Der Lebenspartner ist gefunden, die Familie gegründet. Was jetzt noch fehlt, ist der Nestbau. Eine Familie braucht ein Heim, in dem man sich für lange Zeit einrichtet. Doch wie soll es aussehen? Und worauf muss man achten, damit sich am neuen Wohnort alle wohl fühlen?

Punkt 1: Welches Objekt eignet sich?

Soll es ein frei stehendes Häuschen, ein Reihenhaus in einer Siedlung oder doch lieber eine Eigentumswohnung sein? Susanne Gysi vom Wohnforum der ETH Zürich spricht der Wohnsiedlung das Wort. Das frei stehende Familienhaus mit Garten und Umschwung auf dem Land hält sie für nicht mehr zeitgemäss. Es habe früheren Lebensentwürfen entsprochen. «Nach dem Zweiten Weltkrieg war man noch auf den eigenen Gemüsegarten angewiesen», sagt die Wohnexpertin. «Doch heute verbringen Frauen nicht mehr den ganzen Tag daheim, hüten die Kinder und pflegen Haus und Garten.» Dass sich das Rollenverständnis von Elternpaaren verändert hat, zeigen auch die Zahlen des Bundesamts für Statistik: Während sich 1990 noch fast 60 Prozent der Mütter ausschliesslich zu Hause um die Kinder kümmerten, sind heutezwei Drittel erwerbstätig. Mit den neuen Lebensentwürfen haben sich auch die Wohnbedürfnisse verändert.

«In den nächsten zwei, drei Jahrzehnten werden viele frei stehende Einfamilienhäuser auf den Markt kommen», sagt Susanne Gysi. «Doch sie werden sich schlecht verkaufen», prognostiziert sie. «Die Häuser entsprechen nicht mehr heutigen Wünschen. Nicht nur vom Rollenverständnis der Paare her, sondern auch weil die Schweiz urbaner wird und immer mehr Leute in der Stadt oder deren näherer Umgebung wohnen.»

Zeitgemässer und zugleich der Familie angemessener sei die Wohnsiedlung. Qualitäten des Einfamilienhauses – wie eigene Identität, private Aussenräume und grosszügige Nebenräume – liessen sich auch in kleineren Mehrfamilienhäusern realisieren. Die Wohnsiedlung sei auch die nachhaltigere Wohnform. Und zwar aus den folgenden Gründen: Erstens ist sie wirtschaftlicher; die Bau-, Erschliessungs- und Unterhaltskosten sind tiefer. Zweitens ist sie ökologischer; die Wohneinheiten verbrauchen weniger Land und Energie für Bau und Unterhalt. Drittens ist sie sozialer. Die Kinder finden Spielkameraden in unmittelbarer Nähe, und die Eltern können Kontakte knüpfen und sich im Idealfall beim Kinderhüten unterstützen.

Punkt 2: Wie soll der Grundriss aussehen?

Ein weiteres zentrales Kriterium bei der Suche nach dem passenden Eigenheim ist der Grundriss: «Ein Haus steht 100 Jahre, die Familienphase dauert aber nur 20 Jahre», gibt Susanne Gysi zu bedenken. Wohnbedürfnisse veränderten sich im Lauf der Jahre. «Kinder werden gross und ziehen aus, ein Haustier gesellt sich zur Familie, die Grossmutter will vorübergehend betreut sein. Viel Wohnfläche allein bringt darum nichts.» Vielmehr müsse der Raum flexibel nutzbar sein. Gysi plädiert für nutzungsneutrale Räume. Mindestens ein Teil der Räume sollte unterschiedliche Nutzungen zulassen. «Der Grundriss muss es erlauben, dass Räume umgestaltet werden», sagt Gysi. Etwa indem Räume durch Entfernen einer Wand zusammengelegt werden oder indem man einen grossen Raum mit einer Gipswand zu zwei kleineren Einheiten macht.

