Update vom 04. April 2018

Der FC Winterthur hat sein Ziel erreicht. Der Mann, der im Mai 2017 einen Böller auf das Spielfeld geworfen hatte, wird dem Verein einen «namhaften Teil» der Busse zurückzahlen. «Es ist erfreulich, dass wir uns aussergerichtlich einigen konnten», sagte Andreas Mösli, Geschäftsführer des Clubs dem «Landboten». Dass der Böllerwerfer nicht für die ganze Summe aufkommen wird, ist für Mösli kein Problem: «Es war nie unser Ziel, diese Person finanziell zu ruinieren.» Darum habe man mit Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des Mannes einen für beide Seiten machbaren Kompromiss geschlossen. 

 

«Wichtig ist uns, dass wir als Verein ein Zeichen setzen konnten.»

Andreas Mösli, Geschäftsführer FC Winterthur

 

Inwieweit der Fall eine Signalwirkung für künftige Schadenersatzansprüche von Fussballvereinen gegenüber Zuschauern haben wird, ist ungewiss. «Es wäre wünschenswert, wenn es zu dieser Frage einen Bundesgerichtsentscheid gäbe», sagt Beobachter-Berater Davor Smokvina. Dieses Anliegen teilt man auch beim FC Winterthur. Doch sei dafür der finanzielle und personelle Aufwand zu gross gewesen. «Es ist nicht Aufgabe eines kleinen Vereins wie des FC Winterthur, für ein solches Urteil zu sorgen», so Geschäftsführer Mösli. Wenn, dann sei dies Sache der grossen Clubs. 

Originalartikel vom 20. Februar 2018:

Es war ein Knall mit Folgen. Beim Spiel zwischen dem FC Winterthur und dem FC Zürich am 13. Mai 2017 warf ein Zuschauer einen Böller auf das Spielfeld. Dieser detonierte direkt neben einem Winterthurer Spieler, der zum Glück unverletzt blieb. Empfindlicher traf der Böllerwurf allerdings den Verein. Die Swiss Football League verdonnerte den FC Winterthur zu einer Busse in Höhe von knapp 12'000 Franken.

Diesen Betrag will der Fussballclub nun vom Täter zurück. So naheliegend diese Schritt ist, so selten wurde er bisher angewendet. Der Grund ist simpel: Für einmal konnte der Übeltäter zweifelsfrei eruiert werden. Der Mann stand im Winterthurer Stadion nicht inmitten einer der vollen Fankurven, sondern auf der Gegentribüne, wo ihn andere Zuschauer umgehend als Böllerwerfer identifizierten und der Security übergaben. Laut dem «Landboten» gab der Mann im Rahmen eines Strafverfahrens die Tat zu. Zudem wurde er mit einem Stadionverbot belegt.

 

«Hier wurde eine Grenze überschritten. Böller sind feige und hinterhältig.»

Andreas Mösli, Geschäftsführer FC Winterthur

 

Doch das ist dem FC Winterthur nicht genug. «Hier wurde eine Grenze überschritten. Böller sind feige und hinterhältig», sagt Andreas Mösli, Geschäftsführer des Clubs. Deshalb wolle man nun ein Zeichen setzen. «Wir sind ein Verein, der Wert auf Fankultur legt. Wenn wir aber unseren Fans weiterhin Freiraum gewähren wollen, müssen wir irgendwo Grenzen ziehen.» Und es geht auch um die Busse. «12'000 Franken sind viel Geld für uns, das wir lieber für Anderes ausgeben würden», sagt Mösli.

Deshalb habe man nun Schadenersatz geltend gemacht und wolle vor dem Friedensrichter zu einer vernünftigen Lösung kommen. Aber wie realistisch ist es, dass der FC Winterthur damit durchkommt?

Gilt die Busse als Schaden?

«Ich bin zuversichtlich, dass ein Gericht der Forderung des Vereins zustimmt», sagt Davor Smokvina vom Beobachter-Beratungszentrum. Denn wer jemandem einen Schaden verursache, der müsse dafür haften. «Fraglich ist aber, wie hoch die Entschädigung ausfallen würde», so Smokvina. Dafür müsste insbesondere geklärt werden, ob eine von der Schweizer Fussballliga verhängte Busse juristisch als Schaden gilt. Beim FC Winterthur beruft man sich in dieser Frage auf Urteile aus Deutschland. Dort hatte zuletzt das Landgericht Köln 2015 festgehalten, dass Fussballvereine Schadenersatzansprüche gegenüber Zuschauern geltend machen können.

In einem ähnlichen Fall hatte der FC Zürich im Jahr 2008 einen Fan zur Verantwortung gezogen. Dieser hatte bei einem Auswärtsspiel in Basel aus dem Gästesektor heraus Pyrofackeln auf andere Zuschauer geworfen. Dafür wurde der FC Zürich von der Swiss Football League neben einer Busse von 30'000 Franken zusätzlich zu zwei Heimspielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verurteilt. Den entstandenen Schaden bezifferte der FC Zürich auf rund 400'000 Franken, die er dem Fan in Rechnung stellte. Nachdem der Mann sich bereit erklärt hatte, 200 Stunden soziale Arbeit zu leisten, zog der FC Zürich seine Forderung aber wieder zurück.

Entscheidet am Schluss das Bundesgericht?

Ob sich der FC Winterthur mit einer solchen Lösung begnügen würde, ist noch offen. «Wir erhoffen uns schon, dass unser Vorgehen eine Wirkung hat», sagt Geschäftsführer Mösli. Für ihn ist aber klar, dass man bei einem Einlenken des Täters nicht zu viel finanziellen und zeitlichen Aufwand für das Verfahren betreiben werde. Zudem sei auch noch unsicher, ob der Fall überhaupt bis vors Bundesgericht gezogen werden könne, da das Bundesgerichtsgesetz einen Streitwert von mindestens 30'000 Franken vorschreibt.

Diese Unsicherheit teilt Beobachter-Berater Smokvina nicht: «Der Betrag ist laut Gesetz nicht relevant, wenn es sich um eine Grundsatzfrage handelt.» Das sei hier der Fall – gerade im Hinblick auf weitere Vorfälle in Fussballstadien: «Es wäre wünschenswert, wenn es zu dieser Frage einen Bundesgerichtsentscheid gäbe.»

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