Den Grossteil meiner E-Mails erhalte ich nicht von Menschen, sondern von Maschinen. Mein Postfach ist rappelvoll mit Spam, Newslettern, Bestellbestandsbestätigungen und Abwesenheitsnotizen.

Mit den meisten dieser automatischen Nachrichten kann ich leben, aber Abwesenheitsnotizen treffen mich hart. Als freischaffender Autor begegnen sie mir immer, wenn ich mit einem Mitglied der festangestellten Klasse Kontakt aufnehmen will – und scheitere. Es ist unglaublich frustrierend. Abwesenheitsnotizen sind der digitale Burggraben jeder grossen Firma, das Statussymbol des modernen Sesselfurzers.

Formal sind sie alle gleich. Freundlich, kurz und professionell erklären sie mir, dass die gesuchte Person in den Ferien ist, ein Schweigeseminar besucht oder eine verlängerte Mittagspause macht. Kurz: dass sie Besseres zu tun hat, als mir zu antworten.

Dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben. Ich habe alles in meine E-Mail gepackt: Witz, Esprit und Strichpunkte. Mehrere Strichpunkte! Ich war ja so stolz. Doch die Abwesenheitsnotiz liess mich ins Messer laufen. Sie hatte nicht mal den Anstand, ein paar Minuten zu warten, bevor sie mir den Wind aus den Segeln nahm. Wie ein Orakel prophezeit sie, dass meine Zeilen für immer unbeantwortet bleiben werden. Dass ich weder gelesen noch weitergeleitet werde und dass mir in dringenden Fällen höchstens Tanja aus dem Marketing weiterhelfen kann.

Das einzig Gute an Abwesenheitsnotizen ist das Wissen, dass sie immer weniger bedeuten. In Zeiten konstanter Verfügbarkeit lesen wir eh dauernd unsere Mails. Auch in den Ferien. Auch im Schweigeseminar. Die Abwesenheitsnotiz wird bedeutungslos. Nach einem Arbeitstag voller unbeantworteter E-Mails stehe ich auf dem Balkon und schaue in den nächtlichen Himmel.

Ich realisiere: Auch die Sterne sind nichts anderes als die Abwesenheitsnotiz eines Schöpfers an seine Schöpfung; vor Äonen installiert und dann alleingelassen. Sie lassen mich wissen, dass ich keine Antwort zu erwarten habe, egal, wie laut ich in die Nacht hinausschreie. Dass ich alleine bin. Dass wir alle alleine sind und uns niemand helfen kann. Ausser vielleicht Tanja aus dem Marketing. Aber nur in dringenden Fällen.

Meine Bewertung für Abwesenheitsnotizen: ★★☆☆☆

Zur Person
Patrick «Karpi» Karpiczenko