«Wir wollen weg vom männlichen Militärdienst und hin zu einem Dienst für alle!», sagt Noémie Roten energisch. Seit zehn Jahren tüfteln die Volkswirtschaftlerin und ihr Verein Service Citoyen am Konzept eines Bürgerdienstes für alle Geschlechter. Die Idee des Vereins: Jede Person mit Schweizer Bürgerrecht soll einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leisten. 

Bereits 2020, inmitten der Corona-Pandemie, beschäftigte sich der Beobachter mit dem Vorschlag von einem Service Citoyen. Die Idee des Zusammenrückens stand in gesellschaftlichen Debatten hoch im Kurs. Alle sollen sich für alle einsetzen. Nun, mehr als drei Jahre später, ist die Initiative mit mehr als 100’000 Unterschriften zustande gekommen. Der Verein reichte sie am 26. Oktober bei der Bundeskanzlei ein.

Noch aber ist offen, wie sich der Bürgerdienst im Detail gestalten würde. Die Initianten hoffen, dass ein Teil der Fragen im Verlauf der parlamentarischen Diskussion geklärt werden kann.

Wie würde der Service Citoyen aussehen?

Der Service Citoyen würde den Militär-, Zivil- und Zivilschutzdienst ersetzen. Den Dienst könnten Frauen und Männer beispielsweise bei der Feuerwehr, in der Landwirtschaft oder wie bisher im Militär absolvieren. Das sei eine der Stärken des Bürgerdienstes, sagt Noémie Roten. Gerade in Branchen, in denen heute Fachkräftemangel herrscht, brauche es junge Personen, die einen sozialen Dienst leisten. 

Eines der ungeklärten Details ist die Dauer des Einsatzes. Ginge es nach den Initiantinnen und Initianten, würde er ein halbes Jahr dauern. Das wäre um einiges kürzer als der Militärdienst, der um die acht Monate dauert.

Muss ich den Dienst rückwirkend leisten, wenn ich älter als 18 Jahre bin?

Die Rekrutierung soll wie im Militär ablaufen. Mit 18 Jahren erhalten alle Personen mit Schweizer Pass eine Einladung zum Infotag. Frauen und Männer, die dieses Alter bereits überschritten und keinen Dienst geleistet haben, wären davon ausgenommen. «Personen rückwirkend zu rekrutieren, stelle ich mir schwierig vor», sagt Initiantin Roten.

Wer zahlt den Gemeinschaftsdienst?

Militärdienst, Zivildienst und Zivilschutzdienst fallen heute unter die Erwerbsersatzordnung (EO). Die Beiträge zahlen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber je hälftig in die Ausgleichskasse ein. Die Arbeitnehmer erhalten während ihrer Dienstpflicht 80 Prozent ihres vorhergehenden Lohns über die EO ausbezahlt. Laut dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) macht die EO nur etwa 1 Prozent der Gesamtkosten der Sozialversicherungen aus. 2021 beliefen sich die EO-Ausgaben auf 1,9 Milliarden Franken. Würde der obligatorische Gemeinschaftsdienst eingeführt, würden diese Kosten steigen. Um wie viel und wer die Kosten decken würde, müsste bei der Umsetzung der Initiative geklärt werden, sagt Noémie Roten.

Was sagen die Gegner zum Bürgerdienst für alle?

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) positioniert sich klar gegen die Initiative des Vereins Service Citoyen. Sie kritisiert unter anderem den Einsatz von jungen Menschen in Bildungs- und Pflegeberufen. Die Gefahr bestehe, dass beispielsweise ein Spital lieber die günstigen Bürgerdienstpflichtigen einstellen würde, anstatt das Fachpersonal gerecht zu entlöhnen. «Die Initiative birgt die Gefahr steigenden Lohndumpings», schrieb die GSoA 2022 in einer Stellungnahme zur Initiative. Generell berge der Gemeinschaftsdienst für alle die Gefahr einer Stärkung des Militärs: «Mehr Menschen als bisher würden in einer ihrer wichtigsten Lebensphasen zu einem Dienst gezwungen.»

Kann das Volk über den Service Citoyen abstimmen?

Ja. Das genaue Datum der Abstimmung ist aber noch nicht bekannt. Durch die parlamentarischen Prozesse, die Ausarbeitung des Gesetzes oder das Verfassen einer möglichen Gegeninitiative können bis zu drei Jahre vergehen. So muss das Volk wahrscheinlich noch bis 2027 warten, um über die Initiative abzustimmen.