle anderen Nationen – für die Stabilität des Finanzsystems gilt das als Risiko. Und Steuerabzüge begünstigen prinzipiell die Reichen, die sonst hohe Steuern zahlen müssten. Sie können mehr Franken sparen als Geringverdiener. 

Rentner, die ihre Hypothekarschulden weitgehend abbezahlt haben, sind die Hauptverlierer. Im Verhältnis zur Rente sind ihre Steuern auf den Eigenmietwert hoch, weil sie kaum Schulden abziehen können. Eine andere Gruppe gehört zu den Gewinnern: diejenigen, die eine renovationsbedürftige Immobilie kaufen, viel Geld in die Sanierung stecken und dank dieser Kosten ihr steuerbares Einkommen so stark senken können, dass sie kaum noch Steuern zahlen. Sie lassen sich völlig legal ihre Renovation indirekt von der Allgemeinheit subventionieren.

 

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Die Zeit arbeitet gegen die Abschaffung

Gegen das System spricht auch, dass es aufwendig ist. Für jede Immobilie muss eine fiktive Miete ermittelt und periodisch aktualisiert werden. Dabei gibt es erklärungsbedürftige Unterschiede zwischen Kantonen, Gemeinden oder Nachbarn und immer wieder Diskussionsbedarf der Betroffenen. Ausserdem muss die Steuerbehörde entscheiden, welche Investitionen werterhaltend (Abzug möglich) und welche wertvermehrend (Abzug nicht möglich) sind – Stoff für noch mehr Zoff. 

Ob das jetzige System wirklich ein finanzieller Nachteil für das Gros der Immobilienbesitzer ist oder eher ein Vorteil, hängt auch stark vom Zinsniveau ab. Es war kein Zufall, dass vor einigen Jahren bei historisch tiefen Zinsen die Abschaffung des Eigenmietwerts zum Thema wurde. Wenn man sowieso wenig Schuldzinsen abziehen kann, fällt es leichter, auf diesen Abzug zu verzichten. Mit der Zinswende ändert sich das gerade. Je höher die Hypozinsen steigen und damit die Abzüge, umso weniger attraktiv wird ein Systemwechsel für die Betroffenen. Im Moment scheint die Zeit für den Eigenmietwert zu arbeiten. Gut möglich, dass ein Teil der Politik das auch so sieht – und sich gerne weiter Zeit lässt. 

 

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Wer eine Liegenschaft besitzt und selbst bewohnt, bezahlt in Form des Eigenmietwerts Steuern. Im Gegenzug kann ein Wohneigentümer Unterhaltskosten steuerlich abziehen, wenn auch nicht alle. Beobachter-Abonnenten erfahren, wie der Eigenmietwert bei einem Wohnrecht oder bei der Nutzniessung versteuert wird, was nach einer Trennung gilt und wie Fördergelder für bauliche Umweltschutzmassnahmen in der Steuererklärung angegeben werden müssen.

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Matthias Pflume, Leiter Extras
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