Google ist so mächtig, dass der Preisüberwacher von einem «Alarmzeichen» spricht. In seiner neuen Marktbeobachtung schreibt er: «Aufgrund der Reichweite ist Google im Suchmaschinenmarketing unersetzlich.»

Wer heute als Firma auf digitale Werbung setzt, braucht Google. Und das kostet. Die Firmen zahlen Google gemäss Preisüberwacher bis zu Fr. 83.87 für einen einzigen Klick auf ein Werbebanner. 

Alexander Müller betreibt einen Onlineshop in Fläsch GR. Er weiss, was der Preisüberwacher mit «marktmächtig» meint bei Google. Müller ist der Besitzer des Shops Pfefferspray-store.ch. Er darf bei Google keine Werbung schalten, da Google Pfeffersprays als Waffen einstuft. Das Problem: Das Pfefferspray-Werbeverbot gilt faktisch nicht für alle Anbieter.

«Ohne die Wettbewerbsverfälschung durch Google würde ich mehr verkaufen.»

Alexander Müller, Betreiber eines Onlineshops

Wer etwa «Pfefferspray Store» googelt, erhält diverse Onlinewerbungen für Pfeffersprays. Es sind aber nicht die Werbebanner von Alexander Müller. Sondern diejenigen von anderen Firmen, die von den Google-Algorithmen nicht herausgefiltert wurden.

Wenn der Algorithmus versagt, müssen Menschen ran. Alle können deshalb anstössige oder verbotene Werbeanzeigen bei Google melden. Eigentlich verschwänden die Anzeigen dann. Doch im Fall von Alexander Müller half das nicht. Er hat innerhalb mehrerer Jahre 356 Pfefferspray-Anzeigen gemeldet. Diese seien aber nicht gelöscht worden, sagt er. Auch der Beobachter meldet ohne Erfolg eine solche Anzeige.

«Google hält meine Firma klein», sagt Müller. «Ohne die Wettbewerbsverfälschung durch Google würde ich mehr verkaufen.» Er spricht von Marktmanipulation. Denn: «Google hat eine riesige Macht, das ist unglaublich.» 

Google hat bei Onlinewerbung tatsächlich einen Marktanteil von 92 Prozent. Je beliebter ein Suchwort auf Google ist, desto teurer wird eine Werbeanzeige. Google ist in der Schweiz damit so erfolgreich, dass der Konzern die Preise dafür kontinuierlich angehoben hat. Das zeigen die Klickpreise, die der Preisüberwacher bei Firmen erhoben hat. Demnach haben sich die Kosten für einen durchschnittlichen Klick auf ein von Google gesetztes Werbebanner seit 2017 um 60 Prozent erhöht auf nunmehr 85 Rappen. 

Doch das ist bloss der Durchschnitt. Wenn ein Google-Suchwort besonders beliebt ist, sind die Werbeklicks massiv teurer. Bei begehrten Schlüsselwörtern müssen die Firmen zwischen Fr. 19.75 und Fr. 83.90 zahlen – pro Klick. «Google kann die Bedingungen auf dem Markt ziemlich frei diktieren», schreibt der Preisüberwacher. Und das sei heikel: «Dass sich sowohl Werbetreibende wie auch Werbeagenturen abhängig von Google fühlen, ist ein Alarmzeichen.»

Milliardenumsatz geht nach Irland

Google nimmt allein in der Schweiz jährlich 1,1 Milliarden Franken mit Onlinewerbung ein, schätzen Marktanalystinnen. Doch einen Verantwortlichen für das Schweizer Werbegeschäft gibt es nicht, wie Alexander Müller, der Bündner Onlineshop-Betreiber, erfahren musste. 

Er versuchte per Anwalt zu erreichen, dass Google die Werbung der anderen Pfefferspray-Anbieter löscht, so dass gleich lange Spiesse für alle gelten. Die Antwort der Rechtsabteilung von Google Schweiz lautete: «Wie Sie den Google-Ads-Nutzungsbedingungen entnehmen können, werden die Dienstleistungen rund um Google Ads ausschliesslich von der Google Ireland Limited mit Sitz in Dublin, Irland, erbracht.»

Google Switzerland sei «nicht bevollmächtigt zur Entgegennahme und Behandlung von Nutzeranliegen und Beschwerdemeldungen». Mit anderen Worten: Google nimmt in der Schweiz über eine Milliarde Franken mit Werbung ein, doch versteckt sich bei Beschwerden hinter einer irischen Schwestergesellschaft.

«Die Plattformen halten sich letztlich freiwillig an Schweizer Recht, soweit es ihnen nicht in die Quere kommt.»

Martin Steiger, Rechtsanwalt

Der Zürcher Anwalt Martin Steiger ist auf Rechtsprobleme im digitalen Raum spezialisiert. Ihn erstaunt das Verhalten von Google nicht. «Plattformen wie Google schreiben ihre eigenen Spielregeln und entscheiden selbst über deren Durchsetzung. Das führt immer wieder zu Ergebnissen, die als willkürlich wahrgenommen werden.» Ein rechtliches Vorgehen sei, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Aufwand möglich. Denn es fehle in der Schweiz an einer Plattformregulierung. 

«Die Plattformen halten sich letztlich freiwillig an Schweizer Recht, soweit es ihnen nicht in die Quere kommt», sagt Rechtsanwalt Steiger. «So kann Google allfällige Anliegen von Nutzern in vielen Fällen aussitzen.» Sogar im Parlament unbestrittene Anliegen wie ein Zustellungsdomizil für grosse Plattformen würden nicht eingeführt, sagt Steiger. «Es kann der Eindruck entstehen, dass die Verwaltung gegenüber Tech-Unternehmen wie Google eine gewisse Beisshemmung hat.»

Alexander Müller würde das unterschreiben. Er fühlt sich von den Behörden alleingelassen mit seinem Problem. Die Wettbewerbskommission hat zwar selbst unzulässige Google-Anzeigen gemeldet aufgrund von Müllers Beschwerde, dann aber beschieden, dass sich der Fall erledigt habe, weil das Meldesystem von Google bei den eigenen anonymen Tests funktioniert habe. Es stehe Müller zudem frei, seine Beschwerdemeldung bei Google Ireland Limited einzureichen. Doch das würde die Hilfe eines Anwalts benötigen. «Das kann ich mir gar nicht leisten», sagt Müller.

Google beantwortet konkrete Fragen des Beobachters nicht. Stattdessen schickt die Pressestelle ein Statement, wonach Google die Werberichtlinien gegenüber allen Werbetreibenden «konsequent und einheitlich» anwende. Man halte sich an lokal geltendes Recht und würde Massnahmen ergreifen, wenn Anzeigen gegen die eigenen Richtlinien verstiessen.