Madame F. fühlte sich bald sehr matt, verfiel in hartnäckige Diarrhö, hatte Nachtschweisse, magerte auffallend ab, wobei die Augäpfel aus der Augenhöhle hervorzutreten anfingen.» So beschrieb Karl von Basedow 1840 die Beschwerden einer Patientin. Der deutsche Arzt wusste, dass die Schilddrüse dahintersteckt, aber nicht, wie genau.

Etwa zwei Prozent der Schweizer Bevölkerung erkranken heute an der nach Basedow benannten Überfunktion der Schilddrüse. Die moderne Medizin kann ihnen mittlerweile helfen.

Überfunktion: Morbus Basedow

Vor allem Frauen im mittleren Alter leiden an einer Schilddrüsenüberfunktion. Männer sind fünf- bis zehnmal weniger oft betroffen. Stress Stress und Körpersymptome Körper im Alarmzustand oder eine familiäre Veranlagung können die Überfunktion auslösen oder verstärken.

Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung. Dabei produziert das Immunsystem Antikörper, die ihrerseits die Schilddrüse anregen, ständig zu viele Hormone zu erzeugen. Dadurch laufen die von der Schilddrüse gesteuerten Körperfunktionen und der Stoffwechsel ständig auf Hochtouren – wie einst bei Madame F.

«Häufig vergrössert sich die Schilddrüse und kann einen Kropf bilden», sagt Katharina Binz, Internistin und Endokrinologin in Zürich. Der Kropf kann Schluckbeschwerden oder Hustenreiz auslösen. Auch eine Schwellung des Fettkörpers hinter den Augen ist möglich, in seltenen Fällen können sie dann etwas hervorstehen. Betroffene müssen auch in augenärztliche Behandlung.

«Die Erfolgschancen einer Therapie stehen ­etwa fünfzig-fünfzig.»

Ivette Engel-­Bicik, Stv. Leiterin Schilddrüsentumorzentrum, Unispital Zürich

Wenn die Überfunktion unbehandelt bleibt, kann das langfristig auch Herz und Knochen (Osteoporose) Osteoporose Wer rastet, der wird spröde schaden (siehe weitere Symptome in der Infografik). Von allein bildet sich der Kropf nicht zurück. Frauen mit Kinderwunsch, in deren Familie Morbus Basedow vorkommt, sollten ihre Schilddrüse überprüfen lassen. Studien zeigen, dass die Hälfte der Frauen mit unbehandeltem Morbus Basedow Probleme hat, schwanger zu werden. Ausserdem kann eine Fehlfunktion zu Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Entwicklung des Kindes führen.

Von Morbus Basedow Betroffene erhalten maximal 18 Monate lang ein Medikament, das die Produktion der Schilddrüsenhormone verringert. «Die Erfolgschancen der Therapie stehen etwa fünfzig-fünfzig», sagt Ivette Engel-Bicik. Sie leitet die Schilddrüsensprechstunde am Unispital Zürich. Raucher, jüngere Patientinnen, Patienten mit sehr grossem Kropf oder sehr hohen Antikörpermengen haben eine etwas schlechtere Prognose. Bei einigen arbeitet die Schilddrüse danach wieder normal, bei anderen steigen die Hormonwerte wieder. Ihnen rät man zur Entfernung der Schilddrüse oder zur Bestrahlung. Danach müssen sie Schilddrüsenhormone einnehmen.

Teaser zu den Symptomen bei einer Schilddrüse mit Überfunktion

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Quelle: Beobachter

Leichte Überfunktion

Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leben mit einer sogenannten subklinischen Überfunktion. Bei dieser leichten Überfunktion liegt der Schilddrüsenhormonspiegel zwar noch im Normbereich, und die Symptome sind so schwach, dass man sie selbst gar nicht bemerkt.

