Schulden bei der Krankenkasse: Nur ein Kanton hilft Betroffenen
Die Kantone könnten Versicherte von hohen Krankenkassenprämien befreien – für wenig Geld. Doch nur ein Kanton nutzt die Option.
Veröffentlicht am 2. Juli 2025 - 10:28 Uhr
Teufelskreis: Wer Schulden bei der Krankenkasse hat, kann nicht zu einer günstigen wechseln – und verschuldet sich immer mehr.
Ist die Krankenkasse zu teuer? Kein Problem, einfach zu einer günstigeren wechseln. Der Haken: Man kann nicht wechseln, solange man unbezahlte Rechnungen hat – egal ob für Prämien, Kostenbeteiligungen oder Verzugszinsen. So will es das Gesetz. Monat für Monat kommen so weiter die hohen Prämienrechnungen, im schlimmsten Fall beginnt die Schuldenspirale zu drehen.
Seit 1. Juli 2025 können die Kantone hier einspringen, indem sie den Krankenkassen die Verlustscheine abkaufen und selbst Gläubiger werden. Die Folge: Die Versicherten werden frei, die Kasse zu wechseln und so ihr Budget zu entlasten.
Nur 5 Prozent Mehrkosten
Viele zusätzliche Kosten fallen für die Kantone dafür nicht an. Denn sie müssen den Krankenkassen ohnehin 85 Prozent der gesamten offenen Rechnungen bezahlen, auch das steht im Gesetz. Die neue Regelung bestimmt, dass sie für 90 Prozent die Verlustscheine der Kassen übernehmen können – also für nur 5 Prozent mehr.
Welche Kantone machen davon Gebrauch? Der Beobachter fragte bei allen 26 Kantonen nach. Einzig der Kanton Neuenburg beantwortete die Frage mit Ja. Nein sagen Appenzell Ausserrhoden, Bern, Nidwalden und Thurgau. Nidwalden gibt an, bereits einzugreifen, bevor es zu Verlustscheinen kommt. Der Thurgau hilft säumigen Prämienzahlern mit einem Case Management.
Nur im Moment beteiligen sich Glarus, Luzern, Schwyz, Solothurn, St. Gallen, Uri und Zürich nicht am System. Noch unschlüssig sind Aargau, Basel-Landschaft, Jura, Schaffhausen und Zug.
Es besteht Grund zur Hoffnung: Jedes Jahr können die Kantone bis 1. Dezember neu entscheiden, ob sie im folgenden Jahr die 5 Prozent drauflegen wollen.
«Längerfristig fallen weniger Sozialausgaben an.»
Pascal Pfister, Schuldenberatung Schweiz
Pascal Pfister von der Schuldenberatung Schweiz hofft, dass die 25 übrigen Kantone auch noch aufspringen. Seiner Meinung nach sollte das neue System die Regel sein. Denn: «Krankenkassenprämien sind bei knappen Budgets ein grosser Posten. Es würde sehr helfen, wenn Versicherte ihn durch eine günstigere Prämie senken können», sagt er zum Beobachter.
Und wenn weniger Menschen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, sparen am Schluss auch die Kantone: «Längerfristig fallen weniger Sozialausgaben an.»
Das bestätigt Nora Goll, Rechtsanwältin bei der Berner Schuldenberatung: «Personen, die langfristig in der Schuldenfalle gefangen bleiben, verursachen mittelfristig höhere Kosten für Sozialhilfe, Prämienverbilligungen, Inkassoverfahren und gesundheitliche Folgekosten.»
- Krankenversicherungsgesetz (KVG): Artikel 64a Absatz 6
- Verordnung über die Krankenkasse (KVV): Artikel 105fbis