Seit 1934 steht die Besteuerung des Eigenmietwerts im Gesetz, seit bald 20 Jahren versucht die Politik, sie abzuschaffen. Ohne Erfolg: Drei Mal hat das Schweizer Stimmvolk bereits eine Änderung abgelehnt. Nun startet das Parlament den nächsten Versuch. Das hat die Kommission des Nationalrats einstimmig beschlossen. Ein neues System soll ausgearbeitet werden. Bis konkrete Resultate zu erwarten sind, dürfte allerdings erneut einige Zeit vergehen.

Warum tut man sich seit Jahrzehnten so schwer, eine Lösung zu finden? Beim Eigenmietwert prallen verschiedene Interessen aufeinander:

  • Die Mieter wollen nicht, dass eine Abschaffung des Eigenmietwerts die Besitzer privilegiert.
  • Aus steuertheoretischer Sicht ermöglicht der Eigenmietwert eine Gleichberechtigung von Wohneigentümern und Mietern. Ein Eigentümer darf die Kosten für die Nutzung seiner Liegenschaft von den Steuern abziehen, ein Mieter seine Mietkosten hingegen nicht. Die Anrechnung des Eigenmietwerts soll diesen Steuervorteil ausgleichen.
  • Der Staat. Der Eigenmietwert generiert dem Fiskus jährlich Einnahmen von mehreren hundert Millionen Franken.
Was ist der Eigenmietwert?

Wie viel Miete müsste man pro Jahr für das selbst genutzte Wohneigentum bezahlen? Diese Frage bildet das Fundament des Eigenmietwerts. Immobilieneigentümer müssen durchschnittlich 60 bis 70 Prozent dieser fiktiven Mietkosten als Einkommen versteuern.

Diesen Preis zahlen die Eigentümer dafür, dass sie die Kosten von den Steuern abziehen dürfen, die ihnen rund um die Nutzung ihrer Liegenschaft entstehen. Abzüge dieser Art sind Mietern nicht vergönnt. Mit der Erhebung des Eigenmietwerts will das Steuersystem diesen Vorteil für Eigentümer ausgleichen.

Den Eigenmietwert einer Immobilie legt jeder Kanton selber fest. In die Berechnung fliesst unter anderem ein, über wie viel Wohn- und Nutzfläche und welchen Ausbaustandard eine Liegenschaft verfügt und auf welchem Level sich die lokalen Mietpreise bewegen.

Was ist das Problem am Eigenmietwert?

Die Anreize sind falsch gesetzt: Der Eigenmietwert behandelt nicht alle Immobilienbesitzer gleich und er verlockt sie dazu, sich zu verschulden. 

  • Am besten kommen jene Eigentümer weg, die so lang wie möglich die Abzahlung ihrer Hypothek hinauszögern. Sie können gleich auf zwei Arten profitieren: wenn sie ihre Schuldzinsen von den Steuern abziehen und gleichzeitig auch ihre Einzahlungen in die Säule 3a steuerlich geltend machen.
  • Die Verlierer sind jene Eigentümer, die ihre Hypotheken mehrheitlich oder ganz abbezahlt haben. Sie können keine Abzüge für Schuldzinsen anbringen und müssen mit weniger liquiden Mitteln das fiktive Einkommen versteuern. Das wird insbesondere für Rentner zur Belastung, da diese nicht mehr über dasselbe Einkommen verfügen wie zuvor.
Kann der Eigenmietwert überhaupt abgeschafft werden?

Die Debatte beinhaltet ein wesentliches Hindernis: Denn das neue System soll keine Steuerausfälle mit sich bringen. Demnach müsste nicht nur der Eigenmietwert abgeschafft, sondern auch jene Abzüge gestrichen werden, von denen die Immobilienbesitzer heute noch profitieren.

Ein kompletter Systemwechsel hätte laut Bundesrat aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus für Hypotheken (durchschnittlich rund 2 %) jährlich geschätzt 400 Millionen Franken weniger Einnahmen bei der direkten Bundessteuer zur Folge. Erst ab einem Zinsniveau der Hypotheken von 3 Prozent dürfte ein solcher Systemwechsel keine Mindereinnahmen mehr bewirken. Ein solcher Zinsanstieg ist nicht unrealistisch. Offen aber ist, wie lange es dauert, bis sich die Zinsen wieder auf diesem Level bewegen werden.

Woran könnte die Abschaffung des Eigenmietwerts scheitern?
  • An der Politik. Das Parlament muss sich zuerst einmal einig werden – vor allem in der Frage, wie die allfälligen Steuerausfälle kompensiert werden könnten.
  • An den Banken. Weil Kunden dann Spar- und Anlagekapital abziehen würden, um ihre Hypotheken zurückzuzahlen und auch weniger Hypotheken benötigen, würden sich wichtige Einnahmequellen für die Banken reduzieren.
  • Am Volk. Denn wie die Rentenreform hat auch die Abschaffung des Eigenmietwerts traditionell einen schweren Stand an der Urne. Drei Mal lehnte das Schweizer Stimmvolk in den vergangenen 20 Jahren eine Änderung ab – zuletzt 2012.
Mehr zu Besteuerung von Wohneigentum bei Guider

Wer eine Liegenschaft besitzt und selbst bewohnt, bezahlt in Form des Eigenmietwerts Steuern. Im Gegenzug kann ein Wohneigentümer Unterhaltskosten steuerlich abziehen, wenn auch nicht alle. Beobachter-Abonnenten erfahren, wie der Eigenmietwert bei einem Wohnrecht oder bei der Nutzniessung versteuert wird, was nach einer Trennung gilt und wie Fördergelder für bauliche Umweltschutzmassnahmen in der Steuererklärung angegeben werden müssen.

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