Doch über die Jahre steigt das Risiko für eine Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen und möglicherweise für Knochenbrüche. «Wenn man weiss, dass jemand mit bekannten Schilddrüsenerkrankungen in der Familie ein erhöhtes Risiko für Osteoporose oder eine Herzerkrankung hat, ist eine Kontrolle des TSH (siehe Box «So funktioniert die Schilddrüse») sicher wichtig, damit nicht noch ein ungünstiger Faktor dazukommt», sagt Ivette Engel-Bicik.

Unterfunktion: Hashimoto

Genau gegensätzliche Probleme haben Menschen, die an einer Unterfunktion der Schilddrüse leiden. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind betroffen, vor allem Frauen. Auch hier ist eine Autoimmunerkrankung die häufigste Ursache. Beschrieben hat sie 1912 der japanische Arzt Hakaru Hashimoto. Sie ist die häufigste Autoimmunerkrankung überhaupt. Als Ursache vermutet man erbliche Veranlagung sowie einen Auslöser wie ein Virus, die Ernährung oder ein Ungleichgewicht in der Jodversorgung Jod 12 Fakten über das Spurenelement . Oft bildet sich Hashimoto während der Pubertät, der Schwangerschaft oder der Wechseljahre.

Beim Hashimoto führen die fehlgeleiteten Antikörper zu einer Entzündung in der Schilddrüse. Das schädigt sie auf Dauer so stark, dass sie kein Schilddrüsenhormon mehr produziert. Die Folgen sind Gewichtszunahme, Verstopfung, leichtes Frieren, Müdigkeit, Leistungsabfall, Haut- und Haarprobleme, aber auch Depressionen und Burn-out-ähnliche Symptome (siehe Grafik unten).

Einzige Hilfe: die Hormonersatztherapie. «Es braucht etwa zwei bis vier Wochen, bis sie spürbar wirkt», sagt Expertin Katharina Binz. Es könne aber Wochen bis Monate dauern, bis die individuell passende Dosis gefunden ist. Dann jedoch normalisieren sich die körperlichen und psychischen Symptome meist vollständig.

Wenn eine Frau schwanger werden möchte, in deren Familie Hashimoto bereits vorkommt, sollte der TSH-Wert bestimmt und gegebenenfalls eine Therapie eingeleitet werden, um in der Schwangerschaft die Entwicklung des Kindes keinem unnötigen Risiko auszusetzen.

Bei älteren Menschen sind leicht erhöhte TSH-Werte weniger schlimm. Bis zu zehn Prozent der Bevölkerung haben eine sogenannte subklinische Unterfunktion. Das Ärztenetzwerk Medix.ch empfiehlt in solchen Fällen keine routinemässige Hormonbehandlung, entsprechende Studien hätten keinen Nutzen gezeigt.

Teaser zu den Symptomen bei einer Schilddrüse mit Unterfunktion

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Quelle: Beobachter

So funktioniert die Schilddrüse

Die Schilddrüse sitzt unterhalb des Kehlkopfs. Mit Jod aus der Nahrung bildet sie Hormone und steuert so Körperfunktionen wie Herzaktivität und Blutdruck, Stoffwechsel, Körpergewicht, Insulinproduktion, Libido, Darm und Verdauung oder sorgt für seelisches Wohlbefinden.

Folgender Regelkreislauf steuert, wie viele Schilddrüsenhormone der Körper gerade benötigt: Der Hypothalamus – ein Teil des Zwischenhirns – produziert den Botenstoff TRH. Dieser stimuliert die Hirnanhangsdrüse, das Hormon TSH zu bilden. Dieses wiederum stimuliert die Schilddrüse zur Hormonproduktion. Der Hypothalamus misst ständig die Konzentration an Schilddrüsenhormonen im Blut und reagiert darauf. Eine Störung an einer Stelle des Regelkreislaufs führt zu einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse und wirkt sich über Symptome aus. Wer keine Probleme mit der Schilddrüse hat, sollte Produkte mit jodiertem Salz konsumieren und dieses beim Kochen verwenden.

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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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