Schon vor über 100'000 Jahren gab es Bestattungs- und Opferrituale. Das zeigen archäologische Funde. Unsere Ahnen versuchten mit rituellen Handlungen, Dinge fassbar zu machen, die sie sich noch nicht erklären konnten. Rituale existieren seither in jeder Kultur.

Wissenschaftler vermuten, dass die Neigung dazu wohl genetisch im Menschen angelegt ist – andere sprechen von einem psychologischen Grundbedürfnis.

Beides ergibt Sinn. Der Mensch profitiert psychisch und körperlich von Ritualen. Dazu gehören auf der gesellschaftlichen Ebene etwa Weihnachten, Ostern, Muttertag, Geburt, Begräbnisse Beerdigung Rituale für die letzte Ruhe oder die Sommerferien – auf der individuellen Ebene aber auch viele kleine, höchst persönliche Rituale im Alltag. «Auf Rituale kann man sich verlassen, weil man sie sehr gut kennt. Dadurch muss man nicht jedes Mal neu darüber diskutieren und entscheiden», sagt die Gesundheits- und Sozialpsychologin Urte Scholz von der Universität Zürich.

«Anders als blosse Routine oder Gewohnheiten haben Rituale immer einen emotionalen Wert.»

Urte Scholz, Professorin für Gesundheits- und Sozialpsychologie, Universität Zürich

Diese Stabilität reduziert Stress und Ängste, gibt Kraft und zugleich Sicherheit. Denn Rituale werden nicht einfach beliebig verändert wie so vieles andere auf der Welt und in unserem näheren Umfeld. Sie sind beständig, selbst wenn sie wie Weihnachten nur einmal im Jahr vorkommen.

Simple Handlungen bauen Stress ab

Dabei zeigen Untersuchungen, dass schon ein simples Ritual wie etwa das Zubereiten einer Tasse Tee Teerituale So unterschiedlich wird auf der Welt Tee getrunken oder Kaffee oder das Einlassen eines Bades den Stresslevel merklich senkt. «Auch Kindern vermitteln Familienrituale Sicherheit. Das erlaubt ihnen eine gesunde Entwicklung, schafft Vertrauen und sorgt für Zusammenhalt innerhalb der Familie.» Und in der Gesellschaft schaffen Rituale ein Zusammengehörigkeitsgefühl, Identität und neue Kontakte.

Was Rituale so stabil macht: «Anders als blosse Routine oder Gewohnheiten haben Rituale immer einen emotionalen Wert. Sie sind mit einer tieferen Bedeutung verbunden und damit für die ausübende Person wichtig», sagt Urte Scholz.

«In Krisenzeiten sind Rituale eine wichtige Ressource.»

Urte Scholz, Professorin für Gesundheits- und Sozialpsychologie, Universität Zürich

Für Unbeteiligte mögen Rituale nicht immer nachvollziehbar sein, weil die Bedeutung sehr spezifisch für eine Kultur oder auch nur für eine Familie sein kann. Auch individuelle «seltsame Gewohnheiten» stossen bei anderen oft auf Unverständnis – sind aber für den Seelenfrieden der ausübenden Person enorm wichtig.

Positive Erlebnisse in unsicheren Zeiten

Dabei laufen Rituale im Alltag oft parallel zu Routinen ab. «Aufstehen, duschen, frühstücken, sich anziehen, anfangen zu arbeiten, zu Abend essen: Das sind Routinen, die den Tagesablauf grob strukturieren Gesundheit Im Takt der inneren Uhr », sagt Urte Scholz. Das war besonders in Zeiten des Corona-Lockdowns wichtig, wo manche strukturgebende Dinge wie Schule oder Arbeiten im Büro wegfielen. «In Krisenzeiten sind Rituale eine wichtige Ressource. Sie helfen, auch im täglichen Chaos und in der Unsicherheit positive Erlebnisse zu haben», sagt Scholz.

Aber auch in besseren Zeiten können Rituale vieles leisten. Sie entlasten punktuell, lassen uns zwischendurch durchatmen. «Jeder sollte Rituale im Alltag haben – kleine Inseln, die helfen, positiv zu sein und zu bleiben.»

Tipps: So bauen Sie Rituale in den Alltag ein
Positiv in den Tag starten
Gut durch den Arbeitstag kommen
Zeit für die Beziehung
Zeit mit der Familie
Ausspannen mit Freunden
Rituale ganz für sich allein
Für eine gute Nachtruhe
Buchtipp
Anti-Stress Notizbuch
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