Für die Cannabisforschung war 1999 ein bedeutendes Jahr. In den USA kam im März das renommierte Institut der Wissenschaftsakademie zum Schluss, dass Cannabis gegen Schmerzen und Ubelkeit sowie als Appetitförderer wirkt und deswegen in wissenschaftlichen Versuchsreihen getestet werden sollte. Ausserdem betonen die US-Wissenschaftler, dass es keine schlüssigen Beweise dafür gebe, dass Cannabis eine Einstiegsdroge sei – eines der Hauptargumente vieler Cannabisgegner.

Auch in der Schweiz läuft die Cannabisforschung auf Hochtouren. So wird etwa am Zentrum für Querschnittgelähmte und Hirnverletzte (Rehab) in Basel die Wirkung von Tetrahydrocannabol (THC), dem Hauptwirkstoff von Cannabis, bei Patienten untersucht.

Der Körper produziert Cannabis
Das wissenschaftliche Interesse an Cannabis ist bereits vor Jahren erwacht – ausgelöst durch bedeutende Fortschritte in der Grundlagenforschung. 1964 gelangen die chemische Strukturaufklärung und die Synthese von THC. 1988 wurden erstmals Cannabisrezeptoren im Gehirn entdeckt, und 1993 stellte man fest, dass auch Zellen des Immunsystems auf Cannabis reagieren können.

Was aber für die Hanfforschung noch bedeutender sein dürfte: Seit 1992 sind cannabisähnliche Stoffe bekannt, die der Körper selber herstellt. Die Forscher nennen sie Anandamide. In Sanskrit bedeutet «ananda» Glückseligkeit.

USA geben den Takt an
Bei der Wiederentdeckung von Cannabis als Heilmittel spielen die USA eine Pionierrolle. Marinol – ein Medikament aus synthetisch hergestelltem THC – ist bereits seit 1986 als Medikament für Krebspatienten zugelassen. Seit 1991 werden auch Aidskranke mit Marinol behandelt. Das Medikament lindert die Schmerzen, reduziert Ubelkeit während einer Chemotherapie und regt den Appetit an.

Doch im Gegensatz zum gerauchten Joint dauert es deutlich länger, bis die Wirkung einsetzt. Deshalb fordern viele Ärzte spezielle Inhaliergeräte für Cannabis. Damit wäre auch das Problem der Lungenschädigung vom Tisch, die bei regelmässigem Haschisch- und Marihuanarauchen auftritt.

Anfang Jahr bewilligte auch die kanadische Regierung 3,5 Millionen Dollar für die Abgabe von Cannabis an Schwerkranke. Und in England dürfte Cannabis innerhalb von drei Jahren als Medikament auf den Markt kommen. Das britische Innenministerium hatte bereits im August 1998 einer Pharmaziefirma die Erlaubnis erteilt, in einem Sicherheitstreibhaus an einem geheim gehaltenen Ort in Südengland Cannabis anzubauen.

Die Hanfpflanze stammt vermutlich aus Zentralasien. Wegen ihrer Anpassungsfähigkeit hat sie sich über alle Erdteile verteilt. Das älteste Dokument über Hanf stammt aus China. Kaiser Shen-Nung soll im Jahr 2737 vor Christus Cannabis gegen Verstopfung, Malaria und Rheumatismus empfohlen haben.

Im 19. Jahrhundert war Cannabis in Europa und Nordamerika ein weit verbreitetes schulmedizinisches Mittel. Auch in der Schweiz verschrieben die Ärzte ihren Patienten Cannabis. Das «Offizielle Arzneibuch» von 1893 empfahl drei verschiedene Hanfzubereitungen: Kräuter, Extrakte und Tinkturen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging der Gebrauch von Cannabis für Heilzwecke jedoch rapide zurück – wegen Dosierungsproblemen und der wachsenden Konkurrenz durch synthetische Substanzen wie Morphium, Aspirin und Barbiturate.

Jeder Fünfte raucht Cannabis
Seit 1951 gilt Cannabis in der Schweiz rechtlich als Betäubungsmittel. Hanfprodukte durften aber noch bis 1969 mit Rezept verschrieben werden. Ausgelöst durch die Hippiebewegung, nahm der Cannabiskonsum unter den Jugendlichen Ende der sechziger Jahre stark zu, bis der Stoff 1975 endgültig auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt wurde. Durch die Gleichstellung mit Drogen wie Heroin und LSD war fortan auch der medizinische Gebrauch nicht mehr möglich.

Heute ist Cannabis die populärste illegale Droge. In der Schweiz gibt es rund 15'000 regelmässige und eine halbe Million gelegentliche Cannabiskonsumenten. Unter den Schweizer Jugendlichen sollen zwanzig Prozent Cannabiserfahrung haben. Gemäss neuster Rekrutenbefragung kifft gar jeder dritte Rekrut.