Als ideal gilt auch, wenn später eine Einlegerwohnung ins Einfamilienhaus eingebaut werden kann. Oder wenn ein Zimmer einer Wohnung über einen direkten Zugang vom Treppenhaus verfügt. «Das erlaubt es zum Beispiel Jugendlichen, abends auszugehen, ohne von den Eltern kontrolliert zu werden», begründet Susanne Gysi. Ebenso sei es möglich, das Zimmer einmal unterzuvermieten, was bei knappem Budget über die Runden helfen könne. Praktisch ist ein separates Zimmer auch als Büro, in dem man Kunden empfangen kann, ohne dass diese die privaten Räume betreten müssen. Mögliche Veränderungen langfristig im Auge zu haben sei wichtig. «Ein Grundriss sollte mit allen Zyklen des Familienlebens kompatibel sein», rät Susanne Gysi.

Punkt 3: Was bietet das Wohnumfeld?

Für Kinder wiederum muss das Wohnumfeld stimmen. «Kinder brauchen Freiraum, um sich gesund entwickeln zu können. Sie müssen sich frei bewegen können», sagt Marco Hüttenmoser, Leiter der Forschungs- und Dokumentationsstelle Kind und Umwelt in Muri. «Sie müssen ihr Spielterrain selber erreichen, damit sie nicht von den Eltern abhängig sind.» Problematisch seien stark befahrene Strassen, die den Weg zum Spielplatz, zum Wald oder zum Freund vis-à-vis abschnitten. Das gilt auch für das weitere Umfeld: Kinder sollten sicher zum Fussballklub, ins Ballett oder in den Musikunterricht kommen können, ohne immer von Mami oder Papi chauffiert werden zu müssen.

Darum hält auch Marco Hüttenmoser die Siedlung für die ideale Wohnform für Familien: «Sie sind zum Teil mit Tempo-20-Zonen verkehrsberuhigt oder sogar ganz vom Autoverkehr befreit. Das erlaubt es den Kindern, sich draussen mit anderen Kindern der Siedlung zu treffen und auf der Strasse zu spielen.»

Zentral ist auch das ausserfamiliäre Betreuungsangebot. Gibt es Krippenplätze in der Siedlung, im Dorf, im Quartier? Kann man die Kinder innert vernünftiger Zeit in den Hort bringen und abholen? Liegt der Kindergarten in Gehdistanz? Sind die Wege so sicher, dass die Kleinen selber hingehen können und nicht jedes Mal gefahren werden müssen? Und kann man Primarschule und Oberstufe zu Fuss oder per Velo erreichen? «Ausschlaggebend ist, ob die Schulgemeinde Tagesstrukturen anbietet», findet Susanne Gysi. «Es gibt zum Glück immer mehr Orte mit Blockzeiten im Schulunterricht, Mittagstischen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten.»

Post, Apotheke, Arzt und Einkaufsmöglichkeiten dürfen bei den Vorabklärungen ebenfalls nicht vergessen werden. Liegen diese nahe, spart man Zeit und lange Wege – und kann ältere Kinder auch einmal allein zum Einkaufen schicken.

In Zeiten hoher Mobilität ist die Verkehrsanbindung ein weiteres Element, das Beachtung erfordert. Wer häufig mit dem Auto unterwegs ist, braucht eine gute Anbindung ans Strassennetz. Nicht unterschätzen sollte man dabei die Kosten der Mobilität: Das Haus im Grünen mag zwar dank dem preiswerten Bauland günstig sein, dafür steigen die Kosten, wenn ein zweites Auto nötig wird. Günstiger fährt, wer Anschluss an den öffentlichen Verkehr hat. Praktisch ist es, wenn die Bus- oder Tramhaltestelle gleich um die Ecke liegt und der Bahnhof schnell erreicht werden kann.

Punkt 4: Arbeiten Sie mit Profis!

Zu guter Letzt rät Wohnexpertin Susanne Gysi künftigen Bauherren und -frauen, sich einen guten Architekten auszusuchen: «Sobald man das Wunschgrundstück hat, ist ein guter Architekt das Allerwichtigste. Wer baut, sollte sich seriös mit seiner Rolle als Bauherrin oder Bauherr auseinandersetzen.»

Das ist leider nicht immer der Fall, wie Susanne Gysi aus Erfahrung weiss: «Oft wissen die Leute erst, wenn das Haus steht, worauf es angekommen wäre.»

Gut informiert – der Schlüssel zum Eigenheim

Ein Haus baut oder kauft man meist nur einmal im Leben. Die richtige Information im Voraus lohnt sich also. Ein paar Links: