Das Festival flutet die Bühne mit alten Stromfressern
Die Strommenge am Theaterspektakel ist teils knapp. Dennoch mieten die Veranstalter alte Halogenlampen, die viel Energie verbrauchen. Der Geschäftsführer argumentiert mit den Wünschen der Künstler.
Veröffentlicht am 14. Juli 2025 - 16:01 Uhr
Die Aussenbeleuchtung ist energiesparend, für die Bühne werden aber grösstenteils alte Halogenlampen eingesetzt: das Zürcher Theaterspektakel
«Qui som? (Wer sind wir?)», fragt die französisch-katalanische Performance-Kompanie Baro d’evel Mitte August am Zürcher Theaterspektakel. In ihrer Inszenierung geht die Gruppe den grossen Zukunftsfragen nach – auch den Folgen des Klimawandels. Die vier Aufführungen gehören zu den Highlights des Festivals, zwei sind schon fast ausverkauft. Die Performances sind eindringlich und regen zum Nachdenken an.
Genau das, was sich die Macherinnen und Macher des Theaterspektakels wünschen: Das Festival soll eine nachhaltige Wirkung haben. «Auch der Festivalbetrieb soll möglichst umweltverträglich sein», schreiben sie unter dem Stichwort Nachhaltigkeit auf ihrer Website.
LEDs ja – aber …
Zum Beweis, dass auch Taten folgen, richten sie das Spotlicht auf die Beleuchtung: «Laut einer EWZ-Studie liegt hier das grösste Sparpotenzial», schreiben sie. Deshalb habe man die «gesamten Girlanden, Arbeits- und Dekorationsleuchten» auf LED-Lampen umgestellt, was deutliche Einsparungen gebracht habe.
Was das Publikum hingegen nicht erfährt: Darin ist die Bühnenbeleuchtung nicht enthalten – rund 1500 Scheinwerfer und Spots. Und von diesen ist die Mehrheit wenig energiesparend, wie aus der Ausschreibung des Stadtzürcher Präsidialdepartements hervorgeht.
Am meisten Strom fliesst in Bühnenbeleuchtung
Ende Jahr hatte das Zürcher Kulturamt die Mietverträge für die Bühnenbeleuchtung neu ausgeschrieben, mit genauen Beschreibungen des erforderlichen Materials. 70 Prozent sind Halogen- und Entladungslampen.
2024 zapfte das Festival für die Veranstaltungstechnik 55’000 Kilowattstunden Strom vom Netz. Zum Vergleich: Damit könnte ein Elektroauto etwa 305’000 Kilometer oder siebeneinhalbmal um die Erde fahren. Für die anderen Bereiche, etwa die Gastronomie, brauchte das Theaterspektakel nur noch 30’000 Kilowattstunden Strom.
Angebote für LED-Beleuchtung unerwünscht
Veit Kälin, Co-Geschäftsleiter des Theaterspektakels, räumt im Gespräch mit dem Beobachter ein, am Aufführungsort in der Zürcher Werft habe man zunehmend Probleme, eine genügende Menge Strom zur Verfügung zu haben. «Dort werden über Nacht immer mehr Elektroboote geladen», sagt Kälin. Laut Branchenkennern würde das Festival mit LED-Lampen einen Drittel bis die Hälfte weniger Strom benötigen.
Trotzdem durften nur diejenigen Veranstaltungstechnik-Verleiher eine Offerte einreichen, die Halogen- und Entladungslampen im Materiallager haben. Wenn eine Firma anderes Material anbot – zum Beispiel gleichwertige LED-Leuchten –, wurde die Offerte nicht berücksichtigt.
Theaterspektakel-Ausschreibung verwundert Kenner
«Ich habe mir verwundert die Augen gerieben, dass die Stadt Zürich im Jahr 2024 noch eine solche Ausschreibung macht, dabei werden Halogen- und Entladungslampen nicht mal mehr hergestellt, weil sie zu viel Strom verbrauchen», sagt einer, der sich im Eventgeschäft bestens auskennt. Immerhin trage Zürich das Label «Energiestadt Gold».
Die meisten Konzert- und Theaterveranstalter setzen heute LED-Lampen ein. Fast alle grossen Eventtechnik-Verleihfirmen haben deshalb die alten Lampen aus dem Sortiment genommen, wie eine Umfrage des Beobachters zeigt. Sie konnten also beim 163’000-Franken-Auftrag der Stadt Zürich nicht mitbieten.
«Die Mehrheit unserer Künstlerinnen und Künstler will Halogen- und Entladungslampen.»
