«Früher war alles besser», sagte man mir immer wieder. Meine Primarschullehrerin, die den Zeiten nachtrauerte, als Schülern noch Ehrfurcht eingebläut wurde. Arbeitskollegen auf der Redaktion, die sich damals ausreichend Zeit nehmen konnten, um ihre Artikel zu perfektionieren.

Die Kassiererin im Konsum, die mir neulich erzählte, wie schön das doch war, als sie noch die Musse für ein Pläuderchen mit der Kundschaft hatte. Eine Freundin aus der Werbebranche, die sich mit Freude daran erinnerte, wenn es eine Kampagne auf die Titelseiten der Tageszeitungen geschafft hatte und das ganze Land darüber redete.

Auch ich erinnere mich gern an Momente zurück, als das Leben noch besser war. Oder zumindest einfacher. Als man für ein Date noch persönlich angesprochen werden musste, ohne dass ein virtuelles «Like» zweideutige Signale sendete. Als wir Fotos nur einmal schossen und dann mit der Familie in ein Album klebten, das einen Schatz an Anekdoten barg.

Ich vermisse auch die Zeit, als das Leben noch langsamer war. Entschleunigt. Als man nicht immer und überall erreichbar war und alles seine Zeit beanspruchen durfte.

«Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit», sagte nicht nur Friedrich Schiller, sondern auch Grossmama Sylejmani. Und war dabei stets ihrer Zeit voraus: Ihr grösster Wunsch war es, dass Frauenstimmen sich Gehör verschafften. Sie hatte grosse Visionen für ihre Töchter und Enkeltöchter, die sie wundervoll in inspirierende Geschichten verpackte und uns als Erbe hinterliess. Wir konnten und sollten die Welt anführen, sie heilen, meinte sie.

Nach dem Krieg im Kosovo begegnete sie mir in den Frauen, die diese Vision weitergaben. Sie erzogen die Mädchen, die mit Gewalt und Zerstörung aufwachsen mussten, zu selbstbestimmten, lautstarken Frauen. Präsidentinnen halfen, die Nation aufzubauen, und bestärkten Aktivistinnen, für Gleichheit einzutreten.

So wie die Frauen in der Schweiz dies nach der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 und seither getan hatten. Obwohl dieses Vermächtnis kaum in Geschichtsbüchern festgehalten ist, sind es die Erinnerungen an die Menschen vor uns, die uns den Weg geebnet haben und uns heute bestärken.

Meine Grossmutter wäre sicher stolz, zu sehen, wie wir weiterhin die Gleichstellung vorantreiben, so unermüdlich, wie es unsere Ahninnen getan haben

Wenn ich so darüber nachdenke, bleibt von dem, was früher wirklich besser war, die Erinnerung an diese geliebten Menschen.

Zur Person
Shqipe Sylejmani