Dieser Artikel ist Bestandteil unseres Themendossiers «Sportförderung in der Schweiz nach der Corona-Krise».

«Der Bobfahrer wird im Sommer gemacht. Im Winter muss er sich beweisen», sagt Bobpilot Simon Friedli. Von April bis September übt sein Team Sprints und stemmt Gewichte. Von Oktober bis März flitzt es durch die Eiskanäle der Welt. 

Mit Erfolg: 19/20 holte der Friedli-Zweier EM-Silber und rutschte an der WM auf den siebten Platz. Das nächste Ziel: Peking 2022. Dafür trainieren die Männer täglich, monatelang. Für wenige Minuten in der Bobbahn, für Nervenkitzel, Leidenschaft. Für das Preisgeld? Eher nicht. 

Denn selbst im Wintersportland Schweiz ist Bobfahren eine Randsportart – nicht einmal die Besten können davon leben. Das Bobteam ist auf Unterstützung angewiesen: Der Verband finanziert die Wettkampfphase, auch die Sporthilfe und der Bob-Club Zürichsee steuern einen Betrag bei. Training und Ausrüstung müssen die Athleten selber bezahlen. Allein der Viererbob kostet rund 100'000 Franken. Das schenkt ein – gerade in der Coronakrise. 

«Weil viele Firmen sparen, fehlen die Sponsoren. Bisher ist erst ein Viertel der üblichen Beträge gedeckt», sagt Simon Friedli. Im schlimmsten Fall müssen die Böbler für die Olympiateilnahme auf einen Teil ihres Lohns verzichten.

Leben am Existenzminimum

«In anderen Ländern werden Athleten besser gefördert. Sie sind bei der Polizei oder beim Militär angestellt und erhalten einen Grundlohn», so Friedli. Einige seiner Kollegen leben im Sommer am Existenzminimum, um im Winter in den Bob zu steigen. Selber hat der 29-jährige Berner einen Teilzeitvertrag als Koch, arbeitet von April bis September aber Vollzeit. Von fünf Uhr morgens, bis am Nachmittag das Training beginnt. Am Abend sucht er Sponsoren, plant Trainings, gibt Interviews und organisiert Events.

«Für viele ist ein solches Leben absurd, für mich gibt es nichts Besseres», sagt er. «Der Sport, meine Freunde, die Reisen. Egal, ob wir in China, Kanada oder Russland sind: Nach den Rennen sitzen alle Athleten in derselben Bar, und jeder ‹schnurret› mit jedem. Wir wissen, wofür wir kämpfen. Und dass sich jeder Schweisstropfen lohnt.»

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