7 Fragen und Antworten zur Lebensarbeitszeit:
Worum geht es bei der Lebensarbeitszeit?
Anfang Mai hat der Nationalrat das Postulat zur «Lebensarbeitszeit» der Mitte-Partei angenommen. Die Partei glaubt, dass damit das Rentensystem fairer gestaltet und gleichzeitig die AHV stabilisiert werden kann. Statt einem fixen Pensionsalter sollen alle Personen 44 Jahre lang arbeiten, um Anspruch auf eine volle Rente zu erhalten. Personen, die erst später ins Berufsleben einsteigen, sollen demnach später pensioniert werden. Zum Beispiel Akademikerinnen und Akademiker.
Was sind die Vorteile des Modells?
Florian Schubiger von der Vorsorgeberatungsfirma Vermögenspartner AG ist unabhängiger Finanzexperte. Er findet das Lebensarbeitszeitmodell ein «effizientes und faires System». Personen mit hohem sozialem Status würden in der Regel eine längere Ausbildung geniessen, sagt er. Das würde durch die Kopplung des Rentenalters an die Beschäftigungsjahre berücksichtigt werden. Wer zum Beispiel erst mit 27 Jahren berufstätig wird, kann erst mit 71 Jahren in Rente. Wer hingegen schon mit 20 Jahren ins Berufsleben einsteigt, soll mit 64 Jahren vorzeitig pensioniert werden.
Was sind die Schwierigkeiten bei der Lebensarbeitszeit?
«Die Hauptfrage ist, wie die Erwerbsarbeit definiert wird. Viele Personen haben ein 80-Prozent-Pensum. Diese arbeiten am Ende etwa sechs Jahre weniger als jene mit einem 100-Prozent-Pensum», sagt Schubiger. Zudem seien auch viele Studierende erwerbstätig. Tatsächlich üben laut dem Bundesamt für Statistik drei von vier Studierenden einen Job aus. Das Teilzeitstudium ist ein beliebtes Modell für Studierende, die bereits fest im Berufsleben verankert sind. Eine weitere Frage sei, wie mit Selbständigen umgegangen werde, so Schubiger. «Die Kontrolle solcher Aspekte wird auf jeden Fall deutlich komplizierter sein als heute.»
Wieso genau 44 Jahre?
«Die 44 Jahre sind ein Zahlenbeispiel und entsprechen der aktuellen Arbeitszeit bis zur Pension nach einem Abschluss der Lehre oder eines Bachelors», sagt Schubiger. «Der Knackpunkt ist aber auch hier wieder die Definition der Erwerbstätigkeit. Abhängig davon braucht es eine Neuberechnung der Beitragsjahre. Ansonsten besteht Gefahr, dass ein Grossteil der Gesellschaft zukünftig länger arbeitet als heute.»
Wie geht es nun weiter mit dem Vorschlag zur Lebensarbeitszeit?
Die Mehrheit des Nationalrats hat den Vorschlag gutgeheissen. Über einen allfälligen Reformvorschlag des Bundesrats wird im Parlament aber nochmals diskutiert werden. Auch ein Referendum und somit eine Volksabstimmung ist wahrscheinlich.
Wann die Lebensarbeitszeit somit tatsächlich Realität wird, sei schwer zu sagen, sagt Schubiger. «Es wäre eine riesige Umstellung im System, die vielleicht in zehn Jahren, vielleicht auch später eintreten wird.» Das hänge davon ab, was der Bundesrat nun ausarbeiten würde. Dieser ist nun beauftragt, für die Periode von 2030 bis 2040 einen AHV-Stabilisierungsplan zu erarbeiten. Dabei soll speziell der Begriff der Erwerbstätigkeit nach Beschäftigungsgrad und Einkommen definiert werden. Auch die Dauer der Erwerbstätigkeit mit Unterbrüchen muss geregelt werden.
Was spricht gegen das Modell der Lebensarbeitszeit?
Gegen den Vorschlag der Mitte-Partei sind die SP und die Grünen. Das Hauptargument ist, dass nicht jede lange Ausbildungszeit automatisch zu einem Beruf mit guten Arbeitsbedingungen führe. Wer sich lange ausbilde und danach wenig verdiene, werde bestraft.
Was heisst das für mich konkret?
Sollte die Reform jemals zustandekommen, wird es noch Jahre dauern, bis sie in Kraft treten könnte. Ausserdem müsste es eine Übergangsfrist geben, denn: «Menschen, die jetzt studieren, wären von der Änderung betroffen», sagt Schubiger. Das sei schwierig, weil manche Personen nach dem jetzigen System eine Entscheidung über ihre Ausbildung getroffen hätten, die nach dem neuen System anders ausfallen könnte. Es bleibe abzuwarten, wie lang die Übergangszeit sein wird. Genaue Aussagen seien zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu treffen.
5 Kommentare
Voluntariate in Vereinen beispielsweise müssten auch berücksichtigt werden. Aber Ich denke, es geht einzig darum, den AHV und PK Töpfe zu schützen, in dem möglichst viele erst später zu Rentenbezügern werden.
Wann kommt endlich der Wandel von Arbeits- in eine Sinngesellschaft, den
die fortschreitende Automatisierung und KI ermöglichen. Und wann kehren wir vom Konsum ab?
Der Ansatz mag stimmen. Studierende arbeiten ja auch - nur ohne Bezahlung oder um das Studium zu finanzieren in "unterbezahlten" Ferien- und Wochenendjobs. Sinnvoller wäre der Ansatz: wer nur 80 % arbeitet soll nur 80% der Maximalrente erhalten. Dabei sollten auch "unbezahlte" Freiwilligenarbeit zugunsten der Allgemeinheit als auch Erziehungs- und Betreuungsarbeit berücksichtigt werden. Auch die Vermögensverhältnisse sollten berücksichtigt werden. Wer viel geerbt oder sein Vermögen durch Spekulation erworben hat, ohne dafür gearbeitet zu haben (denn Geld kann bekanntlich nicht arbeiten....) und damit einen angemessenen Lebensstandart finanzieren kann, soll keine Rente erhalten. Durch Arbeit ersparte Vermögenswerte sollen dabei unangetastet bleiben. Ich sehe dabei aber ein grundsätzliches Problem: wer viel hat der möchte wenig abgeben! Und wer ist alles im Parlament vertreten ?
Es sollen einfach 44 Jahre Beitragsjahre für eine volle Rente sein. Wenn also Studierende während ihres Studiums arbeiten und AHV-pflichtig sind, wird das angerechnet und sonst nicht.
Dieses Modell ist grundsätzlich eine gute Idee und trägt dem Umstand Rechnung, dass Personen in körperlich schweren und abnutzenden Berufen (Baustellen, Pflege etc.) nicht bis 70 oder darüber im Erwerbsleben ausharren müssten.
Der Teufel liegt - wie im Artikel angedeutet - im Detail.
Man wird sehen, ob dieses Parlament eine Vorlage ausarbeiten wird, bei der die Interessen austariert sind und die von der Mehrheit mitgetragen wird.
Da das Parlament vor lauter Klientelpolitik kaum mehr in der Lage scheint, ausgewogene Vorlagen zu erarbeiten, bin ich nicht optimistisch.
Leute, sieht dass ihr privat gut vorsorgt! Verlasst euch nicht auf eure Volksvertreter!