Im Fernsehen laufen die Nachrichten, man checkt die SMS und isst dazu ein belegtes Brötchen. Beim Joggen geht man das bevorstehende Gespräch mit der Chefin durch. Autos brausen vorbei, Plakate schreien von den Wänden. Musik im Kaufhaus, Geschubse in der S-Bahn, piepsende Handys, ständig Mails und neue Nachrichten auf Social Media.

Multitasking, Daueraktivität Stress Wenn man ständig auf der Überholspur lebt , Reizüberflutung, das stresst, macht müde und erschöpft. Helfen kann der Achtsamkeitsansatz – Trainingsmethoden, die im besten Fall zur Lebenshaltung werden. «Achtsamkeit ist zurzeit in aller Mund», sagt Michèle Weingartner, Yogalehrerin aus Zürich. «Doch es ist weder ein Modetrend noch ein Tool zum Glücklichsein, sondern ein Lebensstil, der Achtsamkeit gegenüber sich selbst, den Mitmenschen und der Umwelt umfasst.» 

Stresssituationen frühzeitig erkennen

Dabei gehe es nicht darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, erklärt Weingartner. Sondern darum, ganz im Moment zu verweilen, um zu erkennen, was einen gerade beschäftige. «So kann man Stresssituationen Stress und Körpersymptome Körper im Alarmzustand frühzeitig erkennen und Verhaltensmuster entsprechend ändern.»

Auf dem Ansatz der Achtsamkeit beruht auch die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), ein achtwöchiges Programm, das der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn Ende der siebziger Jahre entwickelt hat. 

«Man kann bewusster entscheiden und ist irrationalen Handlungen nicht mehr völlig ausgeliefert.»

Daniel Walti, Psychotherapeut

 

Während dieser acht Wochen lernen die Kursteilnehmenden in mehreren Sitzungen Meditationen und Übungen, die einem helfen sollen, den Körper auch im Alltag besser wahrzunehmen. Das Konzept wird nicht nur zur Stressbewältigung angewandt, sondern auch in der Medizin und der Psychotherapie. 

«Man lernt, seine Emotionen und Reaktionen besser wahrzunehmen, kann bewusster entscheiden und ist irrationalen Handlungen Bauchgefühl Wie unsere Entscheide entstehen nicht mehr völlig ausgeliefert», sagt Psychotherapeut Daniel Walti, MBSR-Lehrer am Zentrum für Achtsamkeit in Zürich. 

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Schwieriger als gezielte Entspannung

Achtsamkeit sei nicht mit gezielter Entspannung Entspannung Entspannen Sie richtig? zu verwechseln, sagt Walti. Bei Letzterer bemühe man sich, einen bestimmten Zustand zu erreichen. In der Achtsamkeit hingegen gehe es in die Richtung, dass man sich mit dem anfreundet, was gerade ist. «Wenn das ein bisschen gelingt, dann sind wir weniger am Kämpfen. Wenn wir weniger kämpfen, resultiert daraus Entspannung.»

Diese Art zu entspannen sei schwieriger zu erlernen als gezielte Entspannung. Dafür trage sie umso mehr Früchte. 

Nicht alle haben Zeit oder Lust Psychologie «Ich habe keine Zeit für Achtsamkeit» , einen derart intensiven Kurs zu machen. Muss man auch nicht, denn Achtsamkeit lässt sich auch in kleinen Schritten im Alltag integrieren: im Büro, im Stau oder in der Warteschlange.

Achtsamkeit im Alltag trainieren

Atemübung
Achten Sie im Sitzen oder Liegen bewusst darauf, wie die Luft durch die Nase in den Körper einströmt, wie sich der Brustkorb hebt und senkt. Ist die Luft stickig? Wonach riecht es? Ist der Atem flach? Oder tief und ruhig? Halten Sie mal die Luft an, wenn Sie eingeatmet haben. Wie fühlt sich nun die Lunge an? Atmen Sie lange aus und machen Sie wieder eine Pause: Wie ist die Körperhaltung? Heben sich die Schultern?

Beim Duschen
Fokussieren Sie alle Sinne aufs Duschen. Wie fühlt sich das Wasser auf der Haut an? Wie hört sich das Wasser an, wenn es aus der Brause kommt? Beobachten Sie, wie das Wasser auf der Haut perlt, wie sich Rinnsale bilden, wie sich Schaumblasen bilden und platzen. Riechen Sie die Seife. Nehmen Sie wahr, was im Kopf passiert. Falls Sie ständig abschweifen: Beobachten Sie auch diesen Vorgang. Sind es immer die gleichen Gedanken? Oder wechseln sie wild? 

Im Tram oder Zug
Wählen Sie eine Farbe und beobachten Sie die vorbeiziehende Umgebung: Wo sehen Sie die Farbe? In welchen Schattierungen kommt sie vor? Sie werden staunen, wie viel Sie nun sehen, wenn Sie sich auf eine Farbe fokussieren.

Barfuss gehen
Über eine Wiese, einen Waldweg, über Kies oder Sand. Wie fühlt sich der Boden an: feucht, warm, kühl, weich? Wie ist der Gang? Langsam, tastend, erforschend, unsicher? Sinkt man ein? Noch intensiver spürt man den Boden mit geschlossenen Augen.

Der Body Scan
Diese Übung ist eher für Fortgeschrittene geeignet. Es geht darum, seinen Körper von unten bis oben zu erspüren. Dazu legt man sich am besten hin, schliesst die Augen und geht mit der Aufmerksamkeit Stück für Stück von den Zehen über die Beine, den Rumpf, die Schultern in die Arme und Fingerspitzen, dann hinauf bis zum Scheitel. Diese Übung kann einige Minuten dauern, in einem Kurs aber auch bis zu 45 Minuten. Achten Sie darauf, was dabei in Ihnen vorgeht. 

Weitere Achtsamkeitsübungen

Im Internet findet sich eine Vielzahl an weiteren Übungen:

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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