Für die einen klingt es nach Albtraum, für die anderen nach Freiheit pur: Luft anhalten und ohne Sauerstoffflasche abtauchen. Nicht für eine Minute, nicht für drei, nicht für fünf – für über 21 Minuten. Weltrekord.

Peter Colat reichte das aber nicht. Deshalb hielt er 2013, zwei Jahre nach diesem Rekord, nicht einfach in einem Schwimmbecken die Luft an, sondern tauchte 150 Meter weit unter einer dicken Eisschicht hindurch. Wieder ein Weltrekord. «Es reizt mich, meinen Körper so weit zu kontrollieren, dass er mit dem auskommt, was er hat», erklärt Peter Colat seine Passion. Beim sogenannten Apnoetauchen gibt es keine Pressluftflaschen, sondern man atmet tief ein und hält dann möglichst lang die Luft an.

Die volle Kontrolle über die eigene Atmung

Seit fast 25 Jahren taucht der Projekt- und Bauleiter aus Zürich ab und holt sich damit regelmässig Auszeichnungen. Möglich ist das laut Colat nicht in erster Linie wegen guter körperlicher Voraussetzungen, sondern weil er seinen Körper kontrollieren kann. «Man muss alle Sorgen, Ärger bei der Arbeit, Beziehungsprobleme, Zukunftsängste vergessen und sich auf einen schönen Gedanken konzentrieren.»

Er habe zudem gelernt, seine Körperreaktionen richtig zu deuten. «Wenn bei leerem Magen der Zuckerspiegel absinkt, spürt man das zwar, aber man lernt, damit umzugehen.» Dasselbe gelte für den Atemreiz. Entsprechend funktioniert die Vorbereitung auf das Luftanhalten ähnlich wie jene auf einen Marathon: üben, üben, üben und ausdauernder werden.

Der Atem reagiert auf die Stimmung

Erwachsene atmen durchschnittlich 15-mal pro Minute, fast 22000-mal am Tag. Je nachdem, ob wir schwere Einkaufstüten schleppen, eine Prüfung schreiben oder gemütlich auf dem Sofa liegen, verändert sich die Atmung. Falls wir gestresst sind, atmen wir schnell und oberflächlich; wenn wir verängstigt sind, wird der Atem flach, bei Erschrecken stockt er komplett. Gesteuert wird diese Reaktion auf psychische und körperliche Zustände durch das vegetative Nervensystem.

Das Atmen ist somit ein Bindeglied zwischen Körper und Psyche. «Die Atmung ist die einzige Vitalfunktion, die der Mensch willentlich beeinflussen kann. Bei Blutdruck zum Beispiel und Herzschlag geht das nicht», erklärt Thomas Rothe, leitender Arzt im Kantonsspital Graubünden und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie.

 

Die beste Vorbereitung auf das Luftanhalten? «Üben, üben, üben.»

Weltrekordhalter Peter Colat

 

Im Umkehrschluss bedeutet das: Stress und Angst können ganz gezielt durch ruhiges Atmen abgeschwächt werden. «Das bewusste Atmen ist ein Hilfsmittel, um Ruhe zu finden Achtsamkeit Wie Sie die innere Ruhe finden können », sagt Rothe. Das ist allerdings nicht ständig notwendig. Denn grundsätzlich gilt: Ein gesunder Mensch atmet unbewusst korrekt.

Dennoch sei es sinnvoll, Atemtechniken zu üben, allenfalls eine Atemtherapie oder einen entsprechenden Kurs zu besuchen, findet Lungenspezialist Rothe. «Es braucht Zeit und ein Grundverständnis, um die Atemtechniken richtig anzuwenden. Zudem wird die Selbstwahrnehmung geschult, um kritische Situationen besser zu erkennen und richtig zu reagieren», so Rothe.

Atemübungen als Lebensschule

Auch Apnoetaucher Peter Colat Der Extremsportler «Stille und ein Gefühl von absoluter Freiheit» nützt die Fähigkeit, seine Atmung zu kontrollieren – nicht nur, wenn er gerade unter einer Eisdecke durchschwimmt. «Mein Chef sagt häufig zu mir: ‹Deine Ruhe möchte ich haben›.»

