Eine lange Partnerschaft schweisst nicht nur emotional zusammen. Sie prägt auch körperlich. Logisch: Wer lange zusammenlebt, teilt einen nahezu identischen Lebensraum. «Zusammen über das Gleiche lachen, weinen, denken und fühlen, gemeinsam etwas unternehmen, Kinder erziehen, zusammen essen, das sind Dinge, die in Partnerschaften ständig passieren», sagt der Zürcher Persönlichkeitspsychologe Willibald Ruch.

Das Immunsystem

Die Gemeinsamkeiten erstrecken sich sogar auf das Immunsystem. Forscher einer Amsterdamer Universität liessen Paare sich auf Kommando intensiv küssen – und stellten fest, dass sie dabei jeweils bis zu 80 Millionen Bakterien austauschten. So gleicht sich die Mundflora der Partner dauerhaft an, denn die meisten Einzeller nisten sich auf der Zungenoberfläche ein. Darunter viele Parodontose-Bakterien, die das Zahnfleisch schädigen, aber auch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Andererseits werden auch jede Menge gute Vertreter ausgetauscht, die Darm und Schleimhäute vor Krankheitserregern schützen.

Spenden sich Partner eine Niere Organspende Schatz, ich geb dir meine Niere oder einen Leberlappen, so fällt die Abstossungsreaktion oft weniger heftig aus, da das Immunsystem bereits die durch Küssen und Körperflüssigkeiten übertragenen Eiweisse des Spenders kennt.

Aber auch die gemeinsame Umwelt wirkt auf die Immunsysteme beider, sagt Adrian Liston von der Katholischen Universität Leuven in Belgien. Die örtliche Luftverschmutzung und Allergenbelastung spielen eine Rolle, Viren und Bakterien im gemeinsamen Haushalt beeinflussen die Darmflora, der Nachwuchs bringt aus Kindergarten und Schule Keime mit, Haustiere Erreger aus Wald und Garten.

Die Erkrankungen

Das gemeinsame Lebensumfeld kann auch ähnliche Krankheiten auslösen. Wenn der eine Partner unter Asthma, Depressionen Beziehung «Ich glaube, mein Mann ist depressiv» , Bluthochdruck, schlechten Blutfettwerten oder einem Magengeschwür leidet, hat auch der andere ein erhöhtes Risiko dafür – das fanden Forschende der Universität Nottingham bereits 2002 heraus. Der Grund: gleiche Umweltbedingungen, fast identische Lebens- und Ernährungsgewohnheiten.

Andersrum gilt aber auch: Ein gesunder Lebensstil wirkt sich positiv auf die Gesundheit des Partners aus. Viele Männer verringern in der Ehe ihren Alkoholkonsum, wenn die Frau eher wenig trinkt. Das zeigt eine Studie der Universität Cincinnati von 2012. Ähnliches gilt für das Rauchen.

«Es liegt in der Psyche des Menschen, positive Merkmale von anderen unbewusst nachzuahmen, um sich ständig selbst zu verbessern.»

Willibald Ruch, Persönlichkeitspsychologe

Unter dem Strich scheint dem Körper eine lange Partnerschaft gutzutun, denn in den westlichen Industrienationen leben verheiratete Männer rund acht Jahre länger als unverheiratete, bei den Frauen macht die vieljährige Zweisamkeit immerhin einen Unterschied von drei Jahren.

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Was Paare stark macht
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Das Aussehen

Dass sich Paare mit den Jahren optisch angleichen, beschäftigte den Sozialpsychologen Robert Zajonc von der Universität Michigan während 30 Jahren. Oft haben sie Falten und Furchen am gleichen Fleck – Zajonc erklärte es damit, dass sie in all den Jahren ähnlich häufig die gleichen Gesichtsmuskeln anspannen, wenn sie lächeln, die Augen verengen, den Mund zusammenkneifen.

Das prägt sich umso mehr ins Gesicht ein, weil sich Partner mit der Zeit imitieren. «Es liegt in der Psyche des Menschen, positive Merkmale von anderen unbewusst nachzuahmen, um sich ständig selbst zu verbessern», sagt Psychologe Willibald Ruch. «Umso mehr beim eigenen Partner.»

Hinzu kommt: Viele Partner gleichen sich schon zu Beginn der Beziehung – wenn auch für andere noch nicht deutlich erkennbar. Denn viele orientieren sich bei der Partnerwahl an einem vertrauten Gesicht. So ähnelt bei Frauen der Partner oft dem eigenen Vater, bei Männern die Partnerin der eigenen Mutter. Zudem tun sich häufig Schlanke mit Schlanken und Fülligere mit Fülligeren zusammen.

Die Persönlichkeit

Der grundlegende Charakter ändert sich auch nach langen Jahren nicht wesentlich, weiss die Psychologie. «Trotzdem haben manche die Eigenschaft, das Gute und Schöne in anderen als Antrieb zu nehmen, sich selbst zu verändern, es zu übernehmen – weil es sie beeindruckt und motiviert», sagt Ruch. Dadurch runden sich Kanten ab: Scheue werden munterer, Aufgeschreckte ruhiger, Konservative pragmatischer.

Erzwingen sollte man die Paarsymbiose allerdings nicht. «Mir fällt oft auf, dass Paare beinahe verzweifelt darauf aus sind, ihre Gemeinsamkeiten, Harmonie, Einheit und Einigkeit zu betonen und herauszuarbeiten», sagt der Berner Paarpsychologe Klaus Heer. Dabei seien doch die Unterschiede viel faszinierender. «Es sind die Differenzen zwischen den Partnern, die auch nach Jahrzehnten die Beziehung wach und empfindsam halten.»

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