Aufgezeichnet von Melanie Keim:

Die ersten Taxitransporte machte ich illegal, Anfang der Siebzigerjahre in Zürich. Ich arbeitete als Automechaniker für ein Taxiunternehmen. Am Morgen musste ich mit einem Kollegen jeweils die reparierten Taxis Probe fahren. Manchmal nahmen wir eben jemanden mit und verdienten so unseren Znüni. Den Chef kümmerte das eigentlich nicht, er warnte uns nur vor der Gewerbepolizei. So machte ich die Taxiprüfung.

1982 gründete ich mein Transportunternehmen in Disentis GR, wo ich aufgewachsen bin. Kurz darauf fragten mich die Bergbahnen an, ob ich für sie die Verletzten transportieren würde. Den Leuten helfen, das hat mich immer interessiert. Also machte ich die Ausbildung zum Transportsanitäter. Von unserem Stützpunkt in Disentis deckten wir die obersten Gemeinden der Surselva ab. Auf der längsten Strecke sind es 52 Kilometer bis ins Spital Ilanz.

Arbeiten als Freundschaftsdienst

In den Bergen haben alle Rettungsdienste das gleiche Problem: Es ist schwierig, Rettungssanitäter zu finden. Wir haben mit Freelancern aus Ilanz, Chur, Zürich oder St. Gallen gearbeitet. Die meisten kamen nur einen, maximal zwei Tage pro Monat zu uns hinauf. Weshalb sie kamen? Wegen des Geldes ganz sicher nicht. In der Stadt hätten sie das Doppelte verdient. Sie kamen als Freunde. Viele assen bei meiner Familie am Tisch, und dank eines Jahresabos der Bergbahnen konnten alle einen Tag auf der Piste anhängen.

Meine Tochter, die Buchhalterin ist, fragte mich oft, ob ich die Ambulanz nicht aufgeben wolle. Sie war fast von Beginn an ein Verlustgeschäft. Doch unsere Freelancer schauten eben nicht so genau auf die Uhr, sie arbeiteten 15 Stunden und schrieben 12 auf. Auch mein Sohn half aus, ohne Bezahlung. Und ich arbeitete 320 Tage im Jahr, ob es nun 10 oder 24 Stunden waren. Ich weiss nicht, wie ich das einordnen soll. Da war einfach immer diese Freude an der Arbeit.

Der Bestatter

Corona habe ich mit der Ambulanz fast nicht mehr erlebt. Auf den April 2020 habe ich den Vertrag mit dem Spital Ilanz gekündigt, ich war 70. Eigentlich wollte ein Team von mir den Standort übernehmen. Doch damit alle Arbeit bezahlt gewesen wäre, hätten sie vom Spital einen Zuschuss benötigt. Nun deckt das Spital unser Gebiet ab, und wir machen gewöhnliche Transportfahrten, bringen die Schüler von einigen Weilern zur Schule und nehmen gleich die Post mit.

«Ich verbrachte ein paar Tage bei einem Bestatter und ­begann dann selbst mit Einsargen.»

Ignaz Furger, 72, Transportunternehmer

Und dann gibt es noch den Leichenwagen. Auch das eine spezielle Geschichte. Nach zehn Jahren im Geschäft fragte mich ein Schreiner, ob ich seine Leichentransporte übernehmen könne. Ein Konkurrent hatte ihn angezeigt, weil er für die Leichen kein separates Auto hatte – in der Schweiz darf man Leichen nicht mit anderen Dingen transportieren. Also kaufte ich einen Wagen, übernahm seine Särge, verbrachte ein paar Tage bei einem Bestatter in Chur und begann dann selbst mit Einsargen und Transportieren. Ja, ich war auch der Bestatter von Disentis. Hier oben ticken die Uhren eben etwas anders.

Dieses Jahr übergebe ich das Geschäft an meinen Nachfolger, inklusive Shuttle-Transport für die Bergbahnen. Die beklagten sich darüber, dass die Verunfallten Skiunfall Zahlt die Unfallversicherung? mit der neuen Ambulanzlösung oft zu lange warten müssen. Also fragten sie bei uns an, ob wir Leichtverletzte nicht doch zum Arzt fahren könnten. Wir bauten das Alpentaxi, das wir im Winter ohnehin nicht benötigen, so um, dass wir die Verletzten mit dem Rettungsschlitten gleich in den Wagen schieben können. Und sind so doch wieder ins Rettungsgeschäft reingerutscht.

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