Arbeiten Herz und Kreislauf normal? Ist mit der Lunge alles okay? Besteht die Gefahr einer Zuckerkrankheit? Wuchert da etwas in der Prostata oder im Darm? Am besten gleich noch Hautveränderungen, Körperfettanteil und Muskelmasse testen lassen - und die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Es gibt praktisch nichts am Körper, was man nicht «durchchecken» lassen könnte. Wer auf Nummer sicher gehen will, unterzieht sich einem Rundumtest - für bis zu 3500 Franken.

Braucht man das alles? Der Zürcher Allgemeinmediziner Thomas Walser hält nichts davon, sich mit möglichst vielen Vorsorgeuntersuchungen (Check-ups) gegen alle Eventualitäten abzusichern. Der Nutzen für den Patienten sei oft gering. Nicht selten gehe es nur darum, teure Geräte in Praxen und Kliniken auszulasten, mit der Angst vor Krankheiten ein gutes Geschäft zu machen. Check-ups bergen zudem die Gefahr, sich in falscher Sicherheit zu wiegen: Die Nachricht «alles okay» sei für viele Patienten ein Freibrief, weiterhin genauso ungesund zu leben wie zuvor.

«Man sollte sich auf jene Tests beschränken, die dem Patienten wirklich etwas bringen», sagt Felix Huber von der Zürcher Gruppenpraxis Medix. Was sinnvoll ist, lasse sich allerdings nicht pauschal sagen. Für Menschen mit Krankheitsrisiken gelten andere Empfehlungen als für Gesunde ohne Beschwerden. Mediziner Walser gibt ausserdem zu bedenken, dass man bei manchen Check-ups sogar gesundheitliche Risiken auf sich nimmt: Eine Untersuchung des Brust- und Bauchraums mittels Computertomographie entspreche der 200-fachen Strahlenbelastung, der man beim Röntgen ausgesetzt ist.

Wer A sagt, muss auch B sagen wollen
Auch bei der Frage, ob Früherkennung in jedem Fall sinnvoll ist, scheiden sich die Geister. Beispiel Mammographie: Die Krebsliga empfiehlt, die Röntgenuntersuchung der Brüste alle zwei Jahre zu machen, und zwar für gesunde Frauen zwischen 50 und 69. Diese Routineuntersuchung kann nach Hubers Angaben zwar helfen, Brustkrebs früher zu entdecken. Aber: Die Entdeckung eines Tumors sei noch kein definitiver Befund. Der Tumor könne sich nach einer Reihe weiterer Untersuchungen als ungefährlich herausstellen, die Patientin hätte sich in dem Fall einer unnötigen psychischen Belastung ausgesetzt. Anders sieht es bei Risikopatientinnen aus, hier überwiegen die Vorteile der Mammographie. Frauen ab 40 mit an Brustkrebs erkrankter Schwester oder Mutter sollten sich regelmässig untersuchen lassen.

Ebenfalls umstritten ist die Vorsorgeuntersuchung der Prostata. Beide Methoden - Abtasten nach Knoten und PSA-Bluttest - sind ungenau und lassen Fehlinterpretationen zu. Und laut Huber ist bis jetzt noch nie nachgewiesen worden, dass eine regelmässige Prostatauntersuchung ab Alter 50 die Lebenserwartung erhöht. Seine Empfehlung: Den Test sollten nur jene Männer machen, die bereit sind, bei auffälligem Befund auch die weiteren Abklärungen über sich ergehen zu lassen und die möglichen Folgen und Komplikationen einer Bestrahlung und Operation in Kauf zu nehmen: Wird operiert, können Inkontinenz oder Impotenz die Folge sein.

«Verschiedene Untersuchungen werden zwar immer wieder propagiert, sind aber für die meisten Menschen ohne Nutzen», sagt Huber. Am besten bespreche man mit seinem Arzt oder seiner Ärztin, welche Tests sinnvoll sind. Viel wichtiger als Check-ups ist laut Huber sowieso die Minimierung des Krankheitsrisikos - und dafür brauche es in erster Linie einen gesunden Lebenswandel.

Vorsorgeuntersuchungen

Sinnvolle Tests:

  • Blutdruckmessung: ab 20 alle drei bis fünf Jahre.
  • Cholesterinmessung: Gesunde Männer ab 35 bis 65 alle fünf Jahre, gesunde Frauen ab 45 bis 65 alle fünf Jahre. Risikopatienten - Menschen, deren Familienmitglieder an Herz- und Kreislaufkrankheiten oder erhöhtem Cholesterin leiden - sollten ihre Werte ab 20 mindestens alle fünf Jahre messen lassen. Für Menschen mit erhöhtem Blutdruck oder Blutzucker oder mit Herz-Kreislauf-Krankheiten empfehlen sich die Tests ab Auftreten der Krankheit in Absprache mit dem Arzt mindestens alle fünf Jahre.
  • Blutzuckermessung: Drei bis vier Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind zuckerkrank. Viele wissen es nicht, weil man die Krankheit lange nicht bemerkt. Hier kann Früherkennung sinnvoll sein. Behandelt man zu hohen Blutzucker rechtzeitig, können Schäden an Augen, Gefässen oder Herz vermieden oder wenigstens verzögert werden. Gesunde Menschen sollten ab 45 alle drei Jahre ihre Werte messen lassen. Risikopatienten - als solche gelten Personen, bei denen Diabetes in der Familie, Übergewicht, hoher Blutdruck, erhöhte Cholesterinwerte oder erhöhter Blutzucker festgestellt wurde - sollten ihre Werte in Absprache mit dem Arzt regelmässig messen lassen. Ebenso Frauen, die Schwangerschaftsdiabetes hatten oder deren Kind bei der Geburt mehr als 4100 Gramm wog.
  • Augendruckmessung: Gesunde ab 50 alle drei Jahre. Risikopatienten, bei denen grüner Star in der Familie vorkam oder bei denen Diabetes, erhöhter Blutdruck oder schwere Kurzsichtigkeit festgestellt wurde, sollten die Messungen ab 40 in Absprache mit dem Arzt durchführen lassen.
  • Mammographie: Gesunde Frauen zwischen 50 und 69 alle zwei Jahre. Sie sollten Vor- und Nachteile abwägen (nicht in allen Kantonen ist die Untersuchung kassenpflichtig). Für Frauen ab 40, deren Mutter oder Schwester Brustkrebs hat, empfehlen sich in Absprache mit dem Arzt regelmässige Untersuchungen. Ebenso für Frauen mit Brustkrebs oder Vorstufen davon.
  • Gebärmutterhals-Krebsabstrich: Ab dem ersten Geschlechtsverkehr. Die ersten beiden Abstriche jährlich, danach alle drei Jahre.
  • Dickdarmspiegelung: Gesunde ab 50 alle zehn Jahre (keine Kassenpflicht); für Risikopatienten, wenn Dickdarmkrebs in der Familie vorkam oder wenn chronische Darmentzündungen beziehungsweise Darmpolypen festgestellt wurden, empfiehlt sich die Untersuchung je nach Risiko alle ein bis drei Jahre.
  • Hautkrebs: Risikopatienten mit besonders heller Haut, vielen Schönheitsflecken (Muttermalen) oder wenn diese sich verändern, bei häufiger Sonnenbestrahlung oder Hautkrebs in der Familie sollten sich ab 35 alle ein bis drei Jahre oder in Absprache mit dem Arzt untersuchen lassen.

Auf diese Untersuchungen kann man verzichten
Wenn Risikofaktoren und Beschwerden fehlen, kann auf folgende Vorsorgeuntersuchungen verzichtet werden:

  • Lungenröntgenbild
  • Urinuntersuchung
  • Bestimmung von Tumormarkern im Blut
  • EKG und Belastungs-EKG
  • Ultraschalluntersuchungen des Bauches