Geschichten aus der Nachbarschaft

Nachbarinnen und Nachbarn erleichtern unser Leben, helfen, wenn das Salz ausgeht, tragen schwere Einkaufstaschen die Treppen hoch. Oder aber sie machen uns die Hölle heiss, beklagen sich über ein nicht ordnungsgemäss angebrachtes Schuhgestell, schimpfen über lautes Kinderlachen, petzen bei der Verwaltung. 

Nachbarschaft ist ein soziales Phänomen, das zwar alle kennen, aber ganz unterschiedlich aufgefasst wird. Über die Feiertage erzählen Angehörige der Beobachter-Redaktion, was sie mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn erlebt haben.

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Mein Schwiegervater führte in einem alten Fabrikgebäude im Zürcher Oberland seine «Nudelwerkstatt», die er vor mehr als 30 Jahren gegründet hatte. Dort produzierte er mit einer Handvoll Angestellten Hausmacherpasta – Nudeln und Frischteigwaren in vielen Formen und Farben – sowie Pestos, marinierte Oliven und andere Köstlichkeiten. Wenn er mit seinen Angestellten Zmittag ass, waren mittwochs auch meine Familie und Nachbarn eingeladen. Manchmal kamen auch die Kinder einer Mitarbeiterin, die im grossräumigen Werkstattladen mit meiner Tochter spielten.

Es wurde eine schöne Tradition, miteinander in der wunderbar retromässig gestalteten Nudelwerkstatt die feinen Gerichte vom Schwiegervater und seiner Partnerin zu geniessen – darunter auch frisch hergestellte Teigwaren aus dem Hause. Die Gemeinschaft aus Nudelwerkstatt-Team und Nachbarn wuchs mit der Zeit zusammen. 

Vor einigen Jahren verkaufte er mit Ende sechzig sein Geschäft und zog in den Nachbarort, weil das Gebäude leider abgerissen wurde. Am neuen Ort hat mein eigentlich pensionierter Schwiegervater begonnen, beim dortigen Bio-Lebensmittelhersteller auszuhelfen und erneut für Angestellte und Nachbarn zu kochen. Schon bald entstand eine neue Nachbarschafts-Gemeinschaft, die immer noch fortbesteht und viele Herzen erwärmt.

Welcher Nachbarschaftstyp sind Sie?

Die Distanzierten (47 Prozent der Bevölkerung)

Ihnen sind Abstand, Diskretion und Unabhängigkeit wichtig, sie möchten weder gestört werden noch jemandem zurLast fallen. Im Notfall sind sie aber zur Stelle. Und ab und zu schätzen sie auch zweckorientierte Treffen.

Die Inspirationssuchenden (30 Prozent)

Für sie stehen Toleranz und anregende Begegnungen im Vordergrund. Inspirationssuchende schätzen kollektive, sinnerfüllte Aktionen und Vielfalt und suchen den Blick überden eigenen Tellerrand hinaus.

Die Beziehungspflegerinnen und -pfleger (14 Prozent)

Sie wünschen sich ein freundschaftliches, fast familiäres Verhältnis in einer homogenen, harmonischen Nachbarschaft. Sie legen Wert auf enge Kontakte, Gemeinschaftsaktivitäten und gegenseitige Unterstützung im Alltag.

Die Wertorientierten (9 Prozent)

Sie möchten unter Leuten leben, die ähnliche Ansichten teilen. Statt enger Beziehungen wünschen sich Wertorientierte respektvolle Distanz und einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Sie sind hilfsbereit. Im Alltag reicht ihnen ein gelegentlicher Austausch im Treppenhaus.

Quelle: «Hallo Nachbar:in. Die grosse Schweizer Nachbarschaftsstudie» des Gottlieb-Duttweiler-Instituts, August 2022. Um die Studie einzusehen, hier klicken.