Lea Kugler* setzt sich in den Zug. Aus der linken Jackentasche holt sie eine Snus-Dose. Sie klaubt einen Tabakbeutel heraus und schiebt ihn sich geübt zwischen Oberlippe und Zahnfleisch. Das Nikotin dringt durch ihre Mundschleimhaut ins Blut. Langsamer als beim Rauchen, dafür bleibt es länger im Körper.

Am Morgen braucht Lea Snus dringend. Ohne kommt sie kaum in die Gänge. Es putscht sie auf, erhöht den Puls. Gleichzeitig entspannt es sie. Noch vor einem Jahr rauchte sie täglich eine Schachtel Zigaretten. Dann stieg sie auf Snus um. Etwa fünf Beutel braucht sie am Tag, manchmal auch sieben. Sie spürt, wie sich ihre Lunge vom Qualmen erholt. Ihre Haut sieht besser aus, den Zigarettengestank vermisst sie nicht. Geblieben aber ist die Sucht nach Nikotin.

Nikotin schadet immer

Egal, womit Zigaretten ersetzt werden, ob mit E-Zigaretten, Tabakerhitzern oder Snus: Sie alle machen abhängig. In skandinavischen Ländern wird Snus seit Jahrhunderten konsumiert. In der Schweiz ist der Oraltabak bei Hockeyspielern und Spitzensportlern beliebt, für einen zusätzlichen Kick. Die Importmenge hat sich in den letzten Jahren fast verdoppelt.

Das Bundesamt für Gesundheit schätzt Snus als gesundheitliches Risiko ein. Das Produkt mache rasch abhängig und erhöhe das Risiko von Speiseröhrenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Test Wie geht es Herz und Kreislauf? . Studien deuten zudem auf einen Zusammenhang zwischen Snus und Diabetes hin.

«Es gibt keine Form des Konsums, bei der Nikotin nicht schädlich wäre», betont Claudia Künzli von der Lungenliga Schweiz. «Obwohl die Lunge beim Konsum von Snus weniger beeinträchtigt wird, würden wir einen Umstieg von Zigaretten auf Snus nie empfehlen.» Für Künzli ist nur ein gänzlicher Verzicht tatsächlich gesünder.

Lea Kugler ist sich dessen bewusst: «Für mich aber überwiegen die Vorteile von Snus. Ich inhaliere keine Schadstoffe, mein Geschmacks- und Geruchssinn sind besser, ich stinke nicht, gefährde keine anderen. Und es ist keine sündhaft teure Sucht.»

Snus-Hersteller Swedish Match bemüht für seine Werbung gleich eine Studie der Weltgesundheitsorganisation: «Schweden hat den gleichen Tabakkonsum wie das übrige Europa. Aber schwedische Männer haben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bei weitem das geringste Risiko für tabakbedingte Erkrankungen.»

Ist Snus also gesünder als Zigaretten? «Insgesamt ist wohl das Schadenspotenzial bei Snus geringer als bei Zigaretten. Und es gibt keine Gefährdung anderer», sagt Philip Bruggmann, Chefarzt für Innere Medizin im Zentrum für Suchtmedizin Arud: Doch der regelmässige Konsum von Snus gehe auch mit erheblichen Risiken einher. Snus sei daher keine sinnvolle Alternative zum Rauchen.

Nutzen ist nicht erwiesen

Die Meinungen sind geteilt. Das englische Royal College of Physicians und eine Gruppe um den Schweden Karl Fagerström, den Erfinder der Nikotinersatztherapie, sprechen sich für Snus aus, da sie davon abnehmende Raucherzahlen und ein geringeres Gesundheitsrisiko erwarten. In der Studie heisst es: «Es handelt sich bei Snus nach aktuellen Erkenntnissen vielmehr um eine Ausstiegs- als eine Einstiegsdroge.»

Doch gemäss dem Deutschen Krebsforschungszentrum hat Snus keinen erwiesenen Nutzen in der Tabakentwöhnung. 66 Prozent gelinge der Rauchstopp ohne Snus. Nur jeder vierte Raucher steige auf Snus um. «Kein alternatives Produkt zu Zigaretten bietet eine Chance, die Nikotinsucht aufzugeben. Auch wenn es so vermarktet wird», sagt Claudia Künzli von der Lungenliga. «Alle Tabakprodukte müssen gleich behandelt werden, in der Politik und in der Prävention. Auch Snus.»


*Name der Redaktion bekannt

Snus in der Schweiz

Snus-Beutelchen enthalten fein gemahlenen Tabak, Natriumchlorid, Natriumcarbonat, Wasser, Aromen, feucht haltende Agenzien und etwa 28 krebserregende Stoffe.

In der Schweiz konsumierten im Jahr 2018 knapp 77'000 Personen Snus oder Lutschtabak.

2012 importierten Private knapp 28,5 Tonnen Snus für den Eigengebrauch. 2018 waren es über 52,6 Tonnen.

Im Mai 2019 entschied das Bundesgericht, dass Snus auch zu Handelszwecken in die Schweiz eingeführt werden darf.

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
Der Gesundheits-Newsletter