Angestellte dürfen jederzeit ein Arbeitszeugnis verlangen. Es muss beschreiben, in welcher Funktion und wie lange jemand in einer Firma arbeitet. Auch die Leistung und das Verhalten müssen Thema sein. Auf Wunsch kann man auch auf Bewertungen verzichten; das nennt sich dann Arbeitsbestätigung Arbeitszeugnis verlangen Gibt es in der Probezeit nur eine Arbeitsbestätigung? .

Das klingt theoretisch einfach. Doch das Bewerten von Mitarbeitenden ist keine exakte Wissenschaft. Selbst- und Fremdwahrnehmung stimmen nicht immer überein. Und so haben häufig die Richter in Sachen Zeugnis das letzte Wort. Acht Beispiele aus dem Leben.

Keine Bedingungen und Drohungen

Ein deutsches Ehepaar arbeitete für einen Schweizer Spitalarzt. Er teilte den beiden plötzlich mit, er verfüge nun über Bewerbungen von besser qualifizierten Schweizer Staatsbürgern. «Ich bitte Sie deshalb, umgehend die Kündigung einzureichen», schrieb er. «Dies ermöglicht mir, Ihnen ein Abschlusszeugnis auszustellen.» Mit einem zweiten Brief doppelte er später nach.

Das Bundesgericht sah im Vorgehen des Arztes einen strafbaren Nötigungsversuch. Die Drohung, es gebe kein Zeugnis, wenn sich ein Angestellter nicht auf eine bestimmte Art verhalte, sei nicht harmlos: «Es geht dabei um einen ins Gewicht fallenden Nachteil für das weitere Fortkommen

Arbeitszeugnisse dürfen nicht verweigert und auch nicht an Bedingungen geknüpft werden, etwa an das Erledigen einer bestimmten Aufgabe. Sie sind, wie das Gesetz schon sagt, «jederzeit» geschuldet. Eine Ausnahme lässt die Rechtsprechung nur zu, wenn im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis eine Strafuntersuchung gegen den Arbeitnehmer läuft. Dann ruht der Anspruch auf ein Zeugnis, bis die Angelegenheit geklärt ist.

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Zeugnis nach fristloser Entlassung

Ein Angestellter liess mächtig Dampf ab: Sein Arbeitgeber sei eine «unorganisierte, von unprofessionellen Kleinkrämern geleitete Aktiengesellschaft, die kurz vor dem Konkurs steht», liess er eine wichtige Lizenzgeberin wissen. Er wurde fristlos entlassen – zu Recht, befanden die Gerichte.

Umstritten war jedoch, ob der Mann Anspruch auf ein Vollzeugnis habe oder, wie das Kantonsgericht entschieden hatte, nur auf eine Arbeitsbestätigung. Das Bundesgericht schuf Klarheit: Ein Arbeitgeber muss auf Verlangen ein Vollzeugnis ausstellen. Falls der Arbeitnehmer damit nicht zufrieden Arbeitsleistung Mieses Zeugnis akzeptieren? ist, kann er klagen oder zusätzlich eine Arbeitsbestätigung fordern. Angestellte haben also ein Recht auf beides: Vollzeugnis und Arbeitsbestätigung.

Verschlechterung muss begründet sein

Ein Arbeitnehmer erhielt im Juli ein Zwischenzeugnis und im Oktober das Schlusszeugnis. Darin wurde das Verhalten viel schlechter bewertet als im Zwischenzeugnis.

Das gehe nicht, befand das Arbeitsgericht Zürich. Zwischenzeugnisse seien verbindlich: «Eine Verschlechterung darf im Endzeugnis nur dann erfolgen, wenn in der Zwischenzeit derart einschneidende Änderungen eingetreten sind, die eine erheblich unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen würden, was der Arbeitgeber zu beweisen hätte.» Ausserdem dürfe im Schlusszeugnis das Verhalten in den letzten Wochen nicht überbewertet werden. «Massgebend ist vielmehr der Gesamteindruck über die ganze Vertragsdauer hinweg.»

Alarmsignale im Arbeitszeugnis: Da sollten Sie sich beraten lassen
  • Wenn wesentliche inhaltliche Aspekte fehlen (Verhalten gegenüber Vorgesetzten, bedeutende Erfolge, Beförderungen, jobrelevante Weiterbildungen, Fachkompetenz, Zuverlässigkeit).
  • Wenn die Leistung zu kurz bewertet wird im Verhältnis zum umfangreichen Aufgabenkatalog.
  • Wenn das Zeugnis deutlich schlechter ausfällt als die Zwischenzeugnisse.
  • Bei unklaren Formulierungen .
  • Wenn nur die Arbeitshaltung bewertet ist, aber nicht der Erfolg («nahm in Angriff», «zeigte Interesse», «arbeitete fleissig», «war bestrebt»).
  • Bei einschränkenden Floskeln («im Allgemeinen», «grundsätzlich», «in der Regel»).
  • Wenn keine verstärkenden Formulierungen benutzt werden («sehr», «jederzeit», «überdurchschnittlich»).
  • Wenn der Schlusssatz zu knapp und zu nüchtern ist (keine Dankesworte und Zukunftswünsche, kein Bedauern über den Austritt).
Es zählt, was geleistet wurde

Eine Pflegefachfrau war erst wenige Wochen im Betrieb. Sie warf ihrer Chefin «fachliche und charakterliche Inkompetenz» vor. Der Arbeitgeber trennte sich noch während der Probezeit von der Angestellten.

