Immer mehr Leute wollen dem Staat auf die Finger schauen
Noch nie wollte die Bevölkerung so viel über Vorgänge in der Bundesverwaltung wissen, zeigt ein Bericht. Teile der Verwaltung leisteten aktiv Widerstand gegen mehr Transparenz, sagt ein Experte.
Veröffentlicht am 1. Juli 2025 - 10:21 Uhr
Bundesverwaltung: 29 Prozent mehr Gesuche um Einsicht als im Vorjahr
Je transparenter die Bundesverwaltung ist, desto mehr vertraut ihr die Bevölkerung. Und diese macht von ihrer Informationsfreiheit regen Gebrauch: Im Jahr 2024 gingen 2186 Gesuche bei der Bundesverwaltung ein, die Einsicht in amtliche Dokumente verlangten – das sind 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt der neue Tätigkeitsbericht des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb).
Die meisten Gesuche verzeichnete das Verteidigungsdepartement (VBS) mit 527, gefolgt vom Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) mit 324. An dritter Stelle steht das Aussendepartement (EDA) mit 306 Gesuchen.
Grundsätzlich hat jede Person das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskunft über deren Inhalt zu erhalten. Das schreibt das Öffentlichkeitsgesetz vor. Der Edöb ist die zuständige Kontroll- und Schlichtungsstelle für Zugangsgesuche auf Bundesebene.
Besonders für Medien ist dieses Recht auf Informationsfreiheit wichtig, um den Behörden auf die Finger zu schauen. Auch der Beobachter stützt sich für seine Recherchen immer wieder auf das Öffentlichkeitsgesetz.
Abgelehnte Gesuche auf tiefem Niveau stabil
Laut Edöb-Bericht gewährten die Bundesbehörden in etwas mehr als der Hälfte der Fälle vollständigen Zugang zu den verlangten Dokumenten. Das ist leicht mehr als im Vorjahr. In 21 Prozent der Fälle ermöglichten sie teilweisen Zugang, und in 8 Prozent verweigerten sie die Einsicht in die Dokumente komplett. Damit werde im Jahr 2024 die langjährige Tendenz bestätigt – die vollständige Verweigerung bleibe «stabil auf tiefem Niveau», heisst es im Tätigkeitsbericht.
Nicht nur das Interesse am Handeln der Bundesverwaltung ist so hoch wie noch nie – auch bei den Streitfällen verzeichnete der Edöb Rekorde. Die Zahl der Schlichtungsanträge stieg um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreichte mit 202 Fällen so viele «wie noch nie seit Inkrafttreten des Öffentlichkeitsgesetzes». Von den 82 durchgeführten Schlichtungsverhandlungen konnte in 62 Fällen eine einvernehmliche Lösung gefunden werden.
Aber: Die Verfahren dauern immer länger. 2024 konnten nur 28 Prozent der abgeschlossenen Schlichtungsverfahren innerhalb der ordentlichen Frist von 30 Tagen erledigt werden. 27 Prozent der Verfahren dauerten sogar länger als 100 Tage. Grund für die langen Verfahren waren Rückstände aus den Vorjahren und die vielen neuen Anfragen.
Edöb: Verwaltung will weniger Transparenz
Der Edöb sparte indes nicht mit Kritik an der Verwaltung: Er stellte fest, dass auch im Jahr 2024 die Tendenz der Verwaltung anhalte, auf Teilbereiche ihrer Tätigkeit das Öffentlichkeitsgesetz nicht anzuwenden. So wird im Bericht unter anderem kritisiert, dass der Bundesrat die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) weitgehend vom Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes ausgenommen hat: «Die Einführung solcher Ausnahmen führt zu einer Schwächung des Öffentlichkeitsprinzips und der damit bezweckten Verwaltungstransparenz.»
Trotz dieser negativen Tendenz, die er auch in weiteren Fällen bemängelt, kommt der Edöb zu einem positiven Fazit. Der Paradigmenwechsel hin zum Öffentlichkeitsprinzip sei vom Gros der Bundesbehörden vollzogen worden und werde weiterhin aktiv umgesetzt.
Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch: «Es gibt noch viel zu tun»
Martin Stoll ist Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, der Medienschaffende bei Zugangsgesuchen unterstützt. Er teilt die Einschätzung des Edöb: «Die Zahlen zeigen, dass das Öffentlichkeitsgesetz auf Bundesebene gut verankert ist.» Aber sie seien mit Vorsicht zu geniessen: «Das VBS weist etwa auch Routineanfragen an die nationale Datenbank für Sport als Zugangsgesuche aus.» Das betreffe 308 der 527 gemeldeten Gesuche des VBS.
Stoll kritisiert auch, dass immer öfter Ausnahmen beschlossen werden, die das Öffentlichkeitsprinzip umgehen: «Wenn es unangenehm wird, versucht die Verwaltung eine Gesetzesrevision zu initiieren.» In gewissen Teilen der Verwaltung werde zudem aktiv Widerstand gegen das Öffentlichkeitsprinzip geleistet. Stolls Fazit: «Es gibt noch viel zu tun.»
- Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter: Tätigkeitsbericht 2024/2025