Capri-Sonne, immer wieder Capri-Sonne. Im Viertelstundentakt wird das zuckersüsse Fruchtgetränk seit Jahresbeginn im vormittäglichen Kinderprogramm auf SRF 2 beworben. Die Kinder, die eigentlich Trickfilme schauen wollen, werden vordergründig mit dem Slogan «Coole Kids, coole Action» auf die Verlosung von Abenteuercamp-Ferien aufmerksam gemacht. Doch die Botschaft des TV-Spots ist klar: Dank Capri-Sonne gehörst auch du zu den coolen Kids. Dass jeder einzelne Zwei-Deziliter-Beutel fast fünf Stück Würfelzucker enthält, wird mit keinem Wort erwähnt.

Kinder werden am Bildschirm geradezu bombardiert mit Werbung. 2300 Lebensmittel-Werbespots sieht ein Deutschschweizer Kind pro Jahr durchschnittlich, einen Grossteil davon für Fastfood, Süssigkeiten und gezuckerte Müesli. Das besagt eine Studie der Universität Lugano im Auftrag der Schweizer Konsumentenverbände.

Fernsehen macht Kinder dick

Die Bombardierung ist gefährlich, weil Kinder empfänglicher sind für Werbebotschaften als Erwachsene. Laut einer deutschen Untersuchung entscheiden 37 Prozent der Kinder, welches Frühstücksmüesli die Eltern kaufen. Eine andere Studie belegt, dass 40 Prozent der Kinder von ihren Eltern verlangen, die im Fernsehen beworbenen Produkte zu kaufen. Neun Prozent der Kinder streiten mit den Eltern darüber oder weinen, um ihren Willen durchzusetzen.

Die Werbung beeinflusst die Wahl der Nahrungsmittel – Kinder, die häufiger als der Durchschnitt fernsehen, essen fetter und gezuckerter. Und: Vor dem TV-Gerät sitzende Kinder bewegen sich weniger, verbrauchen weniger Kalorien – und sind folglich dicker als ihre Altersgenossen.

Die Lebensmittelbranche reagiert auf die Kritik und will freiwillig ihre Werbetätigkeit beschränken. Ein Dutzend grosse Firmen – darunter Coca-Cola, Kellogg's, Nestlé und Zweifel-Chips – will auf Nahrungsmittelwerbung für Kinder unter zwölf Jahren verzichten. Seit Anfang 2013 macht, auf inständige Bitte der Konsumentenverbände, auch McDonald's bei diesem «Swiss Pledge» genannten Programm mit. McDonald's verkauft dies als gute Nachricht, doch sie war auch dringend nötig. Vorher schaltete der Fastfoodriese bis zu 50 Prozent aller Werbespots im Kinderprogramm. Offensichtlich mit Erfolg: Laut einer deutschen Erhebung gehen 45 Prozent aller Zehn- bis Zwölfjährigen regelmässig auch ohne Eltern zu McDonald's.

Die entstandene Lücke im Werbeprogramm nimmt jetzt Capri-Sonne ein, deren Hersteller nicht bei «Swiss Pledge» mitmacht. Ohnehin ist die freiwillige Selbstverpflichtung nicht viel mehr als eine Alibiübung. Von der Werbebeschränkung ausgenommen sind sogenannt gesunde Lebensmittel. Doch jeder Hersteller entscheidet nach eigenem Gutdünken, was «gesund» oder «von Ernährungsfachleuten empfohlen» genau heisst. So bewirbt Kellogg’s hierzulande weiter das Honey-Pops-Frühstücksmüesli, während in Grossbritannien und Irland die Werbung dafür gestoppt wurde, weil das Produkt zu viel Zucker enthält. Kellogg's hält ein Produkt für gesund, wenn es pro Portion maximal 200 Kalorien enthält, Nestlé setzt diese Grenze bei 175 Kalorien, Pepsi bei 150. Erst «schrittweise bis Ende 2014» will die Branche einheitliche Nährwertkriterien pro Produktkategorie einführen.

Ein Kilo Süsses gegen Liebeskummer

Den Konsumentenschützern ist das alles zu vage und zu langsam. Erstens müssten auch grosse Anbieter wie Migros und Coop mitmachen, fordert Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Und nennt ein Negativbeispiel: Während die Uni Lugano die Kinderprogramme untersuchte, strahlte Migros einen Spot aus, in dem eine Mutter den Liebeskummer ihrer Tochter mit einem Ein-Kilo-Sack Schokoladenkugeln tröstet. Zweitens fordert Walpen, der Staat solle Vorgaben machen, was erlaubt ist und was nicht.

Verglichen mit dem Ausland, sind diese Forderungen immer noch sehr moderat. Grossbritannien verbietet seit 2006 im Kinderprogramm Werbung für Lebensmittel, die zu fett, zu süss oder zu salzig sind. In Schweden ist seit 1995 gar jegliche Werbung für Lebensmittel und Spielzeug im Kinderprogramm verboten. Mit Erfolg: Schwedische Kinder sind weniger übergewichtig als jene im restlichen Europa.