Weit ist der Weg – zumindest für vier Kinder und ihre Familien, die im Kanton Schaffhausen auf dem Land leben. Von der Haustür bis zur Schule sind sie fast eine Dreiviertelstunde unterwegs: 30 bis 35 Minuten zu Fuss, 10 Minuten mit dem Bus. Der lange Weg ist mühsam. Was die Eltern aber noch mehr stört, ist die kurze Mittagspause. Wenn die Kindergarten- und Primarschulkinder erst einmal zu Hause sind, bleibt rund eine halbe Stunde für den Zmittag.

Zu wenig, fanden die Familien. Sie forderten einen Schulbus oder ein Mittagstisch-Angebot. Doch damit stiessen sie auf taube Ohren: bei der Gemeinde, beim Regierungsrat, beim Obergericht. Da hiess es unter anderem, die Busfahrt sei nicht anstrengend und könne zur Mittagspause hinzugerechnet werden. Mit dem Urteil gaben sich die Eltern nicht zufrieden – aber nun zogen sie auch vor dem höchsten Schweizer Gericht den Kürzeren.

Was ist ein zumutbarer Schulweg?

Ein Schulweg ist nicht nur Sache der Eltern. Kinder haben laut Bundesverfassung Anspruch auf Grundschulunterricht, und dazu gehört auch ein zumutbarer Schulweg. Was als zumutbar gilt, muss aber im Einzelfall geklärt werden. «Es gibt zwar keine pauschalen Regeln, aber einige Richtwerte», sagt Beobachter-Expertin Daniela Bleiker.

So ist es laut einem Faktenblatt von «Fussverkehr Schweiz» etwa zumutbar, dass eine Vierjährige einen Kilometer zu Fuss geht – nicht aber, dass sie den öffentlichen Verkehr benutzt. Der Fachverband listet verschiedene Kriterien auf, darunter:

  • Art des Schulweges: Länge, Höhendifferenz, Beschaffenheit
  • Gefährlichkeit: Verkehr, Hindernisse, Fussgängerstreifen
  • Gesundheit des Kindes: psychische und intellektuelle Fähigkeiten

Wenn ein Schulweg nicht zumutbar ist, müssen die Gemeinden Massnahmen treffen. Dazu gehören etwa Schulbusse, Mittagsverpflegung oder Verkehrslotsen. Das alles kostet allerdings – und der Ermessensspielraum ist gross. Deshalb kommt es immer mal wieder zu Klagen.

Die Busfahrt ist keine Freizeit

Im Fall der Schaffhauser Kinder hielt das Bundesgericht nun fest, dass der Schulweg zumutbar sei. Im Urteil werden die Situationen der Kinder einzeln betrachtet. Als besonders heikel wird der Schulweg der jüngsten Schülerin eingestuft: Mit sechseinhalb Jahren hat sie nur 30 Minuten Mittagszeit, was «sicherlich nicht ideal» sei. Zur Zeit der Klage besuchte sie den Kindergarten allerdings nur an einem, nach Übertritt in die erste Klasse an zwei Nachmittagen. Unter diesen Umständen sei die kurze Pause «gerade noch zumutbar». Auch bei den anderen Kindern beruft sich das Gericht auf einzelne freie Nachmittage.

In vergleichbaren Fällen hatten Eltern ebenfalls schlechte Chancen. Oft wird darauf verwiesen, dass ein Teil des Weges auch mit einem Fahrrad oder Trottinett zurückgelegt werden könne. «Es ist viel mehr zumutbar, als Laien denken würden», sagt Beobachter-Expertin Daniela Bleiker. «Das Urteil zeigt, dass Richtwerte nicht in Stein gemeisselt sind.» So heisst es etwa bei Fussverkehr Schweiz, die Mittagszeit zu Hause sollte mindestens 45 Minuten betragen.

Einen Punkt sieht das Bundesgericht aber anders als das Schaffhauser Obergericht: Eine Busfahrt gehöre zum Schulweg – und definitiv nicht zur Pause.