Der Ständerat ist kurz davor, die Pressefreiheit empfindlich einzuschränken. In der Wintersession berät das Ständeratsplenum ein Postulat seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben. Diese will, dass sensible Daten besser vor einer Veröffentlichung geschützt werden.

Was harmlos klingt, hätte einschneidende Konsequenzen für Journalistinnen und Journalisten. Denn die Kommission will auch, dass geprüft wird, ob die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe gestellt werden soll. Das wäre laut Expertinnen und Medienrechtlern das Ende des Investigativjournalismus. Denn Medien könnten nur noch darüber berichten, was Wirtschaft, Staat und andere Akteure selber gewillt sind, öffentlich zu sagen. Mit allem anderen würden sie sich persönlich strafbar machen. 

Viele Medienschaffende sind deshalb alarmiert. Das Recherchenetzwerk Investigativ.ch fordert zusammen mit weiteren Organisationen den Ständerat mit einem offenen Brief dazu auf, das Postulat abzulehnen. 

Was würde das für den Beobachter bedeuten?

Sollte das Parlament tatsächlich beschliessen, die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe zu stellen, hätte das auch für den Beobachter einschneidende Konsequenzen.

Zum Beispiel für den Prix Courage: Jedes Jahr werden mutige Menschen prämiert, oft gehören auch Whistleblower zu den Kandidatinnen und zu den Gewinnern.

Um einen Missstand aufzudecken, gehen sie hohe Risiken ein, müssen mitunter mit dem Verlust ihrer Stelle rechnen, weil sie geheime Daten und Informationen weitergeben. Könnte man diesen Preis dann künftig überhaupt noch an solche Personen verleihen? «Ja, aber es wäre total sinnentleert», sagt Urs Saxer, Rechtsprofessor und Experte für Medienrecht an der Uni Zürich. «Denn man dürfte ihre Story ja nicht mehr erzählen, und damit würde sich auch der Preis erübrigen.» 

Auch die Whistleblower-Plattform des Beobachters, sichermelden.ch, wäre unbrauchbar – laut Saxer könnte man nichts mehr von den Informationen verwerten, die dem Beobachter so zugespielt werden. Weil die Gefahr besteht, dass die Daten illegal beschafft und weitergegeben wurden. Bei anonymen Hinweisen sei es praktisch unmöglich, das herauszufinden. 

«Das geht verfassungsrechtlich nicht»

Ganz ausgeschlossen wäre es aber laut Urs Saxer nicht, mit Informationen von Whistleblowern zu arbeiten: «Wenn ein Tipp über eine solche Quelle reinkommt, kann man mit diesem Wissen recherchieren und hoffen, dass irgendjemand etwas sagt, was legal verwertbar ist.»

Aber solche Recherchen seien mit einem viel grösseren Aufwand verbunden, und die Chance auf Erfolg sei viel geringer. «Man kann sogar jemanden mit dem Wissen über einen Missstand direkt konfrontieren, das wäre erlaubt. Aber wenn die Gegenseite schweigt, kommt man nirgends hin und kann es nicht öffentlich machen.»

Oft basieren die Recherchen der Journalistinnnen und Journalisten beim Beobachter auf Hinweisen von Informanten, vertraulichen Dokumenten, Meldungen im Darknet. Wie zum Beispiel bei den brisanten Plänen der SBB, Schlamperei beim Inselspital Bern, vertraulichen Patientendaten bei der CSS, Chatverläufen von Hackerbanden, Onlinebetrügern und Angriffen von Hackern auf Spitäler. Wenn man solche Informationen nicht mehr öffentlich machen kann, ist das ein Problem, sagt Saxer: «Das schränkt den öffentlichen Diskurs zu relevanten Themen stark ein, das geht verfassungsrechtlich nicht.»

Wie kommt der Ständerat überhaupt auf die Idee, den Medien einen solchen Maulkorb verpassen zu wollen? Eigentlich planten der Bundesrat und der Nationalrat, eine Regelung aus dem Jahr 2015 zu lockern. Denn heute gilt, dass Journalistinnen und Journalisten eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren droht, wenn sie über geheime Daten aus einer Schweizer Bank berichten. Dafür wurde die Schweiz international kritisiert, auch von der Uno-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit. 

Aber die Ständeratskommission wollte dem Vorschlag zur Lockerung nicht folgen. Das Vorhaben greife zu kurz, es gebe grundsätzlicheren Klärungsbedarf, heisst es in der Begründung. Die Kommission reagierte mit einem Postulat – und droht nun die Medien empfindlich zu schwächen statt zu stärken.