«Zu Hause ist es praktischer»

Lara Sommer*, 23, Medizin-Studentin, 7. Semester


Wir wohnen in einem grossen Haus, da kommen alle aneinander vorbei. Meine Eltern, die jüngere Schwester und ich. Die beiden älteren Geschwister sind mit 18 und 19 ausgezogen. Ich bin jetzt 23 und finde: Zu Hause ist es praktischer.

Einen Haushalt zu führen braucht viel Zeit. Kochen, waschen, putzen. Es ist angenehm, wenn jemand das für einen erledigt. Aber es ist nicht so, dass ich nicht mithelfen würde. Bei uns gibts dafür einen Ämtliplan Erziehung Darum sind Ämtli so wichtig . Momentan bin ich dran mit Badezimmer putzen und saugen. Für den Vater wärs finanziell eher eine Belastung, wenn ich ausziehen würde. Als Medizinstudentin bleibt mir nicht viel Zeit für einen Nebenjob. Trotzdem helfe ich einmal die Woche in einem Restaurant aus. Einfach, weils Spass macht.

Derzeit gibt es auch keinen Grund, die Koffer zu packen. Wir haben es gut. Eigentlich fühle ich mich erwachsen. Aber noch ziemlich von den Eltern abhängig. Sie bezahlen auch das GA, die Versicherung.

Ich denke, wenn man sich um alles allein kümmern muss, ist man erwachsen. Ich freue mich auf diesen Moment. Gleichzeitig macht es mir auch Angst. Es ist halt bequem, so wie es ist. Weniger stressig.

Die Medizin macht mich glücklich. Das ist mehr als nur ein Beruf für mich. Darum will ich Ärztin werden, zuerst ein paar Jahre in einem Spital, dann in einer Praxis. So liesse sich das mit der Familie besser vereinbaren.

Aber das alles ist momentan noch weit weg. Ich denke nicht so gern daran. Sonst machte ich mir ständig Sorgen: Bringe ich jemals alles unter einen Hut?

«Warum sollte ich ausziehen?»

David Bleicher*, 24, Jus-Student im 6. Semester


Ich wohne daheim, um Geld zu sparen. Die Fahrt im Tram zur Uni dauert eine halbe Stunde. Warum sollte ich da ein WG-Zimmer für Hunderte von Franken mieten? Meine Eltern sind sehr tolerant, das Zusammenleben funktioniert prima. Ich muss zu Hause mithelfen, klar, aber das müsste ich in einer WG ja auch. Ich bügle zum Beispiel meine Hemden selber. Das dauert jeweils zwar etwas länger als wenn es die Mutter macht, aber ich arbeite daran.

Es gibt kein fixes Datum, an dem ich ausziehen muss. Aber eine ständige Deadline: Solange ich nicht auf der faulen Haut liege, ist alles in Ordnung. Für Kost und Logis kommen die Eltern auf, den Rest bezahle ich aus der eigenen Kasse. Ich habe mich mit einer kleinen Firma selbstständig gemacht. Wir bieten Rechtsberatungen an, verkaufen Versicherungen. Für einen Studenten kommt da genügend zusammen.

Ob ich erwachsen bin, weiss ich nicht. Auch daran arbeite ich. Was macht denn einen Erwachsenen aus? Ist es jemand, der seine Rechnungen selber zahlt? Ich finde nicht.

Für mich ist das Alter ein Geisteszustand. Wenn man erwachsen wird, verändert sich das Denken. Die Prioritäten verschieben sich. Ich stelle etwa fest, dass ich langfristiger denke. Also werde ich wohl langsam erwachsen. Aber will ich das denn? Wenn Erwachsensein bedeutet, im Hamsterrad zu drehen wie alle andern, dann ist das nichts Erstrebenswertes für mich. Wenn es bedeutet, dass es dann vorbei ist mit dem Spass, dann ist das nichts für mich.

Natürlich habe ich Ziele im Leben. Geld verdienen gehört dazu, logisch. Aber nicht nur. Ich habe nicht vor, die klassische Jus-Karriere zu machen. Nur, um danach 15 Stunden in einer Kanzlei zu rackern. Ich will beides: Karriere und Selbstverwirklichung, mein eigenes Ding durchziehen. Dazu gehört eine Familie gründen, Sicherheiten. Ich mag es nicht, wenn mir ein Chef sagt, was ich zu tun habe.

* Alle Namen geändert

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Peter Aeschlimann, Redaktor
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