Veit Kälin, Co-Geschäftsführer Zürcher Theaterspektakel
Veit Kälin sagt, die Ausschreibung für die alten Halogen- und Entladungslampen habe mit der internationalen Ausrichtung des Festivals zu tun: «Die freien internationalen Gruppen erarbeiten die Produktionen zum Teil unter prekären Bedingungen und haben oft nur Zugriff auf die günstigen Leuchten mit Halogen-Leuchtmitteln.»
Darum geben die Kulturschaffenden ihm als Veranstalter bei der Vertragsunterzeichnung die technische Umsetzung mit diesen Leuchtmitteln an.
Umgesetzt wird die Beleuchtung nachher von Lichttechnikern des Theaterspektakels. Die Miete der Lampen zahlt die Stadt Zürich. «Die Mehrheit unserer Künstlerinnen und Künstler will Halogen- und Entladungslampen.»
Theaterhäuser haben auf LED umgestellt
Mit solchen Anforderungen dürften sie es bei einigen internationalen Spielstätten schwerhaben. Theaterkenner sagen gegenüber dem Beobachter, international hätten die grossen Häuser mehrheitlich auf LED umgestellt. Auch freie Produktionen würden teils schon damit inszeniert. Manchmal sei dies aber aus Kostengründen nicht möglich, sagt einer der Vermieter. «Eine LED-Lampe ist viel teurer als Halogen.»
Wäre es nicht angezeigt, dass Zürich den Kunstschaffenden als fixe Rahmenbedingung eine LED-Beleuchtung anbietet? Laut Aussagen von Vermietern und Theaterschaffenden können Effekte, die mit Halogenleuchten einstudiert wurden, auch mit LED-Technik umgesetzt werden.
Theaterspektakel-Programm 2026 noch offen
Veit Kälin sagt, man führe mit den Künstlern teils intensive Diskussionen über die Beleuchtung. «Etablierte Gruppen werfen die Beleuchtungsmöglichkeiten zum Teil in die Waagschale, ob sie bei uns auftreten oder nicht.»
Noch hat das Zürcher Theaterspektakel nicht entschieden, welche Produktionen man im nächsten Sommer auf die Bühnen holen will. «Klar, wir haben einen Vorbildcharakter und müssen versuchen, uns auch in diesem Bereich zu verbessern», sagt Kälin.
Verantwortlicher muss Energieverbrauch prüfen
Das Departement der Industriellen Betriebe, das für die Umsetzung des Masterplans Energie der Stadt zuständig ist, sagt auf Anfrage: «Eine Richtlinie zu Leuchtmitteln gibt es nicht.» Die Beschaffung müsse aber gemäss den ökologischen Anforderungen der Stadt durchgeführt werden. Diese hat der Stadtrat bereits 2014 verabschiedet.
Die Richtlinie hält fest: Der Verantwortliche muss vor der Beschaffung klären, ob relevante Umweltbelastungen wie «hohe Energieverbräuche während des Gebrauchs» oder Umweltprobleme bei der Entsorgung entstehen könnten. Wenn es ökologische Alternativen gibt, müssen diese geprüft werden.
«Bei Dienstleistungsverträgen wie dem des Zürcher Theaterspektakels muss der Beschaffungsverantwortliche die Umsetzung der ökologischen Anforderungen sicherstellen», schreibt das Departement der Industriellen Betriebe.
«Der Strom macht lediglich ein Prozent aller Umweltbelastungspunkte aus.»
Veit Kälin, Zürcher Theaterspektakel
Veit Kälin räumt gegenüber dem Beobachter ein, dass man mit der Ausschreibung des Bühnenlichts die Energieziele der Stadt womöglich nicht einhalte. «Der Strom macht aber lediglich ein Prozent aller Umweltbelastungspunkte unseres Festivals aus.»
Mehr Emissionen entstünden durch das Reisen und beim Essen. «Ich probiere, den Wechsel auf LED voranzutreiben», versichert Kälin. Aber man müsse den Forderungen der Künstler nachkommen können, viele wollten keine LED-Beleuchtung. «Wenn wir von einer Mehrheit der Theatergruppen die Bereitschaft spüren, mit LED-Scheinwerfern zu spielen, werden wir prüfen, ob wir umstellen.»
- Beschaffungsausschreibung der Stadt Zürich
- Masterplan Energie 2023 der Stadt Zürich
- Stadtratsbeschluss «Richtlinie Ökologische Anforderungen im Beschaffungsprozess»
- Beilage zum Stadtratsbeschluss
- Telefongespräch und schriftliche Auskunft Veit Kälin, Co-Geschäftsführer Zürcher Theaterspektakel
- Schriftliche Antwort auf Anfrage an das Departement der Industriellen Betriebe der Stadt Zürich
- Gespräche mit Theaterschaffenden
- Gespräche mit Veranstaltungstechnik-Vermietern
- Gespräche mit Kennern der Kultur- und Veranstaltungsbranche