Auf Hauptstrassen sollen die Schweizerinnen und Schweizer Gas geben. So will es der Bundesrat, und Tempo 30 soll dort nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein. Das ist eine gute Nachricht – aber nur für jene, die hinter der Windschutzscheibe sitzen.

Ein Entscheid gegen Theorie und Praxis

Ja, mit 30 Kilometern pro Stunde durch die Stadt oder eine Dorf zu gondeln, ist manchmal nervig. Dieses Gefühl ist aber das einzige Argument, das dagegen spricht, auf bestimmten Hauptstrassenabschnitten die Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren. Das ist zigfach belegt in der Praxis und der Theorie.

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Jüngst hat der Kanton Luzern in einer Studie untersucht, wie sich Tempo 30 auf Hauptstrassen auswirkt. Der Zeitverlust ist gering bis vernachlässigbar. Auf der 25 Kilometer langen Strecke von Hitzkirch nach Luzern (durch neun Ortskerne hindurch, wo Tempo 30 gilt) beträgt er gut eine Minute zu Stosszeiten und gut zwei Minuten am Abend. Der Verkehr fliesst wie zuvor. Aber die Menschen leben sicherer, es wird leiser, und die Lebensqualität steigt spürbar.

Dem Parlament ging es nicht darum, den Verkehr innerorts optimal zu regeln.

Das bürgerliche Parlament des Kantons Luzern liess sich überzeugen. Es erteilte eine Absage an die SVP, die Tempo 30 auf Hauptstrassen verbieten wollte. Anders im National- und Ständerat. Da hat die bürgerliche Mehrheit einseitig aus der Autofahreroptik entschieden. Und letztes Jahr dem Bundesrat den Auftrag erteilt, Tempo 30 auf Hauptstrassen auszubremsen.

Dem Parlament ging es nicht darum, den Verkehr innerorts optimal zu regeln. Der Entscheid ist eine Kampfansage gegen die linksgrün dominierten Städte, die den Autoverkehr reduzieren wollen. Argumente spielten dabei keine Rolle.

Spielraum bleibt erhalten

Die gute Nachricht ist: Diese Machtdemonstration ist wohl grösstenteils heisse Luft. Die Kantone und manche Städte können weiterhin Tempo 30 anordnen. Die Vorlage, die der Bundesrat in die Vernehmlassung gegeben hat, sieht explizit kein generelles Verbot für Hauptstrassen vor. Schon heute braucht es Gutachten, damit die Höchstgeschwindigkeit herabgesetzt werden darf. Neu müssen die Behörden zusätzlich belegen, dass die Autos wegen des tieferen Tempolimits nicht in die Quartiere ausweichen.

Das dürfte in den meisten Fällen einfach sein. Schon 2019 stellte der Bund in einer Studie fest: Es ist kein einziger Fall bekannt, in dem Tempo 30 auf Hauptstrassen zu Ausweichverkehr in Quartieren geführt hätte. Obwohl dies – beispielsweise in Köniz – explizit untersucht worden ist.

Die zuständigen Behörden haben also weiterhin Spielraum, der über den Windschutzscheibenblick hinausgeht. Gut so.