Vor kurzem hat die US-Zulassungsbehörde ein Medikament des australischen Arzneimittelherstellers CSL zugelassen. Hemgenix, so heisst das Produkt, kostet 3,5 Millionen Dollar pro Spritze. Ein Grund für den Beobachter, ein paar Fragen zu stellen und Antworten zu liefern.

Bei welcher Krankheit hilft Hemgenix?

Hemgenix ist ein Medikament gegen Hämophilie, im Volksmund auch Bluterkrankheit genannt.

Was ist Hämophilie?

Die Krankheit äussert sich in einer Störung der Blutgerinnung. Betroffene bekommen schneller blaue Flecken, können unter schmerzhaften Einblutungen in Gelenke, Muskulatur oder Fettgewebe leiden und verstärktes Nasenbluten, blutigen Urin, innere Blutungen und nach Stürzen auf den Kopf Gehirnblutungen haben. Die Lebensqualität kann bei schwer Erkrankten stark eingeschränkt sein.

Wer kann an Hämophilie erkranken?

Hämophilie ist eine Erbkrankheit, von der vor allem Jungen und Männer betroffen sind. Unter 10’000 männlichen Neugeborenen findet sich statistisch gesehen ein Knabe mit Hämophilie. In der Schweiz sind gut 750 Hämophile erfasst, die wegen ihrer Krankheit mehr oder weniger regelmässig ärztliche Hilfe brauchen.

Wie wirkt Hemgenix und wer kann davon profitieren?

Mit der Spritze wird ein Gen, das die fehlenden Gerinnungsfaktoren produzieren kann, in die Leber eingebracht. Dort beginnt es mit der Herstellung des für den Gerinnungsprozess zuständigen Proteins. Profitieren können Menschen, die unter Hämophilie-B leiden. Da dies einen genetischen Eingriff in den Körper darstellt, kann die Spritze Kindern und Jugendlichen aus medizinischen Gründen nicht verabreicht werden. Und rund ein Drittel der Bluter reagiert negativ auf das verabreichte Protein.

Wird Hemgenix von den Krankenkassen übernommen?

In der Schweiz müssen BAG und Swissmedic über die Kassenfähigkeit entscheiden und mit dem Hersteller den Schweizer Preis aushandeln. Branchenkenner gehen davon aus, dass das Medikament hierzulande nicht vor 2024 auf den Markt kommen wird. Betroffene hoffen auf ein neues Pricing-Modell, bei dem das Medikament quasi auf Raten bezahlt wird, da die langfristige Wirkung nicht sicher ist.

Warum ist es so teuer?

Laut Hersteller sei die Entwicklung teuer und langwierig gewesen und die Zahl der Hämophilen, bei denen das Medikament zum Einsatz kommen könne, klein. Eine unabhängige und gemeinnützige US-Organisation, das Institute for Clinical and Economic Review, hat die Preisgestaltung unter die Lupe genommen und ist zum Schluss gekommen, dass der faire Preis unter drei Millionen Dollar liegen würde.

Lohnt sich das teure Medikament finanziell für die Patienten?

In der Theorie braucht ein Patient nur diese eine Spritze. Da sich die Kosten für eine herkömmliche Behandlung schnell einmal auf 200’000 bis 300’000 Franken belaufen, wäre Hemgenix in rund zehn Jahren amortisiert. Allerdings zeigen Studien, dass in manchen Fällen die Wirkung verfliegt. Das heisst für die Patienten: zurück zum Start. Eine zweite Spritze ist nicht möglich.

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