Im nachfolgenden Rechtsstreit ging es auch um das Zeugnis. Die Angestellte machte geltend, zu ihren Aufgaben habe auch «Begleitung in Krisensituationen sowie während des Sterbens» gehört. Das müsse im Zeugnis stehen.

Das Bundesgericht winkte ab, denn während der kurzen Anstellungszeit hatte es gar keinen Todesfall gegeben. Ins Zeugnis gehöre nicht «die vertraglich vereinbarte, sondern die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit». Es dürfe nicht «der unzutreffende Eindruck entstehen, die Beschwerdeführerin habe auf diesen Gebieten praktische Erfahrung gesammelt».

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Es gibt kein Wunschkonzert

Ein Kantonspolizist erhielt die Kündigung, weil er sich «im Umgang mit der Bevölkerung und mit seinen Vorgesetzten» unangemessen verhalten hatte.

Das kam auch im Arbeitszeugnis zum Ausdruck. Der Polizist verlangte, dass die Beurteilung seines Verhaltens aus dem Zeugnis gestrichen werde und dass man nur seine Leistung bewerte.

Das Bundesgericht lehnte ab. Ein Vollzeugnis habe den Zweck, «ein wahres und vollständiges Bild über den Arbeitnehmer» abzugeben. Man könne nicht nach seinem Gusto nur die Leistung oder nur das Verhalten beurteilen lassen. Der Polizist hätte aber gerichtlich eine andere Formulierung zu seinem Verhalten einklagen können.

Abwesenheit darf erwähnt werden

Eine Frau war etwas über zwei Jahre angestellt. 14 Monate davon war sie wegen Mutterschaft und Krankheit abwesend. Sie wehrte sich dagegen, dass die Absenz im Zeugnis erwähnt wurde. Insbesondere der Hinweis auf den Mutterschaftsurlaub sei diskriminierend.

Das sah das Bundesgericht anders. Ein qualifiziertes Zeugnis dürfe und müsse «auch negative Tatsachen erwähnen», soweit diese für die Gesamtbeurteilung erheblich seien. Abwesenheiten wie Krankheit, Militärdienst oder Mutterschaftsurlaub dürften erwähnt werden, wenn die Abwesenheit Arbeitszeugnis Darf mein Chef die Krankheit erwähnen? im Verhältnis zur Anstellungsdauer erheblich sei – wie im vorliegenden Fall.

Auch eine Diskriminierung sah das Gericht nicht. Angesichts der Tatsache, dass jede Frau im gebärfähigen Alter jederzeit schwanger werden könne, falle die Angabe einer mutterschaftsbedingten Absenz im Zeugnis kaum spürbar ins Gewicht. Daraus schloss das Gericht: «Eine Verletzung der Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes ist nicht ersichtlich.»

3 Tipps: Arbeitszeugnis

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Quelle: Brightcove
Es gilt, was in der Firma gilt

Ein Angestellter wollte, dass seine Arbeitsergebnisse im Zeugnis mit «sehr gut» statt mit «gut» bewertet werden. Doch der Arbeitgeber war dazu nicht bereit. Die Bewertung «sehr gut» werde gemäss interner Praxis nur erteilt, wenn ein Mitarbeiter während längerer Zeit eine Vier («übertrifft die Erwartungen teilweise») auf einer Fünferskala erreiche. Der Mann habe im Schnitt aber nur eine Drei erreicht.

Das Zürcher Arbeitsgericht befasste sich eingehend mit dem Beurteilungssystem Mitarbeitergespräch Werde ich gerecht beurteilt? und gab dem Arbeitgeber schliesslich recht. Nach der im Betrieb gelebten Praxis habe der Angestellte nur ein «gut» verdient. So stehe es auch im letzten Zwischenzeugnis. Und dagegen hatte der Mann nicht protestiert.

Kündigungsgrund und Bedauern müssen nicht sein

Im Zeugnis muss nicht unbedingt stehen, ob Angestellte selber gekündigt haben oder entlassen wurden. Einem Angestellten wurde gekündigt, und er verlangte dennoch die Schlussformulierung, er gehe auf eigenen Wunsch und der Arbeitgeber bedaure das.

Das Arbeitsgericht Zürich lehnte die Forderung ab, da sie nicht der Wahrheit entsprach. Auch auf das «Bedauern» hatte der Mann keinen Anspruch: «Denn der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber nicht vorzuschreiben, wie sich dieser über das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu fühlen hat.»

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