Tatsächlich bringt den 47-Jährigen nicht so schnell etwas in Rage. Colats Ruhepuls liegt bei 41. Und selbst wenn es mal hektisch wird oder er sich aufregt, schafft er es dank des jahrelangen Trainings, sich schnell wieder zu beruhigen Entspannung Entspannen Sie richtig? . «Für mich ist das Tauchen eine Lebensschule.»

Weltrekordhalter im Apnoetauchen

Peter Colat steht am Ufer des Thunersees

Taucht ohne Sauerstoffflasche über 20 Minuten: Peter Colat, hier am Thunersee.

Quelle: Philipp Schmidli
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Verschiedene Formen von Atemtherapie

In Indien und China wird der Atem als «König der Körperfunktionen» gesehen, der Lebensenergie transportiert. Im Westen betrachtet man ihn vorwiegend als notwendige Körperfunktion – Sauerstoff rein, Zellen versorgen, Kohlendioxid raus. Die westlichen Therapieformen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen unterteilen. Zum einen die physiotherapeutische Atemtherapie, bei der der mechanisch-funktionelle Teil des Atemprozesses im Fokus steht. Diese Therapie wird vorwiegend bei Atemwegserkrankungen angewandt.

Thomas Rothe warnt davor, sich bei einer Erkrankung ausschliesslich auf eine Atemtherapie zu verlassen. «Sie ist eines von verschiedenen Hilfsmitteln, um die Lebensqualität zu steigern. Lungenerkrankungen können damit aber nicht geheilt werden.»

Die zweite Therapieströmung ist die nicht-physiotherapeutische Atemtherapie, die sich stärker mit emotionalen Aspekten Emotionen «Mein Gefühlschaos blockiert mich» befasst. Die Angebote sind extrem vielfältig. Manche spielen sich liegend ab, andere stehend, wiederum andere im Sitzen, mit oder ohne Berührung. Manche Atemtherapeuten führen lange Vorgespräche, andere fokussieren vorwiegend auf die Atmung. Hier hilft nur eins: ausprobieren und spüren, welche Form einem entspricht.

Atemübungen für den Alltag

Bei Stress und Ärger können einfache Atemübungen beim Entspannen helfen. Dabei gilt grundsätzlich: wenn immer möglich durch die Nase atmen. Dadurch wird die Luft, die in den Körper gelangt, optimal befeuchtet, gereinigt und gewärmt. Die Nasenatmung soll zudem die Körperspannung fördern und die Zwerchfelltätigkeit anregen.

  • Allgemein: Manchmal muss der Atem gar nicht aktiv beeinflusst werden. Es reicht schon, sich bewusst auf die Atmung zu konzentrieren, um sie allmählich unter Kontrolle zu bringen.
  • Entspannung am Schreibtisch: Sich einfach mal zurücklehnen und den Rücken in den Stuhl pressen. Langsam einatmen, dabei die Arme nach oben führen. Anschliessend ruhig ausatmen und die Arme wieder senken. Wiederholen, bis man sich ruhiger fühlt.
  • Gegen Angst: Wenn sich Angst oder gar Panik breitmacht, kann man versuchen, mit bewusster Atmung entgegenzuwirken. Dazu aufrecht sitzen, eine Hand auf die Brust, die andere auf den Bauch legen. Tief und langsam durch die Nase einatmen und stossartig durch den Mund wieder aus.
  • Gegen Anspannung: Beim Einatmen möglichst viele Muskeln anspannen. Anschliessend die Luft kurz anhalten, dann langsam ausatmen un dabei die Muskeln wieder entspannen.
  • Gegen Stress: Sich gerade hinstellen und die Arme nach oben strecken. Beim Einatmen die Ellbogen durchdrücken und den Körper lang ziehen. Beim Ausatmen die Arme wieder entspannen.
Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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