Als in Kosovo vor einigen Jahren die Regierungswahlen anstanden, stellte ich mich darauf ein, danach die gleichen Politiker wie immer als Sieger auf dem Podest stehen zu sehen. Wie in so vielen Ländern schien es auch in Kosovo fast unmöglich, das Inventar des Parlaments auszutauschen.

Trotzdem war ich damals in die Hauptstadt Pristina gereist, um meine Stimme abzugeben und Teil der – wenn auch unwahrscheinlichen – Veränderung zu sein. Am Morgen der Wahlen rauchte mein Grossvater seine Morgenzigarette bei uns im Garten und wartete darauf, mit mir in das nächste Wahllokal zu gehen. Es war das erste Mal, dass wir gemeinsam die Zukunft des Landes mitgestalten würden.

Für wen er denn stimmen wolle, fragte ich ihn. Er lächelte und erzählte mir eine Geschichte von alten und jungen Hähnen.

Ein Bauer hatte einen Lieblingshahn und beschwor seine Frau, diesen niemals anzufassen, da er dessen Gesang am Morgen so genoss. Jahrelang hielt sich die Frau daran, doch eines Tages war sie zu alt geworden, um den jungen Hähnen nachzurennen, und so musste für ein wichtiges Abendessen der alte Hahn dran glauben. Erst am nächsten Morgen, als ihr Gatte den Gesang eines jungen Hahns hörte, beichtete sie ihm ihre Tat. «Der junge Hahn singt ja noch schöner! Der alte hat ihn wohl nur nicht gelassen», antwortete der Bauer zufrieden.

Mein Grossvater grinste und sagte: «Neue Hähne braucht das Land!»

An besagtem Wahlwochenende siegte eine neue Regierung. Und selbst wenn die jungen Hähne an der Macht noch die eine oder andere alte Melodie nachsangen, so war dennoch spürbar, dass der Ton im Land sich verändert hatte. Und die Leute schöpften Hoffnung aus dieser neuen Bewegung, die eine bessere Zukunft für alle Menschen im Land versprach.

Diese innige Bindung zum politischen Geschehen in ihrer Heimat beobachtete ich kürzlich auch bei meinen Freunden, als sich die Regierung in Italien neu bildete, oder zuletzt bei den Wahlen in der Türkei, an denen sich auch die Diaspora sehr zahlreich beteiligte.

Auch in der Schweiz erlebte ich dies vor einigen Wochen, als zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes eine Frau mit kosovarischen Wurzeln in die Regierung eines Kantons gewählt wurde. Für mich war es ein Zeichen dafür, dass unser Wunsch nach Veränderungen auch hier Platz haben darf. Wäre mein Grossvater noch am Leben, hätte er sich bestimmt über den Sieg der Luzernerin gefreut. Und ich hätte ihm ganz stolz gesagt: Neue Hennen braucht das Land!

Zur Person
Shqipe Sylejmani